Der eine Räuber brauchte Geld, um seine teuren Dopingmittel zu finanzieren. Der andere fühlte sich geschmeichelt, als ihn der ehemalige Mitschüler fragte, ob er mitmacht. Die Beweisaufnahme am Landgericht Würzburg zum brutalen Überfall auf den Mitarbeiter eines Getränkemarktes in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) im September 2018 zeigt: Der Schüler blickte gläubig zu dem ein Jahr älteren Elitesoldaten auf.
Viel Geld für Dopingmittel
Der 20-jährige Gebirgsjäger brauchte für Dopingmittel viel Geld, von denen er fitter werden wollte. Nach Einschätzung eines Gutachters ist er abhängig von anabolen Steroiden, die zum Muskelaufbau dienen sollen. Über 2000 Euro brauchte er dafür zuletzt pro Monat, praktisch seinen gesamten Monatsverdienst.
Das Motiv des Schülers war den Richtern dagegen bis jetzt ein Rätsel: Er hatte 20 000 Euro auf der Bank und 11 000 Euro zuhause, die er sich mühsam zusammengespart hatte. Die Beute aus dem Raub von knapp 10 000 Euro hatte der Soldat bei sich, als ihn eine Woche später ein Sondereinsatzkommando in Würzburg festnahm.
Schüler "wollte nicht als Feigling dastehen"
"Warum dann der Überfall?", fragte der Vorsitzende Michael Schaller den Schüler. Der bekannte mit Hilfe seines Anwalts Jan Paulsen: Der ein Jahr ältere "war ein Vorbild für mich. Er war bei der Bundeswehr, wo ich auch hin wollte". Als ihm der Kumpel den Überfall auf den Getränkemarkt vorschlug, in dem der Schüler seit ein paar Wochen jobbte, "wollte ich nicht als Feigling dastehen". Er fand es toll, dass ihn der Ältere fragte.
"Wir wollten reingehen, das Geld nehmen, wieder rausgehen", erklärte er. Klingt wie: Geld abheben auf der Bank – mit dem Unterschied, dass die zwei Maskierten den Mitarbeiter des Marktes so in Todesangst versetzt hatten, dass er wohl noch lange darunter leiden wird: Sie hielten ihm die (angeblich nicht geladene) Pistole an den Kopf, schlugen ihn, übergossen ihn mit Wodka und drohten, ihn anzünden. Aus Angst um sein Leben half er beim Leeren der Tresore.
Immense Folgen für die Angeklagten
Wie er das heute bewerte, fragte Richter Schaller. "Es war der größte Fehler meines Lebens", sagt der Angeklagte kleinlaut. Weil die beiden in jener Nacht im Getränkemarkt zum Verwischen ihrer Spuren zwei Brände legten, müssen sie auch für den Schaden von 130 000 Euro aufkommen.
Beide haben den Raub gestanden. Die Pläne für weitere Straftaten – angeblich war die Entführung eines Millionärssohnes im Gespräch – waren dem Gericht zu vage, um sie näher unter die Lupe zu nehmen. Ob beiden Reifedefizite zugebilligt werden, hat das Gericht noch nicht entschieden. Doch nicht nur da hat das Gericht "den schwarzen Peter", wie Vorsitzender Schaller sagte: Der Fall betritt juristisches Neuland.
Entzug von Dopingmitteln?
Verteidiger Hanjo Schrepfer hat die Frage aufgeworfen, ob die Abhängigkeit des Soldaten von anabolen Steroiden als Sucht zu betrachten ist. Dann könnte ein Entzug in Frage kommen. Doch Grundvoraussetzung dafür ist zum einen, dass das Mittel rauschartig wirkt, also Bewusstsein und Verhalten verändert. Das wäre neu, wird aber von einem Gutachter für möglich gehalten.
Schwieriger ist: Laut dem Gericht hat bisher keine Therapieeinrichtung in Bayern Erfahrung mit dieser Art von Entzug. Die Konzepte dort sind auf Drogen- und Alkoholentzug ausgerichtet. Das Gericht muss einen Experten befragen, wer bereit wäre, den Soldaten versuchsweise zum Entzug aufzunehmen.
Der Prozess wird am 23. Juli fortgesetzt.