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Gemünden
Prozess: Angeklagter bestreitet, Baby tödlich misshandelt zu haben
Auftakt im Prozess um den gewaltsamen Tod eines Säuglings aus dem Landkreis Main-Spessart: Der Angeklagte bestreitet den Tötungsvorsatz, die Mutter erschien nicht vor Gericht.
Mordprozess in Würzburg: Der 23-jährige Angeklagte soll kurz vor Weihnachten 2019 das Kind seiner Freundin getötet haben, weil ihn die Babyschreie beim Fernsehen störte.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa | Mordprozess in Würzburg: Der 23-jährige Angeklagte soll kurz vor Weihnachten 2019 das Kind seiner Freundin getötet haben, weil ihn die Babyschreie beim Fernsehen störte.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:04 Uhr

Zwei Tage vor dem gewaltsamen Tod des Babys hat der Angeklagte einem Freund eine vielsagende Whatsapp-Nachricht geschrieben: "Das Problem ist halt, dass das Schreien mir megamäßig auf die Psyche geht", gestand er in der Nachricht, die Ermittler später fanden. 

Wegen der Babyschreie die Beherrschung verloren?

Reicht das als Erklärung für einen Mord? Zehn Monate später steht das Landgericht Würzburg um den Vorsitzenden Claus Barthel vor der Frage, ob der 23-Jährige im vergangenen Dezember im Landkreis Main-Spessart die Beherrschung verlor, wie bei früheren Gelegenheiten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, den Buben im Raum Gemünden mit stumpfer Gewalt malträtiert und erstickt zu haben. Die Anklage lautet unter anderem auf Mord: Der 23-Jährige soll dem Baby seiner Freundin erst mit Gewalt auf die Bauchdecke gedrückt und ihm Rippen gebrochen haben. Und dann, so die Anklage, soll er den acht Monate alten Säugling mit einer Decke erstickt haben.  

Jetzt müssen - trotz Corona - an voraussichtlich zehn Verhandlungstagen Dutzende von Zeugen in Würzburg erscheinen. Sie sollen Auskunft darüber geben, wie das Verhältnis des Angeklagten zu seiner 20-jährigen Geliebten und ihrem kleinen Kind war. Der 23-Jährige bestritt am Mittwoch zu Prozessbeginn, schon in den Wochen vor dem Tod des Säuglings handgreiflich gegen das Baby und seine Mutter geworden zu sein. 

Gutachten zeigte frühere Verletzungsmuster

Ein Gutachten der Würzburger Rechtsmedizin untermauert den Verdacht von Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach durch unmissverständliche "Verletzungsmuster". In einer Erklärung durch seinen Verteidiger Hanjo Schrepfer bestritt der Angeklagte dagegen jede Mordabsicht. Es sei für ihn denkbar, dass sich das Baby die Decke, in die er es sorgsam gehüllt haben will, selbst über den Kopf gezogen habe und so erstickt sei. Auch die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, den Buben schon in den Wochen vor seinem Tod misshandelt zu haben, wies der 23-Jährige von sich. Er will das Kind lediglich manchmal unsanft behandelt haben.

Der 20. Dezember 2019 hatte für den 23-Jährigen offenbar begonnen wie so viele Tage: Lange schlafen, sich gegen Mittag auf die Couch setzen, um mit einem Kumpel und wohl ein bisschen Cannabis die Zeit mit Fernsehen tot zu schlagen. 

Was geschah im Kinderzimmer?

Als der kleine Sohn seiner Freundin an jenem Tag nicht mit dem Schreien aufhörte, soll er kurz ins Kinderzimmer gegangen sein. Plötzlich sei das Baby still gewesen, der 23-jährige soll zurückgekommen sein und den laufenden Film weitergeguckt haben, gut eine Stunde lang. Bis ihn der Schrei der Mutter alarmierte: Das Baby tue keinen Schnaufer mehr, sei blau angelaufen. Der 23-Jährige rief den Notarzt, doch da war es schon zu spät.      

Der Angeklagte habe sich "außerordentlich ungeschickt" angestellt, als in der Klinik der Verdacht aufkam, das Baby sei keines natürlichen Todes gestorben, so Richter Claus Barthel am Mittwoch. Der 23-Jährige habe seinen Freund gebeten der Polizei nicht zu sagen, dass er ins Kinderzimmer gegangen war. Er habe verräterische Chats auf dem Handy zu löschen versucht. Und, so der Richter zum Angeklagten: "Aggressives Verhalten zieht sich durch ihr Leben wie ein dicker roter Faden."

Vieles in der Erklärung des Angeklagten wirkt am erste Prozesstag widersprüchlich: Einerseits habe er sich nicht als Ersatzvater gesehen und die Pflege des Kindes völlig der Mutter überlassen. Andererseits will er sogar einen Job deshalb nicht bekommen haben, weil er am Tag der Vertragsunterzeichnung seine Freundin mit dem Kind nicht allein lassen wollte.  

Die Übergriffe auf die 21-Jährige gab der Angeklagte zu. Er sitzt seit Dezember in Untersuchungshaft. Für den Prozess sind bisher zehn Verhandlungstermine geplant.

Mutter erscheint nicht im Zeugenstand

Die junge Mutter des getöteten Kindes soll Licht ins Dunkel des Falles bringen. Sie bat zunächst darum, per Video vernommen zu werden und nicht im Zeugenstand erscheinen zu müssen, um ihrem Ex-Freund vor Gericht nicht zu begegnen. Als dies abgelehnt wurde, rief sie - kurz vor ihrer Befragung  im Zeugenstand - bei Gericht an: Sie sei erkältet und habe Angst vor einer Corona-Infektion.        

Das Gericht verschob am Mittwoch deshalb die Aussage der Mutter. Allerdings muss sie unverzüglich zum Corona-Test und das Ergebnis vorlegen. Ist der Test negativ, schiebt das Gericht eigens einen zusätzlichen Verhandlungstag ein und holt die 21-Jährige an diesem Freitag in den Zeugenstand.  

 
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