
Der Marktpreis für Altpapier ist im Keller. Im November lag er laut Landratsamt bei unter 70 Euro pro Tonne gemischtes Papier, Vereine haben deshalb abzüglich der Kosten vom Landratsamt (rund 55 Euro je Tonne) gerade mal noch 13 Euro für die Tonne erhalten. Und die Prognosen verheißen nichts Gutes. Einige Vereine und Organisationen im Landkreis Main-Spessart haben wegen des Preisverfalls bereits ihre Altpapiersammlungen eingestellt, etwa der SV Steinbach, die Kindertagesstätte St. Pius in Lohr-Lindig oder die Kirchenverwaltung der Pfarrei St. Jakobus in Pflochsbach. Andere, wie der TSV Himmelstadt, wollen noch abwarten.
Womöglich hören bald noch viel mehr Vereine auf. Denn der Landkreis werde, wenn die Kosten höher als die Erlöse sind, die Unterstützung für die Sammlungen einstellen, wie das Landratsamt in einem Schreiben Ende Oktober den sammelnden Vereinen ankündigte. Aktuell unterstützt der Landkreis rund 70 bis 80 Vereine. Das Landratsamt organisiert die Container, bezahlt dem Entsorger Kirsch & Sohn den Aufwand und vergütet den Vereinen die Differenz aus Verkaufserlös und Kosten. Im Schreiben steht: "Die Unterstützung der Vereinssammlung durch den Landkreis muss (...) mindestens kostenneutral erfolgen." Verluste über den allgemeinen Müllgebührenhaushalt zu kompensieren sei aus gebührenrechtlichen Gründen nicht zulässig.
Verschärfte Importbestimmungen in China drücken den Altpapierpreis
Seit März 2018 verharre der Altpapierpreis auf einem "sehr niedrigen Niveau", schreibt die Abfallberatung des Landratsamts. "Grund dafür ist ein deutliches Überangebot auf dem Markt und eine schwache Nachfrage seitens der Verwertungsbetriebe." Laut dem Brancheninformationsdienst EUWID liegt das an verschärften Einfuhrbestimmungen in China und Beschränkungen anderer asiatischer Länder. Alle Prognosen gingen derzeit davon aus, dass sich die Marktlage in den nächsten Monaten weiter verschlechtere, so das Landratsamt. Spätestens wenn der Altpapierpreis so weit sinken sollte, dass für den Landkreis Verluste entstehen, "muss die Unterstützung der Organisation der Vereinssammlung zumindest vorläufig eingestellt werden".

Helmut Gehrig, Organisator der Altpapiersammlungen beim TSV Himmelstadt, zögert noch, die Sammlungen ganz einzustellen. "Wenn ich jetzt sage, es gibt keine Sammlung mehr, kann es sein, dass die Himmelstadter später, wenn wir wieder anfangen, weiter alles in die blaue Tonne schmeißen." Und wie schnell es gehen kann mit extrem hohen und extrem niedrigen Preisen zeigt die Tatsache, dass der TSV vor zwei Jahren erst, im November 2017, seinen bisher höchsten Erlös von 71,40 Euro pro Tonne erzielte. Der Altpapierpreis lag in der Vermarktung 2017 im Durchschnitt bei 143,70 Euro pro Tonne, erklärt das Landratsamt.
Beim letzten Preissturz gab es noch eine Mindestvergütung
2008 gab es innerhalb weniger Monate einen massiven Preissturz von über 75 Euro Marktpreis für eine Tonne gemischtes Papier auf nur noch zehn Euro, wie Harald Kirsch, der damalige Geschäftsführer der Kirsch-Tochterfirma Sero in Gemünden, der Main-Post in jenem Jahr erzählte. Erst sei einem das Altpapier regelrecht aus der Hand gerissen worden, hieß es damals, keine acht Wochen später stapelte es sich in den Höfen vieler Papier- und Verwertungsfirmen. Einen solch schnellen Preissturz habe Kirsch in all den Jahren noch nicht erlebt. Die Situation momentan sei mit der von 2008 zu vergleichen, heißt es von Kirsch & Sohn. Derzeit lagere aufgrund der geringen Nachfrage einer größere Menge auf dem Sammelplatz in Karsbach, teilt Elke Witt-Hamouda, Assistentin der Geschäftsführung, mit.
2008 merkten Vereine wenig von den niedrigen Preisen, weil sie von der Firma Sero eine Mindestvergütung von 25,56 Euro erhielten, selbst wenn der Papierpreis darunter lag. Die Mindestvergütung gibt es laut Landratsamt seit 2014 nicht mehr. Sie war ab der Einführung der blauen Tonne für zehn Jahre lang Vertragsbestandteil, erklärt Martin Oppmann, Sachgebietsleiter der Abfallwirtschaft am Landratsamt. Als der Vertrag Ende 2013 auslief und der Landkreis die Altpapiervermarktung wieder selbst übernahm, fiel auch die Mindestvergütung weg.
Ein Jahr lang war der Altpapierpreis im Keller
Helmut Gehrig, der seit 2011 die Altpapiersammlung in Himmelstadt organisiert, weiß aus den Unterlagen, dass der Verein das gesamte Jahr 2009 über den Mindestpreis erhielt. Bei der Sammlung im März 2010 dann lag der Preis pro Tonne aber wieder bei 50 Euro. Seitdem sei der Preis nicht mehr unter den Mindestpreis gefallen.
Seit 25 Jahren sammelt der TSV Himmelstadt Altpapier. Dafür sind drei Mal im Jahr drei Bulldogs und 15 Mann im Einsatz. Zehn bis dreizehn Tonnen kommen pro Sammlung zusammen. Helmut Gehrig wundert sich über die niedrigen Preise derzeit: "Gerade jetzt müsste doch mehr Papier gebraucht werden." Alle redeten doch davon, dass weniger Plastik verwendet werden solle. Wie es weitergeht? "Ich habe die stille Hoffnung, dass der Preis doch nicht runtergeht", sagt Gehrig. Es wäre bei steigenden Preisen den Versuch wert zu schauen, ob man die Leute wieder zum Sammeln bringt.
Sammelt der SV Steinbach irgendwann wieder?
Auch beim SV Steinbach, der nach über 50 Jahren im September bei der Vergütung von 22,50 Euro zum letzten Mal Altpapier gesammelt hat, will man die Altpapiersammlung nicht endgültig begraben. "Wenn der Preis wieder steigt, behalten wir uns einen Wiedereinstieg vor", sagte Vorstandsbeisitzer Engelbert Neubauer im September der Redaktion. Früher habe man mit dem Entsorger, der Firma Kirsch, über den Preis verhandeln können. Über das Landratsamt sei der Preis nicht verhandelbar.
Auf das Schreiben vom Landratsamt hätten etwa zehn Vereine angekündigt, die Altpapiersammlungen einzustellen oder ohne Unterstützung des Landratsamts zu sammeln. Denn das, so Pressesprecher Holger Steiger, stehe jedem Verein frei. Ansonsten stünden natürlich die blauen Tonnen und die Wertstoffhöfe zur Verfügung, so Sachgebietsleiter Oppmann.