
"Unter Dieter wär das nicht passiert!" Diesen Spruch hört man des öfteren, wenn man mit älteren Rexröthern spricht. Dieter? Werner Dieter. An diesem Montag wird der "deutsche Industriemanager" 90. Doch was schreiben über einen Mann, den man selbst nicht kennengelernt hat? Den Schwaben, der ein einfaches Eisenwerk zu einem Hydraulik-Konzern entwickelte, welcher heute allein in Lohr 5600 Menschen beschäftigt? Den Ingenieur, der heute der noch einzig lebende der 25 Lohrer Ehrenbürger ist? Den harten Unternehmer, der es andrerseits auf die Titelseite des Spiegel schaffte, die Vorwürfe der Selbstbereicherung zwar als "absolut grotesk" zurückwies, die er schließlich 1996 mit der Zahlung von einer Million Mark aus der Welt schaffte?
Versuch einer Annäherung. In der Wohnung in Sackenbach braucht man es erst gar nicht versuchen. Also vorsichtig anklopfen bei Sohn Alexander, Geschäftführer der Industriegruppe Hydak im saarländischen Sulzbach. Die hatten die Familien Dieter und Rexroth 1963 gegründet als leistungsstarke Zuliefergruppe des Mannesmann-Konzerns. Werner Dieter ist bis heute Vorsitzender des Beirats.
Mit 90 immer noch im Betrieb des Sohnes aktiv
Fünf Tage vor seinem 90., nach einigen Telefonaten und Mails hin und her, klappt es endlich. Fast. Werner Dieter will persönlich antworten. 12.41 Uhr, das Sekretariat: "Er ist noch mit Kunden zu Tisch." Am Nachmittag dann eine halbe Stunde Einblick sein Leben, vor allem das mittlere Drittel. Dieter war grade eine Woche in den USA. Nach Lohr, nach Sackenbach, kommt er vor seinem "Runden" nicht mehr.

Die Lohrer Zeitrechnung beginnt 1959. Zwei Jahre vorher referierte Dieter, damals noch bei Bosch in Stuttgart tätig, in Leipzig über den Einsatz von Hydraulikspeichern. Der "Osten" war damals noch mit dabei im VDI, dem Verein deutscher Ingenieure – und einige Rexröther hörten zu. Georg Ludwig Rexroth persönlich holte ihn aus Stuttgart, weil er sich selbst etwas zurückziehen wollte, erzählt Dieter mit ruhigen, überlegten Worten.

Rexroth wollte ins Maschinenbaugeschäft einsteigen. Dieter sagte zu, "weil mich die Aufgabe gereizt hat", sagt er. Die Gießerei zählte damals zwischen 500 und 600 Beschäftigte (aktuell 520), der Maschinenbau 180. Dieters erstes Ziel als Rexröther: "Eine Million Umsatz pro Monat schaffen." Im Rückblick spürt man die Kraft, die ihn antrieb. "Wir haben alles angestellt, was möglich war, um konkurrenzfähig zu werden" – erst in Deutschland, dann weltweit. "Die Amerikaner hatten damals alles besetzt, was mit Hydraulik zu tun hatte", erzählt Dieter. Setzte das Unternehmen 1963 gerade 30 Millionen Mark um, wie das Munzinger-Archiv verrät, entwickelte es "sich dann aber in den folgenden Jahren zum Weltmarktführer in der Hydrauliksparte."
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Was nach und nach dazukam

Rexroth wuchs, kaufte erst die Wäscherei mitten in Werk 1 für Indramat, dann das Kloster für die Verwaltung, schließlich die "Huste-Burg" über Sackenbach. "Hinter jeder Halle, die wir gebaut haben, stand ein Großauftrag", sagt Dieter.
Aber: Nicht die Maschinen, nicht die Bauten hätten den Erfolg gebracht. "Es waren die Menschen", blickt er zurück und nennt Namen wie Hans Frodl, einen seiner Nachfolger, Indramat-Chef Hans-Dieter Diehl und dessen technischen Geschäftsführer Holger Krohn. "Es war der Teamgeist. Wir waren ein Familienteam." Weil fast alle ständig unterwegs waren, "hatten wir manche Konferenz am Sonntag beim Waldspaziergang."
Anfangs noch mit Holzmodellen in Hannover
Und immer wieder die Gießerei: "Unsere Entwicklung, in der Form und so flexibel wie wir sein mussten, wäre ohne die Gießerei nicht möglich gewesen", betont Dieter. Bei den ersten beiden Messen in Hannover "sind wir noch mit Holzmodellen aufgetreten", erinnert er sich. "Die Gießerei hat uns geholfen, schneller und besser zu sein. Wir mussten ja im Wettbewerb erst aufholen. Es war eine verrückte Zeit."

Mehrfach betont er auch die "sehr gute Beziehung" zu Mannesmann und zur Stadt Lohr. Und obwohl er "nie viel Zeit hatte und selten in der Stadt unterwegs war", verspürt er bis heute ein "Zusammengehörigkeitsgefühl mit der Stadt", deren Entwicklung in den letzten Jahrzehnten eng mit der von Rexroth verbunden ist. Weshalb er es auch zu schätzen weiß, dass die Stadt sein Engagement mit der Ehrenbürgerschaft gewürdigt hat, wie er sagt. So hat er auch eingewilligt, dass ihm die Stadt einige Tage nach seinem Geburtstag die Aufwartung macht und die Stadtkapelle ein Ständchen spielt.

Wann folgt die Weisheit dem Alter?
Einen Wunsch zum 90. hat Dieter nicht mehr. "Nee, nee", winkt er ab. "Man wird bescheidener." Er merke das Alter, sagt er. "Es wird anders, weniger schnell." Aber im Geschäft tätig zu bleiben, helfe, im Kopf beweglich zu bleiben. Das Alter haben ihn inzwischen eingeholt, räumt er unumwunden ein, um mit einem gewissen Understatement nachzulegen: "Ich warte noch immer darauf, dass mich auch die Weisheit einholt."
Geburtstage feiere er für gewöhnlich nicht, sagt er. Aber beim "Runden" jetzt komme er nicht umhin. Viele seiner alten Weggefährten, Freunde, leben nicht mehr. Zur "großen Runde" in Saarbrücken sind rund 70 Menschen eingeladen, zur Feier in Lohr nur ein "kleiner Kreis".
