
"Mit dem modernisierten Café möchten wir Inklusion umkehren!", erklärt Einrichtungsleiter der Hohenrother SOS-Dorfgemeinschaft Mario Kölbl selbstbewusst. Was er damit meint: Häufig bedeutet Inklusion, dass Menschen mit Behinderungen an die Orte kommen, an denen sich Menschen ohne Behinderung aufhalten. Das Café will dagegen Nicht-Behinderte in das Dorf für Menschen mit kognitiven Einschränkungen einladen. Das erneuerte Café mit Hofladen soll hierbei als Aushängeschild wirken, insbesondere jüngere Menschen möchte der Leiter mit neuem Design und Sortiment ansprechen.
Die wiederkehrende Kombination aus schwarzen Oberflächen und Holz gibt dem neuen Innenraum einen ruhigen und hochwertigen Charakter, ein starker Kontrast zur vorher bunten Einrichtung. Vergangenen Donnerstag fand die offizielle Wiedereröffnung statt, circa 40 Gäste waren geladen.
Paradebeispiel beruflicher Integration
"Am Gemüseregal ist grad nichts los, da kann ich kurz mit Ihnen reden", erklärt Christiane. Seit 17 Jahren ist sie als Verkäuferin im Café tätig, mit einer unfreiwilligen viermonatigen Pause: Zwischen August und Dezember 2023 wurde das Café grundlegend modernisiert und neu gestaltet. In Hohenroth leben und arbeiten aktuell 163 Menschen mit kognitiven Einschränkungen, neben Christiane sind noch sieben weitere davon regelmäßig im Café tätig. "Besonders gerne bediene ich und verkaufe unser Gemüse", erzählt Christiane. Die Begeisterung über die Wiedereröffnung ist ihr deutlich anzumerken, beim Erzählen leuchten ihre Augen. Sie erinnere sich noch immer sehr bildlich an den Tag Ende Juli, an dem das gesamte Inventar des alten Cafés herausgerissen wurde: "Da war der Verkaufsraum plötzlich so gespenstisch und kahl".

Um das Leben so schnell wie möglich wieder zurückzuholen, packten die SOS-Dorfbewohner beim Umbau selber mit an. In Kooperation mit einem Schreiner wurden beispielsweise die 14 neuen Tische eigenständig gefertigt. "Ein bisschen neidisch" ist Rienecks Bürgermeister Sven Nickel auf den Dorfzusammenhalt in Hohenroth. Dieser sei nicht selbstverständlich und müsse vielerorts erst mühsam wieder aufgebaut werden. Anlässlich der offiziellen Wiedereröffnungsfeier unterstrich er die guten Beziehungen zum Nachbarort: "Wir sind gegenseitige Stadtteile der Herzen".
Gemündens Bürgermeister Jürgen Lippert betont die bereichernde Verbindung der Hohenrother zu weiteren Gemeindeteilen Gemündens. Seit der Umwandlung des Ortes in ein öffentliches Café 1988 sind viele der Bewohner unter anderem in Sport-, Musik- und Faschingsvereinen der umliegenden Ortschaften aktiv. Landrätin Sabine Sitter lobt das Café als "Paradebeispiel beruflicher Integration" und möchte in Zukunft gerne öfter vorbeischauen.
Experimentierfreudigkeit der Hohenrother Bäcker
Ein Weizenvollkornbrot mit Cashewnüssen und Pistazien ist die neuste Kreation des Hohenrother Bäckerteams. Pünktlich zur Eröffnung konnte dieses erstmals probiert und gekauft werden. Der Stolz auf das zwölfte Brot im Sortiment war den Bäckern und Konditoren anzumerken. Nach dem Prinzip "Von der Dorfgemeinschaft, für die Dorfgemeinschaft" werden alle Backwaren hergestellt: Bis zu 75 Prozent des Getreides stammen aus eigenem Anbau, auch sonstige Zutaten stammen möglichst von den eigenen Feldern und Tieren und werden sofort verarbeitetet.
Zu Ende der offiziellen Eröffnungsveranstaltung fand die Segnung des Cafés durch den katholischen Pfarrer Norbert Thoma und die evangelische Pfarrerin Sabine Schlagmüller statt. Den Hohenrother Kuchen als "ein Stück vom Himmel" lobte Schlagmüller in ihrem Gebet, Thoma übernahm anschließend das Segnen von Ort und Menschen mit Weihwasser.

"Besonders gern erinnere ich mich an einen älteren Mann aus Rieneck, der bis zu seinem Tod jeden Tag für Butterhörnchen, Kaffee und Main-Post hoch ins Café gekommen ist", erzählt Verkäuferin Christiane. Viele der Stammkunden kommen aus Rieneck und dem näheren Umfeld, das soll sich jetzt ändern: "Wir wünschen uns noch mehr Strahlkraft für das Café von außerhalb!", meint die Koordinatorin der Öffentlichkeitsarbeit, Franziska Schön.