
Die Kraft des Wassers bewegte in früherer Zeit vieles. Natürlich kommen dabei zunächst die zahlreichen Getreidemühlen, die einst auch unsere Region prägten, in den Sinn. Aber Wasserräder trieben über Transmissionen ebenso die frühe Industrialisierung im 19. Jahrhundert voran, bevor Turbinen und Generatoren die Energie des Wassers in elektrischen Strom verwandelten. So wurden Schmiedehämmer wie im nahen Hasloch von Mühlrädern angetrieben, aber auch Öl- und Gipsmühen oder Sägewerke. Ein bedeutsames Technikdenkmal, das die frühere Nutzung der Wasserkraft eindrucksvoll demonstriert, steht mit der Papiermühle in Homburg am Main. Dabei lag ihr Ursprung vor dem Jahr 1807 eigentlich an ganz anderer Stelle.
Papier ein wertvolles Produkt
Papier ist seit jeher ein sehr gefragtes und wertvolles Produkt gewesen. Um 1390 soll in Nürnberg die erste deutsche Papiermühle ihren Betrieb aufgenommen haben. Der Buchdruck brachte ab dem 15. Jahrhundert einen großen Aufschwung für die Papierfertigung mit sich. Als Fasergrundstoff für damals noch handgeschöpfte Büttenpapiere wurden bis ins 19. Jahrhunderts Lumpen oder Hadern verwendet. Dem dazu notwendigen Verarbeitungsprozess dienten mit Wasserkraft angetriebene Stampf- und Mahlwerke, die als "Papierholländer" bezeichnet wurden.
1682 wandelte ein Papiermacher eine bestehende Getreidemühle in Windheim an der Hafenlohr mit behördlicher Genehmigung in eine Papiermühle um. Johann Conrad Waßmann, später auch Ratsherr in Rothenfels, stammte aus Lohr, wo man die älteste Papiermühle schon auf das Jahr 1512 datieren kann. Die Windheimer Anlage blieb über ein Jahrhundert lang im Familienbesitz und wurde um 1729/30 umfassend ausgebaut, was anhand der Datierungen von Eckbalken des Mühlgebäudes nachweisbar ist. 1791 starb der letzte Nachfahre Johann Paul Waßmann.
Deshalb konnte in diesem Jahr, der 1763 geborene Papiermacher Leonhard Leinzinger aus Dettingen bei Aschaffenburg die Mühle mit "neun Stampfloch und einem Holländer" übernehmen. Schon bald sorgten die territorialen Neugliederungen nach 1802/03 in der Region für Probleme auf den Absatzmärkten. Hinzu kam, dass die Hafenlohr immer wieder zum Flößen von Holz aufgestaut wurde, was am Windheimer Mühlbach sicher zu Wassermangel und Stillstand der Anlagen geführt haben dürfte.
Umzug nach Homburg
So suchte Leinzinger im Jahr 1806 um eine Genehmigung nach, die Windheimer Papiermühle nach Homburg verlegen zu dürfen. Er stellte die Beschäftigung von immerhin 20 Mitarbeitern in Aussicht. Im Homburg bot der mit dem Bischbach verbundene, teilweise kanalisierte Mühlbach zu dieser Zeit eine Arbeitsgrundlage für bis zu neun Mühlen. Dort waren auch die Bedingungen zum dauerhaften Betrieb des Wasserrads und des notwendigen Prozesswassers zur Papierproduktion vorhanden.
Leinzinger ließ bis 1807 die Holzkonstruktion des zweigeschossigen Fachwerkgebäudes in Windheim mit seinem auffällig hohen, dreistufigen Walmdach und zwei Trockenböden, sorgsam abtragen und nach Homburg bringen. Dort baute er möglicherweise an der Stelle einer früheren Getreidemühle als Sockel ein hohes Kellergeschoss und ließ das Haus darauf wieder neu errichten. Dass stattliche Fachwerkgebäude sorgsam eingelegt und an anderer Stelle wieder aufgebaut wurden, war damals gar nicht so selten, wie man heute meinen möchte. Das Gebälk war ein durchaus wertvoller Baustoff.

Der neue Sockel bot den Platz für einen ergänzenden Winkelbau mit weiteren Wohn- und Produktionsräumen. Mit der Mühle war ein einträglicher landwirtschaftlicher Betrieb samt Nebengebäuden verbunden. Kurz nach der Verlegung zählte Leinzingers Papiermühle zu den größten im Großherzogtum Würzburg. Ein Sohn gründete 1823 eine eigene Vertriebsstelle für Homburger Papiere in Würzburg.
Als Leonhard Leinzinger 1832 starb, wurde der Betrieb von Georg Schön (1788-1858) weitergeführt. Der Sohn eines Marktheidenfelder Lehrers war in der Mühle als Färber beschäftigt gewesen und hatte in die weitere Verwandtschaft eingeheiratet. Wirtschaftlich wurden die Zeiten offenbar schwieriger. Immerhin zählte man im damaligen Kreisgebiet Würzburg nicht weniger als 22 Papiermühlen.

Wohl deshalb erwarb 1836 der jüdische Händler David Isaak Adler, dessen Frau aus Homburg stammte, das Anwesen, während Schön als Papiermacher tätig blieb. Bei einer Schiffsreise auf dem Rhein lernte Adler den 1813 in Rodalben bei Pirmasens geborenen Johann Follmer kennen. Dieser hatte eine Papiermühle im Schwarzwald betrieben und kaufte 1853 die Homburger Papiermühle, wo man zu dieser Zeit Schreib-, Filtrier- und Tabakpapiere herstellte.
Johann Follmer wurde reich
Bis 1870 stieg Johann Follmer zum vermögendsten Bürger Homburgs auf. Er nahm unter anderem Erweiterungen am benachbarten Scheunengebäude aus Bruchstein vor und begann die Papierproduktion auf eine neue, maschinelle Form umzustellen. Diese erlaubte die Verarbeitung von Altpapier, Zellulose und Holzschliff.
Eine zur Fabrikation farbiger Aktendeckel und Umschlagkartons genutzte Rundsiebmaschine der Schweinfurter Maschinenfabrik Joachim und Sohn trägt das Herstellungsjahr 1883. Gerade diese wegen ihrer Robustheit geschätzten Büromaterialien erwiesen sich als ein bis zuletzt begehrter Artikel im In- und Ausland. Auch die Fabrikation von Packpapieren lief bis ins Jahr 1955 fort. Die Maschinen wurden, wie heute noch erlebbar, zunächst über das große Mühlrad neben dem Keller angetrieben. Später nahm man auch Diesel- und Elektromotoren zur Hilfe.
Wohnen und Arbeit bildeten früher oft eine Einheit. Die Papiermüller der Familie Follmer lebten im Gebäude. Wohn- und Schlafräume aus den 1920er und 1960er Jahren zeigen diese enge Verknüpfung, da Arbeitsprozesse und die Lüftungsklappen auf den Trockenböden praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit kontrolliert werden mussten.
Das heutige Museum dokumentiert in erster Linie die beginnende industrielle Papierfertigung ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es zeigt aber neben der Vergangenheit des Gebäudes museumspädagogisch anschaulich aufbereitetet zugleich die historische Entwicklung des Papiers, seiner Fertigung und der notwendigen Grundstoffe auf.

1888 starb Johann Follmer. Sein Sohn Johann Hermann Follmer (1861-1946) übernahm und führte die begonnene Umstellung fort. Auf ihn folgte Max Follmer (1893-1971) als Besitzer. Nunmehr stand die Produktion von Aktendeckeln fast ausschließlich im Mittelpunkt. 1975 sah sich der 1935 geborene Kurt Follmer gezwungen, die Fertigung von Homburger Papier und Karton einzustellen. Die Marktlage hatte sich komplett hin zu großindustriellen Strukturen verschoben. Erhebliche Investitionen wären erforderlich geworden, zumal erhöhte Umweltstandards viele finanzielle Mittel beansprucht hätten.
Die Papiermühle fiel für zwei Jahrzehnte in einen von Kurt Follmer und seiner Frau Hildegard sorgsam betreuten Dornröschenschlaf. Die unter Denkmalschutz gestellte Anlage blieb an sich völlig unverändert erhalten. Dies erwies sich in den 1990er Jahren als wahrer Glücksfall. Von 1994 bis 1997 konnte die Papiermühle saniert und in ein Museum umgewandelt werden. Die Trägerschaft übernahm der Landkreis Main-Spessart und das Projekt erfuhr die entschlossene Unterstützung des Bezirks Unterfranken wie auch der Gemeinde Triefenstein. 1997 wurde das Museum eröffnet.

Johannes Follmer übernahm die Leitung und entschloss sich als ausgebildeter Papiermacher in fünfter Generation nunmehr handgeschöpfte Büttenpapiere in seiner dem Museum angeschlossen Manufaktur herzustellen. Die Bögen aus seiner individuellen Fertigung werden inzwischen wegen ihrer besonderen Qualität weithin geschätzt. So griff die Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek nach einem verheerenden Brand im Jahr 2004 zur Restaurierung historischer Folianten auf Follmers Büttenpapiere zurück.

Die Papiermühle ist heute ein gut besuchtes, lebendiges Museum und Technikdenkmal. Dazu tragen Museumfeste, Papiermärkte, künstlerische Sommerakademien, Workshops oder Kunstausstellungen bei. Im Nebengebäude lädt die inzwischen zum zeitgemäßen Tagungsgort umgewandelte Papierscheune aus dem 19. Jahrhundert vom fachlich-wissenschaftlichen Austausch über Konzerte bis hin zu Familienfeiern ein. Follmers aus Finnland stammende Frau Maarit kümmert sich mit um diesen Bereich und ist gelegentlich auch in einer dort angegliederten Buchdruck-Werkstatt anzutreffen.

Schlagzeilen machte die Papiermühle Homburg in letzter Zeit dadurch, dass man sich seit 2019 unter Führung der polnischen Papiermühle von Duszniki-Zdrój um die Aufnahme in die Liste des UNESCO-Kulturerbes der unschätzbaren und unersetzlichen Güter der Menschheit bewirbt. Weitere Papier-Produktionsstätten aus Tschechien, Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden sind an diesem gemeinsamen Vorhaben beteiligt.
Derweil treibt der kanalisierte Mühlbach immer noch unermüdlich zu allen Jahreszeiten das große, und immer wieder sanierte, eiserne Mühlrad in Homburg an. Die Kraft des Wassers hat seit einigen Jahren eine weitere höchst zeitgemäße Anwendung gefunden. Mit dem Rad ist heute ein Kleinkraftwerk verbunden, das regenerativ erzeugten Strom für etwa 10 Haushalte dauerhaft ins öffentliche Netz einspeist.
Museum Papiermühle Homburg: Öffnungszeiten: 1. Mai bis 31. Oktober, Dienstag bis Freitag 10 - 12 und 14 - 16 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertage, 10 – 12 und 14 – 17 Uhr, Gruppenführungen nach Vereinbarung (auch in der Winterzeit). Das Museum ist in der Gartenstraße 11, 97 855 Homburg/Main. PKW-Stellplätze sind an der Remlinger Straße. Kontakt unter Telefon: 0 93 95 – 9 92 22 oder E-Mail: kontakt@papiermuehle-homburg.de. Die Homepage: www.papiermuehle-homburg.de
Literatur: Späth Annette, Museum Papiermühle Homburg, (Bayerische Museen Band 26), Weltkunstverlag München 1999; Scherg Leonhard, Die Papiermühlen in Windheim und Homburg, in : Wertheimer Jahrbuch 2018, Herausgeber: Historischer Verein Wertheim, Wertheim 2020, Seite: 51 – 72.
Zum Autor: Martin Harth (63) ist freier Journalist und Stadtrat in Marktheidenfeld. Er befasst sich seit vielen Jahren mit kulturellen und historischen Themen in der Region.
Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart