
Obdachlos. Sofort sind bestimmte Bilder im Kopf, werden Vorurteile bedient. Aber es braucht nicht viel und es kann einen selbst treffen. Krankheit, Scheidung, Arbeitslosigkeit, Sucht – das, auch in Kombination, können Gründe sein. Nicht immer reichen die vier Plätze in der Unterkunft in der Bahnhofstraße in Marktheidenfeld aus. "Manchmal wurde es schon knapp und wir mussten aushilfsweise Pensionen für Obdachlose auf Kosten der Stadt anmieten", schildert Matthias Hanakam, der Geschäftsleitende Beamte im Rathaus. Das ist auch gegenwärtig der Fall, auch wenn gerade erst wieder ein Zimmer frei geworden ist.
Auf Hilfe beim Einkaufen angewiesen
Es ist Kaffeezeit in der Bahnhofsstraße. Statt Kuchen eine Zigarette. Zwischen dem Haus und der Begrenzung zur Trafostation daneben haben es sich zwei der hier wohnenden unter einem Sonnenschutz gemütlich gemacht. Sogar Besuch ist da. Fast drei Jahre ist Anton S. (Name von der Redaktion geändert) hier schon daheim. Er wird auch noch eine Weile bleiben müssen. Nach fast zwanzig Operationen ist er auf dem Weg der Besserung, braucht aber immer noch Krücken zum Laufen.
Etwas Schlechtes sagen über die Stadt könne er nicht, betont er. "Wenn man anruft, dann wird auch gehandelt." Natürlich wäre hie und da eine kleine Verbesserung möglich, aber die Hauptsorgen haben mit der Unterkunft nichts zu tun. Anton S. ist nicht mobil, ist auf Hilfe beim Einkaufen angewiesen und darauf, dass ihn jemand fährt. Immerhin: der Arzt kommt ins Haus.
Die Frau aus der Nachbarwohnung, die dort mit dem Lebensgefährten lebt, hat wenigstens ein Fahrrad. Aber es ist schon ein Stück Weg in die Stadt, besonders wenn etwas zu transportieren ist. Nur einmal am Tag, erzählen beide, fährt der Stadtbus vorbei und holt beziehungsweise bringt Schulkinder.

Corona hat es noch schwieriger gemacht, sagt Anton S. Eigentlich bräuchte er regelmäßig Physiotherapie, aber das sei lange nicht möglich gewesen. Wieder fit werden, das ist sein größter Wunsch. Früher hat der heute 47-Jährige als Fensterbauer, Gabelstaplerfahrer oder Ausfahrer gearbeitet. Wieder arbeiten zu können, das ist seine Hoffnung. "Ich hab wenig, aber auf das Wenige bin ich stolz. Ich will irgendwann hier wieder raus, eine eigene Wohnung haben."
Ohne Bedürftigkeit kein Bleiberecht
Nicht alle sind so gestrickt. Erst in der vergangenen Woche ist ein Pensionär ausgezogen, aber nur weil er musste. Sogar die Redaktion hatte der frühere Beamte um Unterstützung gebeten, damit er in der Obdachlosenunterkunft bleiben kann. Doch seine Pension und Einkünfte waren einfach zu hoch, berichtet Matthias Hanakam auf Anfrage: "Er hat dann doch nach Druck und dem Hinweis auf die Wohnungsangebote und seine nicht mehr vorhandene Bedürftigkeit die Wohnung freiwillig geräumt."
Derzeit bringt die Stadt außerhalb der Unterkunft eine Frau in der Pension Bavaria unter. Aber es wurden auch schon andere Pensionen belegt, sagt Hanakam. Von daher wundert nicht, wenn die Stadt genau hinschaut, wer Anspruch auf eine Unterkunft hat. Schließlich fallen übers Jahr gerechnet Kosten in fünfstelliger Höhe an. "Zuletzt mussten wir in der Einheit mit den zwei Zimmern das Bad sanieren unter Leitung des Bauamtes." Auch die Hausmeister kümmern sich immer wieder mit der Hausverwaltung zusammen um das Gebäude.
Der Bedarf ist da und die Verpflichtung auch
Die Stadt sei stets auf der Suche nach eventuellen neuen Quartieren, schildert der Geschäftsleitende Beamte. Denn der Bedarf sei da und die Verpflichtung auch. Recht neu in der Unterkunft sei beispielsweise ein Mann, welcher aus einer anderen städtischen Wohnung wegen Mietrückständen gekündigt werden musste. Die Stadt sei nun einmal Obdachlosenbehörde und das bedeute: "Wir müssen Obdachlose als letzte Stelle unterbringen, außer sie sind nicht bedürftig, können sich also eine Pension oder Unterkunft leisten beziehungsweise nicht woanders unterkommen." Leider sei die Verweildauer aktuell sehr hoch.
Mit dem Problem der Obdachlosen steht letztlich jede Kommune für sich allein. Vereinbarungen mit Nachbargemeinden oder mit dem Landkreis gibt es hier nicht. Neben dem Ordnungsamt im Rathaus, neben Bauhof und Hausmeistern ist in Marktheidenfeld laut Hanakam auch das Sozialamt eingebunden. Es hilft beispielsweise bei der Antragstellung von Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld. Auf solche Unterstützung ist auch Anton S. angewiesen. Er ist dankbar dafür, aber noch lieber wäre ihm, er bräuchte die Hilfe eines Tages nicht mehr.
https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/unterkunft-in-zellerau-wird-eroeffnet-art-9153666
Seit zwei Jahren gibt es dort -endlich- auch eine Zentralheizung.