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Arnstein
Nie mehr Nichtschwimmer: Ein Besuch im Erwachsenen-Schwimmkurs Arnstein
Immer weniger Menschen in Deutschland können schwimmen. Doch die wenigsten machen im Erwachsenenalter noch einmal einen Schwimmkurs. In Arnstein haben sich sieben bisherige Nichtschwimmer dafür entschieden und erzählen, warum.
Nichtschwimmer: Die aller wenigsten Menschen lernen das Schwimmen im Erwachsenenalter. Dabei ist es in jedem Alter möglich.
Foto: Lucia Lenzen | Nichtschwimmer: Die aller wenigsten Menschen lernen das Schwimmen im Erwachsenenalter. Dabei ist es in jedem Alter möglich.
Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:43 Uhr

Platsch! Ohne Anlauf zu nehmen macht Michaela Krug einen Satz vom Beckenrand und landet spritzend im Wasser. "Will keiner springen?", ruft sie. Ihrer Aufforderung kommt keiner nach. Drei Frauen sind bereits neben ihr im Becken, ein Mann und eine Frau mit Badekappe steigen gerade Stufe für Stufe über die Edelstahl-Treppe ins Wasser des Hallenbads. Es ist Samstag Abend, 19 Uhr: Der Schwimmkurs in Arnstein beginnt.  

Immer weniger Menschen in Deutschland können schwimmen. Daran erinnern und rütteln Wasserwacht und DeutscheLebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) regelmäßig. Die DLRG untermauert das mit repräsentativen Studien; zuletzt im Jahr 2017. Diese besagt, dass rund 52 Prozent der Befragten Nichtschwimmer sind oder schlecht schwimmen können. Die Gründe sind schnell aufgezählt: Bäderschließungen, Corona-Pandemie, aber auch der Zuzug von Menschen aus Ländern, in denen es keine Möglichkeit gibt, schwimmen zu lernen.

Angebote an Erwachsenen-Schwimmkursen sind rar

Die wenigsten Menschen lernen das Schwimmen im Erwachsenenalter. Zu hoch ist die Scham, sich als Nichtschwimmer zu outen. Wer sich doch überwindet, muss eine Weile suchen, um ein Angebot zu finden. Während sich die Kinderkurse nach der Corona-Zwangspause wieder etablieren, ist die Auswahl im Erwachsenen-Anfängerbereich eher spärlich. Obwohl das Interesse da ist. 

Kursleiterin Michaela Krug macht es Spaß, Erwachsenen das Element Wasser schmackhaft zu machen.  
Foto: Lucia Lenzen | Kursleiterin Michaela Krug macht es Spaß, Erwachsenen das Element Wasser schmackhaft zu machen.  

"Die Erwachsenen-Schwimmkurse wurden immer wieder von Badegästen bei uns nachgefragt", erzählt die Schwimmlehrerin kurz vor Kursbeginn. Dieses Jahr ist der Kurs über die Vhs mit Start im Herbst dann wirklich ausgeschrieben worden. Und nimmt damit auch eine Tradition wieder auf. "Früher wurden die Erwachsenen-Kurse hier von Anton Merz angeboten", so Krug. Die gelernte Grundschullehrerin ist schon seit vielen Jahren Rettungsschwimmerin. 2017 hospitierte sie bei Bademeister Siggi Schlereth und machte dann ihren Lehrschein "Schwimmen".

Teilnehmende kommen aus dem weiteren Umkreis

Sieben Teilnehmende haben sich für den Erwachsenkurs angemeldet. Teilweise aus Karlstadt, aus dem Landkreis Würzburg, aber auch aus Arnstein kommend, verbringen sie seit Mitte September ihre Samstagabende im Hallenbad. An diesem Tag trifft sich die Gruppe zum fünften Mal.

"Manche wollen sicherer werden, andere tauchen lernen, andere haben ein Trauma oder einfach Angst."
Michaela Krug, Schwimmlehrerin aus Arnstein

Warum die Erwachsenen kommen hat viele Gründe: "Manche wollen einfach nur sicherer werden, andere tauchen lernen, andere haben ein Trauma oder einfach Angst", erläutert Krug. So wie Doris, die gerade aus der Umkleide kommt. Sie erinnert sich noch genau, wie sie im Schwimmunterricht in der fünften Klasse im Becken aus Versehen die harte Rettungsstange an die Schläfe bekam und ohnmächtig wurde.

Übung zur Armkoordination: Michaela Krug (im Wasser vorne rechts)  bringt im Arnsteiner Hallenbad seit Herbst sieben Erwachsenen das Schwimmen bei. 
Foto: Lucia Lenzen | Übung zur Armkoordination: Michaela Krug (im Wasser vorne rechts)  bringt im Arnsteiner Hallenbad seit Herbst sieben Erwachsenen das Schwimmen bei. 

Seit dem hielt sie sich von Wasser fern. Bis sie auf einer Reha eine 86-Jährige kennenlernte, die wie ein Fisch im Wasser schwamm. "Sie erzählte mir, dass sie erst mit 60 Jahren einen Kurs gemacht habe. Das fand ich toll", erzählt sie. Und machte ihr Mut, es auch noch einmal anzugehen.

Erwachsene sind beim Schwimmenlernen verkopfter als Kinder

Einem Menschen die Angst vor dem Wasser zu nehmen sei schwierig, beschreibt die Schwimmlehrerin. Viel laufe da auch mental. "Ich kann das!", spornt sie ihre Teilnehmer deswegen an, sich möglichst oft zu sagen. Auch seien Erwachsene oft verkopfter, als zum Beispiel Kinder. "Lass deinen Körper machen", rät sie in diesen Fällen oft. Sowohl bei Kinder- als auch Erwachsenenkursen steht am Anfang immer die Wassergewöhnung. So starten die Kursteilnehmer an diesem Abend mit Arm- und Beinarbeit im stehtiefen Wasser. Es spritzt ordentlich. Wasser im Gesicht, in den Augen, an Nase und Mund. Wer schwimmen will, sollte das nicht als unangenehm empfinden..

Gemeinsam, mit der Schwimmnudel als Auftriebshilfe oder mit dem Brett üben die fünf Anwesenden als nächstes erst den korrekten Armzug, dann den Froschbeinschlag. Dann beides zusammen. Doris schafft die halbe Bahn frei zu schwimmen, ist glücklich und bekommt Applaus von den anderen. "Viel läuft hier über die Gruppendynamik", erzählt Krug. Und über Spaß. "Was wollt ihr machen?", fragt sie in die Runde. Immer wieder holt sie die Kursteilnehmer zusammen, lässt sie Arme und Beine lockern, sich entspannen, kurz abschalten – am besten im Takt der Musik, die aus der Musikbox am Beckenrand kommt.

Schwimmen lernen, auch um Kindern hinterherschwimmen zu können 

Bernhard ist der einzige Mann im Kurs. Jetzt, ein Jahr nachdem er in Ruhestand ist, hat er die Chance ergriffen, schwimmen zu lernen. Als Sportler ist er ehrgeizig, hat aber auch Spaß an der Bewegung. Seine Herausforderung: eine ganze Bahn durchschwimmen – und zwar im tiefen Beckenteil.

Das auszuprobieren, trauen sich um 19.45 Uhr die beiden Frauen Sifani und Tsehat. Sie sind ihrer Kinder wegen in den Kurs gekommen. Die sind noch im Kleinkindalter, bald aber soweit, dass sie ihren Müttern im Schwimmbad flügge werden, ohne die Gefahren zu kennen. Den Beckenrand in Griffweite starten sie auf der tiefen Seite. Einen halben Meter vor ihnen läuft Michaela Krug, hält ihnen die Schwimmnudel zur Sicherheit entgegen und spornt sie an. Beide schaffen die Bahn. Erschöpft, aber sichtlich zufrieden genießen sie den Moment.  

Unterwegs zum Ziel: In der fünften Kursstunde trauen sich schon die ersten Teilnehmende frei im Tiefen zu schwimmen.
Foto: Lucia Lenzen | Unterwegs zum Ziel: In der fünften Kursstunde trauen sich schon die ersten Teilnehmende frei im Tiefen zu schwimmen.

Doris bleibt erstmal noch im sicheren Stehbereich. "Ich komme heute nicht richtig vorwärts", beschreibt sie etwas unzufrieden. Obwohl es in der fünften Stunde schon gut klappt, merkt sie auch wie viel Konzentration die Koordination von Armen und Beinen kostet. "Manchmal vergesse ich dabei zu atmen", erzählt sie und lacht.  

"Manchmal vergesse ich zu atmen."
Doris, Teilnehmerin des Erwachsenen-Schwimmkurs

Doch auch für sie und alle anderen geht die "letzte Reise an diesem Abend" noch einmal ins Tiefe –  die Schwimmnudel zwischen die Beine geklemmt, die Hände und Beine frei für die Schwimmbewegungen. 

Danach ist Schluss. Für heute. Die Teilnehmer verlassen das Bad Richtung Dusche. Michaela Krug räumt Nudeln, Bretter und Musikbox auf. Wie realistisch ist es, dass nach den acht Kursstunden jeder schwimmen kann? "Eine halbe Bahn, ohne Angst, dass ist schon gut möglich", schätzt Krug. Aber da ist noch etwas anderes, das sie antreibt. "Wasser ist ein wunderbares Element und vermittelt ein tolles Lebensgefühl." Das den Teilnehmern noch mit auf den Weg zu geben, ist ihr großer Wunsch. 

Wer sich für die Teilnahme an einem Erwachsenen-Schwimmkurs in Arnstein interessiert,  meldet sich per Mail bei anja.morgenstern@arnstein.bayern.de

 
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    Ich finde das richtig gut, mein Papa Jahrgang 1942, konnte nie richtig schwimmen und hat sehr darunter gelitten! Weiter so Micha und Sigi😀😀😀
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  • G. K.
    Schwimmlehrer, die ihre Schüler dazu auffordern, vom Beckenrand zu springen … für deutsche Verhältnisse ist das ja geradezu anarchisch … 😉
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