Im Mai 2017 war in dieser Zeitung ein Artikel über das Schicksal des kleinen Richard Hamburger veröffentlicht, der von den Nationalsozialisten im Alter von neun Jahren getötet wurde, weil er an Epilepsie litt. Der Neffe von Richard Hamburger, er heißt Mark Sichel und lebt in New York, entdeckte diesen Artikel im Internet und nahm Kontakt nach Unterfranken auf. Er mailte jetzt ein Foto des kleinen Richards.
Vermittelt hat dies Birgit Amann aus Lohr, die an den jährlichen Erinnerungsveranstaltungen zur Zwangsschließung des St.-Josefshauses in Gemünden beteiligt ist. Sie war durch ihre Recherchen zum Josefshaus auf Richard Hamburger gestoßen.
Hier noch einmal das Schicksal von Richard Hamburger: Er wurde am 3. Januar 1931 in Würzburg geboren. Mit seinen Eltern Elisabeth und Hugo Hamburger sowie den Geschwistern Hilde, Johanna und Fritz-Walter lebte er in Burgsinn in der Fellener Straße.
Antrag auf Auswanderung
1939 spitzten sich die Anfeindungen der Nazis gegen die jüdische Bevölkerung immens zu – auch in Burgsinn. Besonders schicksalsträchtig erlebte die Familie dort die Ausschreitungen in der Reichspogromnacht: Die jüdische Synagoge wurde vollkommen verwüstet und zerstört, Hab und Gut der Juden rissen sich die Nationalsozialisten unter den Nagel. Hugo Hamburger und sein Bruder Oskar, ein jüdischer Kaufmann, wurden inhaftiert, sie kamen für zwei Tage ins Gefängnis nach Lohr.
Nach der Haftentlassung stellten Richards Eltern einen Auswanderungsantrag für die Vereinigten Staaten, der auch genehmigt wurde. Ausreisen wollten die „Hamburgers“ auf dem Schiffsweg. Zunächst verlief alles planmäßig – bis kurz vor Abfahrt des Dampfers. Die Familie befand sich bereits an Bord, als Richard einen epileptischen Anfall erlitt. Das Schiffspersonal bemerkte den Vorfall und verwies die jüdische Familie sofort von Bord. Im sogenannten Dritten Reich galt die strikte Anweisung: „Kranke und Behinderte dürfen nicht ausreisen.“
1939 Aufnahme im Josefshaus
Die Hamburgers kehrten zurück in die Heimat und planten nochmals, diesmal getrennt voneinander, die erneute Auswanderung. Richard sollte nachgeholt werden. Zunächst jedoch kam der Junge zu einem Verwandten nach Mannheim, dann am 29. November 1939 in das St.-Josefshaus Gemünden.
Von dort aus nahm das Schicksal seinen Lauf: Auf Anweisung des Reichsinnenministeriums wurde er am 4. September 1940 zusammen mit fünf weiteren jüdischen Kindern des Josefshauses in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar (München) verlegt. Von dort aus ging es in den Tod: Am 20. September 1940 wurde der kleine Junge mit einem jüdischen Sammeltransport nach Schloss Hartheim (Linz/Österreich) deportiert und noch am Ankunftstag in der Gaskammer dieser Tötungsanstalt umgebracht. Zum Todeszeitpunkt war Richard neun Jahre alt.
Sein Schicksal hatte im Herbst im Gottesdienst „Gegen das Vergessen“ in der Stadtpfarrkirche Gemünden besonders betroffen gemacht, berichtet Birgit Amann.