Neun Monate muss ein Mann aus dem Raum Gemünden auf seine Fahrerlaubnis verzichten, weil er im Dezember 2021 mit seinem Fahrzeug ein anderes Auto touchiert und die Unfallstelle verlassen hat, ohne sich um eine Schadensregulierung zu kümmern. "Ich habe den Anstoß nicht bemerkt", verteidigte sich der 44-Jährige. Eine Gutachterin und das Gericht sahen das aber anders.
"Es war dunkel und kalt", so schilderte der Angeklagte die äußeren Bedingungen vom Abend des 20. Dezember 2021. Mit seinem VW-Bus wollte er noch schnell etwas einkaufen. In einer engen Straße seines Wohnortes musste er kurz anhalten, als vor ihm ein Passat aus einer Parklücke ausparkte. Als er an dem Auto vorbeifuhr, soll er ein anderes geparktes Auto touchiert und dabei beschädigt haben. Ohne sich um die Regulierung zu kümmern, ist der Mann weitergefahren. Vor einem Drogeriemarkt wurde er von Polizeibeamten empfangen, die bereits sein Auto auf zum Unfall passende Schäden besichtigt hatten.
Gutachterin: Unfall hätte man hören müssen
Der Dieselmotor sowie das eingeschaltete Autoradio sollen so laut gewesen sein, dass er die Berührung nicht gehört haben will. Diese Aussage wurde aber durch einen Augen- und Ohrenzeugen sowie vom Gutachten einer Sachverständigen zum großen Teil widerlegt.
Zu einem differenzierten Ergebnis kam dann noch die eingeschaltete Sachverständige. Da der Anstoß der beiden Fahrzeuge mit der rechten Fahrzeugseite des Transporters erfolgt ist, hielt die Sachverständige eine Bemerkbarkeit "für nicht nachweisbar". Zum gleichen Ergebnis kam sie auch bei der Frage, ob der Fahrer den Anstoß durch eine Bewegung der Karosserie oder Lenkung bemerkt haben muss. Dass die Berührung der beiden Fahrzeuge von ihm nicht akustisch wahrgenommen wurde, nahm sie ihm nicht ab. Entsprechende Berechnungen und Versuche durch Computerprogramme haben bewiesen, dass ein derartiger Anstoß nicht still und leise vonstattengehen kann.
Angeklagte musste sich vom Gericht nach Hause fahren lassen
Allerdings kam die Unfallsachverständige zu dem Ergebnis, dass die Reparaturwerkstatt für die notwendigen Arbeiten eine zu hohe Rechnung gestellt hat. "Über 3000 Euro", so die Schätzung der Schadenssumme. 5030 Euro hat aber die Werkstatt von der 44-jährigen Fahrzeugbesitzerin verlangt. Dies hatte zur Folge, dass auch die gegnerische Versicherung nicht die komplette Rechnungssumme übernommen hat.
Der Verteidiger wertete die Tatsache, dass sein Mandant nach dem Anstoß der Fahrzeuge "einfach weitergefahren" sei als Zeichen dafür, dass dieser den Unfall nicht bemerkt habe. Deshalb plädierte er auf Freispruch vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort.
Doch hier war er weit vom Antrag der Staatsanwältin entfernt. Ihren Ahndungsvorschlag von einer Geldstrafe in Höhe von 2400 Euro (60 Tagessätzen zu 40 Euro) und einem neunmonatigen Fahrverbot schloss sich Strafrichter Volker Büchs an. Da das Fahrverbot mit der Urteilsverkündung wirksam wurde, musste sich der Mann nach dem Verlassen des Gerichtsgebäudes nachhause fahren lassen.