Nicht nur die üblichen Neujahrsgrüße, eine kritische Rede und viele Ehrungen standen beim Neujahrsempfang des Marktes Zellingen auf dem Programm.
Den Querelen im Vorfeld zum Trotz hatten die Sternsinger doch einen Auftritt und sammelten Spenden für arme Kinder in Peru. Bürgermeister Wieland Gsell unterbrach eigens seine Rede, kaum dass der Duft von Weihrauch die besonderen Gäste ankündigte. Um den Sternsingern den Auftritt zu ermöglichen, hatte die offene Ganztagsschule und die Jugendarbeit vorab angeboten, auf ihre Ehrung zu verzichten, sie erhielten sie aber trotzdem.
Bei der Begrüßung der vielen Ehrengäste aus Kirche, Politik und Vereinen ging Gsell auch auf die laufenden Projekte der Gemeinde ein. So wird für die Feuerwehr Retzbach ein Gerätewagen Logistik beschafft und die Bauleitplanung für das neue Feuerwehrhaus angestoßen. Der Neubau des Kindergartens Retzbach wird im Juli in die heiße Phase gehen. Für die Marktsonntage gibt es ein neues Konzept. Den Vereinen versprach er, sie auch im neuen Jahr nach besten Kräften zu unterstützen.
Die Retzbacher Weinprinzessin Johanna Barthelmes wünschte mit dem Gedicht von Wilhelm Busch "Will das Glück nach seinem Sinn" ein gutes und erfolgreiches Jahr.
Um das, was die Menschen 2018 bewegte, drehte sich das Grußwort des Bürgermeisters. Die gern in den Vordergrund gerückte mit immer roheren Ausdrücken versehene Flüchtlingsproblematik sei nur eine von vielen Folgen der gegenwärtigen Lebensweise. Klimawandel, überteuerte Mieten, Ungerechtigkeit in der Arbeitswelt, Angst vor Altersarmut, Proteste gegen Kohlekraftwerke und Tagebau, Schummel-Software der Autoindustrie, Fahrverbote, umweltschädlich und unsozial in Asien produzierte Smartphones und Kleidung, letztlich entsprängen diese Probleme einer dominierenden Lebensweise zu Lasten anderer Menschen und der Umwelt.
Der Ruf nach einem "starken Mann" sei aber keine Lösung, diese könne nur gemeinsam in einer solidarischen Gemeinschaft arbeitet werden. "Wir müssen handeln, miteinander", schloss der Bürgermeister seine Rede und übergab an den Retzbacher Spielmannszug, der für die Musik in der Friedrich-Günther-Halle verantwortlich war.
Etwa die Hälfte des knapp zweistündigen Empfangs nahmen Ehrungen ein, bei denen dem Bürgermeister seine Stellvertreter Werner Küffner und Rudi Röder assistierten. Die Laudatio erfolgte dabei oft aber durch Vertreter der Vereine. Geehrt wurden im sozialen Bereich die Jugendarbeit und die offene Ganztagsschule Zellingen (Jürgen Keller, Christof Reißenweber, Lisa Bergmann), die 2018 vom Landkreis den Alkoholpräventionspreis erhalten hatten. Michael Heßdörfer aus Retzbach führte über Jahre die Kolpingfamilie.
Im Bereich Kultur erzielte Imker Waldemar Matreux Preise bis zum Titel "Bester Honig Bayerns". Wolfgang Piepers engagiert sich vielfältig für den Band Naturschutz. Maria Hagenauer führt das Weinhaus des Winzervereins Retzbach samt der Organisation von über 100 Terminen im Jahr. David Vorraber erhielt als Klaviervirtuose einen Sonderpreis der Jugendkulturstiftung Main-Spessart.
Untrennbar mit dem Obst- und Gartenbauverein Retzbach verbunden und inzwischen Ehrenvorsitzender ist Otto Heßdörfer. Den Retzbacher Kreisel pflegt er mit so viel Hingabe, dass er auch "Otto Kreisel" genannt wird. Bei der Pflege der Zellinger Kreisel wirkt übrigens Friedrich Süß vom Kleingartenverein Zellingen mit. Eine Klasse für sich sind die Turedancer Zellingen, sie gewannen siebenmal die Titel als bestes bayerisches und deutsches Männerballett.
Bei den Ehrungen für sportliche Erfolge stand der TSV Retzbach mit dem Aufstieg der ersten Fußballmannschaft in die Bezirksliga am Anfang. Daneben gab es viele seit Jahren erfolgreiche alte Bekannte wie den Läufer Heinz Sitzmann (dritter bayerischer Seniorenmeister M75 über 800 und 1500 Meter), Wasserksi-Fahrerin Petra Böpple-Filbig (Europameisterin in Trickski, Springen und Kombination) sowie die Ruderer Robin Kosche (Deutscher Meister Juioren-Doppelzweier Leichtgewicht), Luisa Reußner (Deutsche Meisterin Junioren-Doppelvierer), Felicitas Grümpel (fünfte Bayerische Meisterschaft), Trainer Jürgen Fischer, Tobias Fernholz (Bayerischer Meister), Florian Müller (bayerischer Vizemeister Achter).
Für Ehrenämter in gemeindlicher Aufgabe wurden Manfred May als neuer Feldgeschworener aus Zellingen und Klaus Charné aus Duttenbrunn als Ehrenkommandant der Feuerwehr Duttenbrunn gewürdigt. Außerdem stellte der Bürgermeister die neuen Behinderten-Beauftragten Adriana Berdami-Strunz und Renate Müller vor. Ihre erste Sprechstunde wird am Donnerstag, 10. Januar, von 18 bis 19 Uhr im Zellinger Rathaus sein.
Die erwachsenen Geehrten erhielten Weinpräsente, die Jugendlichen bekamen meistens Zehnerkarten für das Zellinger Freibad. Dem Bürgermeister überreichte Stellvertreter Werner Küffner eine "edle Flüssigkeit" im Karton als Würdigung der Arbeit zum Wohle der Gemeinde.
Die ganze Aufregung hätte man sich sparen können, wenn der Herr Bürgermeister so gehandelt hätte, wie es sich für seinen Titel gehört, nämlich als Bürger und Meister. Statt dessen war es ein grünes Eigentor, und was für eines!