Seit mindestens 13 Jahren wird immer wieder über das Zellinger Ankergarten-Gelände diskutiert. Jeder Versuch, dort einen Biergarten zu etablieren, scheiterte bisher. Zuletzt probierten es zwei junge Gastronomen aus Würzburg, doch auch sie verschätzten sich. Nach nur einer Saison war Schluss. Jetzt geht der Ankergarten in die fünfte Runde.
Im November kaufte die Evangelische Jugendhilfe – genauer der Trägerverein "Erleben, Arbeiten und Lernen" (EAL) – das Grundstück. Seitdem laufen die Vorbereitungen für die Wiedereröffnung des Ankergartens. Für den Verein ist es ein Mammutprojekt. "Da steckt wahnsinnig viel Energie drin", sagt Jürgen Keller, Mitglied im EAL-Vorstand.
Eine Chance im Beruf anzukommen
Das Besondere: Hinter dem Projekt steht vor allem ein sozialer Gedanke. Sozial benachteiligte, psychisch kranke und behinderte Jugendliche und junge Erwachsene sollen dort die Chance bekommen, in geschütztem Umfeld zu arbeiten oder eine Ausbildung zu machen. Es gehe vor allem darum, die Jugendlichen aufzufangen und ihnen den Einstieg in den Beruf zu erleichtern, erklärt Jürgen Keller. "Da gibt es nach wie vor große Probleme." Er betont, man werde dafür eng mit der Jugendhilfe, dem Inklusionsamt, aber auch dem Jobcenter und der Arbeitsagentur zusammenarbeiten.
Am Freitag, 24. Mai, soll der Biergarten eröffnet werden. Rund 200 Gäste können gleichzeitig bedient werden. Auf der Speisekarte finden sich klassisch-fränkische Speisen – auch in vegetarischen und veganen Varianten. "Aber es wird hier keinen Schnickschnack geben", verspricht Judith Aßländer, die bei Evangelischen Jugendhilfe für die Berufliche Bildung verantwortlich ist.
Die Leitung des Biergartens übernimmt Susanne Roth. Aktuell ist geplant, jeden Freitag, Samstag und Sonntag zu öffnen. Dabei wollen die Betreiber nachhaltig wirtschaften, weitgehend auf Plastik verzichten und Kaffee aus dem fairen Handel anbieten.
Ungenutztes Potenzial
Das Gelände lässt eigentlich das Herz eines jeden Gastronomen höher schlagen. Die Lage ist ideal, direkt am Main gelegen. Gerade am Wochenende fahren hunderte Radfahrer vorbei. Doch kann das Projekt Erfolg haben?
Bisher ist jeder Betreiber gescheitert. Kein Pächter bewirtschaftete den Biergarten länger als drei Saisons. Über Jahre lag das Gelände brach. Es wurde viel gestritten: über das Speiseangebot, Serviceprobleme und utopische Pachtkosten.
Darüber mache man sich derzeit keine Sorgen, sagt Jürgen Keller. Die Situation sei eine ganz andere. Die Evangelische Jugendhilfe müsse keine Pacht zahlen, sondern habe das Grundstück erworben – zu einem Preis, der dem Objekt entspreche. Das Projekt sei betriebswirtschaftlich machbar, betont Keller.
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Dabei ist der Biergarten nur der erste Schritt: Schon im kommenden Winter könnte das Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite – bekannt als ehemaliges Gasthaus "Zum Anker" – abgerissen werden. Schon 1870 trafen sich dort Arbeiter, Fischer und Flößer auf ein Feierabendbier. Später kamen der Biergarten und eine Kegelbahn dazu.
Doch die Bausubstanz sei in einem so schlechten Zustand, dass ein Erhalt nicht denkbar sei, erklärt Jürgen Keller. Laut dem Landratsamt Main-Spessart stehe das Gebäude weder unter Denkmal- noch Ensembleschutz. In den Planungen stimme man sich trotzdem eng mit dem örtlichen Städtebauarchitekten ab, betont Keller. Die Außenfassade müsse auch beim Neubau erkennbar bleiben und zur Umgebung passen.
Wohngemeinschaften für junge Erwachsene
Geplant ist, dort eine Pension oder ein kleines Hotel zu bauen. Auch die Gastwirtschaft soll wieder öffnen. So sollen zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze im Hotelgewerbe entstehen. Jugendliche und junge Erwachsene, die auf Hilfe angewiesen sind, könnten dort auch in kleinen Wohngemeinschaften leben. Aber: alles Schritt für Schritt.
Die Gemeinde Zellingen unterstützt das Projekt ausdrücklich und verzichtete deshalb auf ihr Vorkaufsrecht. Die Gastronomie sei ein Dauerthema in der Region. "Wir haben leider auch rund um Zellingen nur noch wenige klassische Gasthäuser", sagt Bürgermeister Wieland Gsell gegenüber dieser Redaktion.
Das Dorf muss sich weiter entwickeln
Gleichzeitig seien die Übernachtungszahlen in den letzten Jahren gestiegen. Eine Pension oder ein Hotel könne sich deswegen zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickeln. Über zwei Sanierungsprogramme für den Altort hat die Gemeinde die Möglichkeit, das Projekt zu fördern.
Auch Jürgen Keller, selbst Gemeinderat in Zellingen, geht es darum, das Dorf weiter zu entwickeln. Im Zusammenspiel mit der Mainlände – der Zellinger Uferpromenade – könne hier ein zentraler Treffpunkt entstehen. "Das ist eine Win-win-Situation", betont Keller.