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Main-Spessart
Nach 40 Jahren in der Pflege: "Wir müssen die Wahrnehmung der Pflege deutlich stärken"
Was die scheidende Pflegedirektorin Gabriele Frings des Klinikums Main-Spessart uns an Erkenntnissen hinterlässt, warum der Klinikneubau wichtig ist und was ihr in Erinnerung bleibt.
Voller Einsatz bis zuletzt: Gabriele Frings informiert sich beim Besuch auf der Corona Intensivstation im Klinikum Main-Spessart in Lohr.
Foto: Silvia Gralla | Voller Einsatz bis zuletzt: Gabriele Frings informiert sich beim Besuch auf der Corona Intensivstation im Klinikum Main-Spessart in Lohr.
Carolin Schulte
 und  Joachim Spies
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:27 Uhr

Über 40 Jahre hat Gabriele Frings in verschiedenen verantwortlichen Positionen im Klinikum Main-Spessart gearbeitet, seit Januar 2012 war sie Pflegedirektorin. Sie war damit zuständig für die größte Berufsgruppe des Eigenbetriebs des Landkreises und hat maßgeblich an der Erstellung des Masterplans mitgearbeitet, der das Klinikum für die Zukunft ausrichten soll. Ihren Berufsweg begonnen hatte Frings im Krankenhaus Karlstadt, in den 90er Jahren übernahm sie die Pflegedienstleitung in Marktheidenfeld und Karlstadt, bevor sie 2004 ins Qualitätsmanagement wechselte.

Frage: In 40 Jahren Krankenhaus – gab es da eine Zeit, die ähnlich herausfordernd war wie Corona?

Gabriele Frings: Nein, definitiv nicht. Klar, es gab immer wieder Belastungsspitzen, zum Beispiel als wir viele Patienten mit einer MRSA-Infektion zu pflegen hatten. Auch Grippe- oder Norovirus-Wellen haben uns stark gefordert, aber eine Pandemie oder etwas Vergleichbares gab es in der gesamten Zeit nie.

Heute gibt es nur noch wenig Menschen, die 40 Jahre in ihrem erlernten Beruf bleiben. Wie haben Sie es geschafft, nicht den Spaß an der Arbeit zu verlieren?

Frings: (lacht) Ich kann mich noch gut erinnern wie mich ein ehemaliger Klinikreferent einmal dasselbe gefragt hat: „Wie schaffen Sie das eigentlich, nie die Motivation zu verlieren?“ Ich glaube das macht meine Persönlichkeit aus. Ich war schon immer zielstrebig, hatte einen ganz klaren und durchdachten Karriereplan, den ich eisern verfolgt habe. Für mich sind lebenslanges Lernen und regelmäßige Weiterbildung selbstverständlich, denn Stillstand ist Rückschritt. Ich hatte immer ein tolles pflegerisches Leitungsteam um mich, auch und explizit in den turbulenten vergangenen Jahren, und mit meiner Stellvertreterin Christine Hausotter arbeite ich seit 2012 sehr gut und vor allem vertrauensvoll zusammen.

Pflegedirektorin Gabriele Frings wird verabschiedet.
Foto: Martin Koch | Pflegedirektorin Gabriele Frings wird verabschiedet.
Gab es Momente, in denen Sie ans Aufhören gedacht haben?

Frings: Nein, in einem anderen Bereich als in der Pflege zu arbeiten kam für mich nie in Frage. Ich habe damals noch als Gymnasiastin ein Praktikum beim Roten Kreuz gemacht, danach war für mich trotz der anfänglichen Skepsis in meiner Familie vollkommen klar, dass ich Krankenschwester werden möchte – und ich habe diese Entscheidung auch nie bereut. Die Pflege ist ein total erfüllender Beruf, auch wenn es über die Jahre viele Veränderungen gab und der Anteil fachfremder Aufgaben und die wirtschaftlichen Zwänge immer größer wurden. Natürlich gibt es auch immer mal wieder Situationen, in denen man sich ärgert. Das hielt bei mir aber nie länger als ein bis zwei Tage. Ich bin ein optimistischer Mensch, der sich nie unterkriegen lässt.

Welcher Teil Ihrer Arbeit hat Ihnen am meisten Spaß gemacht und warum?

Frings: Es ist immer ein Erfolg, wenn es uns gelingt über Berufsgruppen hinweg perfekt zusammenzuarbeiten. Ich erinnere mich noch daran, wie wir zum Beispiel in Marktheidenfeld 150 alte Betten gegen neue, höhenverstellbare Betten ausgetauscht haben. Wir haben zunächst die Förderung gesichert, dann haben wir eine Organisation gefunden, die die ausrangierten Betten als Spende nach Russland gebracht hat – und dann begann der eigentliche logistische Aufwand. Die 40-Tonner fuhren vor und wir mussten, ohne den laufenden Betrieb zu gefährden, Patienten umlagern, Betten reinigen und abrüsten, und so weiter. Diese logistische Höchstleistung innerhalb einer Arbeitswoche war nur mit guter Planung und der engagierten Mithilfe aller Berufsgruppen möglich. Dies ist aber nur ein Beispiel, es gibt noch viele andere, die man gar nicht alle aufzählen kann.

Was waren die gravierendsten Veränderungen im Pflegealltag – von der Technik und der Personalstruktur her gesehen?

Frings: Da fallen mir zuallererst die beiden Änderungen der Ausbildungsverordnung ein, die wir in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben, die letzte zum Pflegefachmann/Pflegefachfrau ja erst 2020. Dann hat sich natürlich die Einführung des DRG-Systems ganz erheblich auf die Pflege ausgewirkt. Durch den wirtschaftlichen Druck hat man in den letzten Jahren an Personal, insbesondere an Pflegekräften gespart, und jetzt bekommt man die Quittung. Natürlich gab es auch viele technische Neuerungen, neue Geräte oder Hilfsmittel, ganz generell hat aber einfach die Bedeutung der IT zugenommen. Die Möglichkeit, digital zu dokumentieren hat uns die Arbeit zum Beispiel erleichtert.

Abschied unter freiem Himmel: Viele Beschäftigte verfolgten die kleine Feier von den Türen und Fenstern des Klinikums aus und verabschiedeten Gabriele Frings mit Beifall.
Foto: Silvia Gralla | Abschied unter freiem Himmel: Viele Beschäftigte verfolgten die kleine Feier von den Türen und Fenstern des Klinikums aus und verabschiedeten Gabriele Frings mit Beifall.
Was muss sich jetzt ändern, damit Pflegekräfte nicht die Freude am Beruf verlieren? Und was braucht es, um den nötigen Nachwuchs zu bekommen?

Frings: Viele Themen wie Bezahlung und Arbeitsbedingungen sind ja vollkommen zurecht bereits seit Langem Teil der öffentlichen Diskussion. Für mich ist aber ein anderer Punkt ganz zentral: Wir müssen das Berufsbild und die Wahrnehmung der Pflege deutlich stärken. Das heißt auch, dass Pflegekräften mehr berufliche Eigenständigkeit und Kompetenzen zugestanden werden muss. Mit unserer Ausbildung und Erfahrung sind wir eine eigenständige Profession. Damit wir dafür aber überhaupt die Kapazitäten haben, braucht es in den Häusern unterstützende Berufsgruppen. Wir haben jetzt wieder Stellen für Versorgungsassistenten geschaffen, die unterstützende Dienste übernehmen können. Die Politik muss diese Stellen aber auch losgelöst von unseren Pflegebudgets finanzieren.

Sie waren in den letzten Jahren für die Organisation des Pflegepersonals zuständig – und mussten gleichzeitig wirtschaftliche Ziele erreichen. Wie haben Sie das bewältigt?

Frings: Ich glaube heute sagen zu können, dass ich diesen Spagat gemeistert habe. Es war oft schwer, aber wir haben unter meiner Leitung das Pflegebudget eingehalten. Darauf bin ich schon stolz. Vorausschauend zu planen ist immens wichtig, ich habe zum Beispiel immer genau im Kopf, wie viele Mitarbeiterinnen gerade schwanger sind, wer wann in Rente gehen wird oder wie viele Schüler wir übernehmen werden. Glücklicherweise konnte ich oft auch personelle Entwicklungen vorhersehen, sodass wir Lücken rechtzeitig schließen konnten. Dazu gehört natürlich immer auch ein Quäntchen Glück. In den letzten Jahren war es ehrlicherweise zunehmend schwieriger geworden – und dann kam noch Corona hinzu, womit natürlich überhaupt niemand rechnen konnte.

Welcher Moment aus Ihrem Berufsleben wird Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?

Frings: Das sind in 40 Jahren sehr viele. (lacht) Als junge Krankenschwester bei einem Maximalversorger habe ich damals sehr heftige und auch ganz besondere Fälle gesehen, zum Beispiel eine echte Schlafkrankheit. Das erleben nicht viele. Als junge Schwester auf einer chirurgischen Station in Nürnberg, habe ich eine Mutter zweier Kinder mit Magenkrebs im Endstadium gepflegt. Sie war austherapiert, total abgemagert und es war klar, dass ihr nur noch wenig Zeit blieb. Ich war sieben Tage am Stück im Dienst und habe sehr viel Zeit mit der Pflege dieser jungen Frau verbracht und auch ihre Familie kennengelernt. Ich hatte mir fest in den Kopf gesetzt, dass sie nicht sterben wird, solange ich Dienst habe. Als ich nach drei freien Tagen zurückkam, erzählten mir meine Kollegen dann, dass die Frau nur Minuten nachdem ich zur Tür hinausgegangen war, verstorben ist. Das sind Erlebnisse, die man nie vergisst.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Pflege in Main-Spessart?

Frings: Das Klinikum Main-Spessart steht vor den selben Herausforderungen wie alle Einrichtungen in Deutschland. Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind, in dem wir zum Beispiel als familienfreundlicher Arbeitgeber wirklich alles tun, was wir können, um auf die individuellen Lebenssituationen unserer Mitarbeitenden einzugehen. Zudem bin ich mir sicher, dass der Neubau auch die Pflege verbessern wird. Unser größtes Problem am bisherigen Standort ist der Platzmangel. Es fehlt uns zum Beispiel an Raum, um unsere Geräte direkt auf den einzelnen Stationen zu lagern. Und wir werden mit Blick auf die demografische Entwicklung künftig noch mehr dieser Geräte brauchen, weil wir es vermehrt mit älteren, pflegebedürftigen Patienten zu tun haben werden. Ich wünsche mir, dass wir die Chance nutzen, die uns dieses Projekt bietet. Zum Wohl der Pflege, aber auch für das ganze Klinikum und den kompletten Landkreis.

 
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