
Sommer, Ferien, Fahrrad: Seit den Corona-Lockerungen tummeln sich auch die Radfahr-Touristen wieder zunehmend auf dem Mainradweg. Doch was ist mit der Bevölkerung? Wer fährt in und um Marktheidenfeld Fahrrad und warum? Und was stört ihn unterwegs auf dem Drahtesel durch die Stadt? Um das herauszufinden, hat sich die Redaktion mit drei Viel-Radlern getroffen. Herausgekommen sind zwei Artikel. Zunächst stellen wir die Menschen, ihre Motivation und ihre Erfahrungen rund um das Thema Radfahren vor. In einem weiteren Artikel geht es um Gefahrenstellen für Radfahrer im Stadtgebiet von Marktheidenfeld.
Der Lehrer und Familienvater
War er in Würzburg einer unter vielen, so gibt er in Marktheidenfeld noch ein ungewohntes Bild ab: Thomas Koch und sein Lastenrad. Seit 2017 fährt der Familienvater das dreirädrige E-Bike mit der großen Transportbox vorne dran. Und auch nach dem Umzug der Familie von Würzburg nach Erlenbach nutzt Thomas Koch das Lastenrad für so viele Fahrten wie möglich. Sei es zum Einkaufen – in sein Lastenrad passen vier Kästen Wasser. Sei es, um die Kinder schnell mal wohin zu fahren. Oder sei es, um täglich zur Arbeit zu kommen, in die Realschule nach Marktheidenfeld, wo er als Lehrer unterrichtet. Eine Viertelstunde braucht er dazu, gefahren wird bei jedem Wetter. Das einzige, was er sich dafür besorgt hat, sind ein paar gute Regenklamotten.
Welche Rolle das Thema Radfahren seiner Meinung nach derzeit in Marktheidenfeld spiele? Dazu reicht eigentlich schon ein Blick auf die Radwege zu den Stoßzeiten: Hier begegnen ihm hauptsächlich Schüler und Rentner. Was fehlt ist das Gros der Berufstätigen, die beim Arbeitsweg anscheinend doch hauptsächlich auf das Auto setzen.
Aber auch unter den Schülern habe heutzutage nicht jeder ein eigenes Fahrrad, wie er aus der Organisation von so manchem Fahrradausflug weiß. Und klar ist auch: nur die Marktheidenfelder Schüler kommen täglich mit dem Rad. Aus den umliegenden Ortschaften nutzen die meisten den Bus. Was es braucht, um auch sie mehr zum Radfahren zu animieren? Mehr Konzepte wie das Stadtradeln zum Beispiel, so Koch.

Unterwegs mit dem dreirädrigen Gefährt in der Stadt hat Thomas Koch eigentlich keine Probleme. Hat er Getränkekisten geladen, kann es auf dem Kopfsteinpflaster schon mal ganz schön laut klapppern. Und manchmal muss er ein bisschen länger rangieren, um einen guten Abstellplatz für sein Rad vor den Geschäften zu finden. Generell aber genießt er diese Art der "Open-Air-Fortbewegung". Morgens und mittags beim Arbeitsweg in die Pedale zu treten und dabei ins Grüne zu schauen, sei auch immer ein guter Moment, um den Kopf frei zu kriegen.
Die Vielfahrer und ihr Konzept
Zur gemeinsamen Radtour durch die Stadt kommt der eine mit dem E-Bike, der andere mit dem Stadtrad mit Körbchen: Doch so unterschiedlich sie als Radfahrtypen auch wirken, in der Sache denken Wolfgang Barthel und Rolf Wiesmann gleich: In Marktheidenfeld sollte sich beim Thema Radfahren was tun. Die beiden Marktheidenfelder sind federführend in einem Arbeitskreis zum Thema Radfahren der Grünen. In diesem haben sie in den letzten Monaten ein Radkonzept für die Stadt auf die Beine gestellt. Den Anstoß gaben unter anderem Gespräche mit besorgten Eltern, denen der Schulweg mit dem Rad für ihre Kinder zu gefährlich erscheint.

Ein Grund dafür liegt laut Wolfgang Barthel auf der Hand: "Die Priorität des Autoverkehrs in Marktheidenfeld ist eklatant. Autofahrer fühlen sich stets im Recht", sagt er. Radfahrer somit unterlegen. Wie sich das anfühlt, weiß er aus eigener Erfahrung. Nachdem er als Berufstätiger rund 60 000 Kilometer pro Jahr mit dem Auto unterwegs war, versucht er nun als Rentner so viel wie möglich mit dem Rad zu erledigen. Sein E-Bike macht es ihm das leichter.
Doch auch der E-Bike Boom bringt anscheinend nicht mehr Menschen dazu, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Woran das liegt? "Das ist sicherlich eine Frage der Bequemlichkeit", so Barthel. Gut ausgebaute Straßen, Parkplätze direkt vor dem Betrieb locken eben eher den Autofahrer als den Radler an. Zudem könnten sich die Menschen heutzutage eher ein Auto leisten, als noch vor zirka 30/40 Jahren. Das alles wiederum führt zu mehr Verkehr in der Stadt und somit auch zu mehr Angst bei Eltern, die ihre Kinder mit dem Rad auf die Straße schicken wollen. "Also fahren sie ihre Kinder mit dem Auto in die Schule und beteiligen sich somit an noch mehr Verkehr", beschreibt Rolf Wiesmann. Er ist Lehrer an der Mittelschule Lohr und sieht dort täglich, wie viele Elterntaxis vorfahren. Zudem ist er als Rennrad-Trainer bei der RV Concordia Karbach viel mit dem Rad unterwegs und leitet eine Mountainbike-Gruppe an seiner Schule.
Ihr Radkonzept für Marktheidenfeld haben sie als "lebendes Konzept" entwickelt. "Sprich, es kam immer was dazu", so Barthel. Angefangen haben sie damit zu schauen, wo sind eigentlich die Radwege und wie soll man sich mit dem Rad durch Marktheidenfeld bewegen. Genauer unter die Lupe genommen haben sie Bereiche, die sie als besonders kritisch und gefährlich ansehen. Beleuchtet wird ebenfalls, wie fahrradfreundlich die Ortsteile an die Stadt angebunden sind.
Wie es mit dem Konzept in weitergeht? In einer abgespeckten Version sei es bereits im Stadtentwicklungsbeirat verteilt worden, da sich dieser um das Radfahr-Thema kümmern soll. Über diesen Weg soll es dann irgendwann auch Einzug in den Stadtrat halten, so Wolfgang Barthel.
Die Rentnerin:
Eins ist schon mal klar: Das Wetter ist für die 68-Jährige Marktheidenfelderin kein Grund, nicht zum Fahrrad zu greifen. Seit rund 30 Jahren erledigt die Seniorin, die für den Artikel lieber anonym bleiben möchte, ihre Wege innerhalb der Stadt mit dem Rad. Früher, als sie noch als Lehrerin gearbeitet hat, Richtung Schule. Jetzt im Ruhestand geht es täglich mit dem Rad entweder zum Einkaufen, zu den Kindern oder zu Freunden. „Sollte es regnerisch sein, nehme ich mir einen Schirm mit und halte wenn nötig kurz an“, erklärt sie, wie sie bei Schlechtwetter unterwegs ist.
Was ihr am Fahrradfahren in der Stadt besonders gefällt: „Man lernt die Stadt sozusagen noch einmal neu kennen“, erzählt sie. Zum einen, weil sie ungern immer die gleichen Straßen hin und zurück nimmt. Zum anderen, weil sie für ihren Weg lieber ruhigere Nebenstraßen wählt, als sich auf den vielbefahrenen Hauptstrecken mit allen andern zu tummeln.

Was ihr nicht gefällt: „Wenn ich auf stärker frequentierten Straßen unterwegs bin, würde ich am liebsten auf dem Gehsteig fahren. Weil ich auf der Straße immer das Gefühl habe, ich behindere die Autos“, beschreibt sie. Auch meidet sie am Wochenende bei gutem Wetter den Radweg am Main. Denn dann verwandelt sich der Weg oft zur „Rad-Autobahn“, die zusätzlich noch Fußgänger nutzen.
Ebenfalls wünschen würde sie sich die Freigabe der Montfortstraße für Fahrradverkehr in beide Richtungen. Bisher gilt hier für den Abschnitt zwischen Vorderbergstraße und Baumhofstraße die Einbahnregelung. Wie sehr ist sie Vorbild für Freunde und Bekannte? „Viele gehen in ihrer Freizeit gerne spazieren, aber um einzukaufen, nehmen sie dann das Auto", sagt sie. Das verstehe sie nicht immer.
Wie machen Sie es? Wenn Sie in die Schule fahren, ziehen Sie sich um oder stehen Sie verschwitzt und riechend vor der Klasse?
Wenn Sie dann nach Hause kommen ziehen Sie sich dann um oder haben Sie immer noch die gleichen verschwitzt Klamotten an?
Also wenn ich mit dem Rad ins Büro fahre, würde ich täglich mehrfach die Kleidung wechseln und waschen müssen, ich würde sonst stinken.
Herr Barthel und Herr Wiesbaden.
Bitte beobachten Sie sich beim Radfahren selbst. Wenn Sie frei von Schuld sind, dann deuten Sie bitte auf Autofahrer. Wenn Sie wieder Fußgänger auf den Radweg weg-klingeln, denken Sie an die Schwächeren?
Machen Sie bitte Folgendes: Setzen Sie sich mit dem Mainpost Redakteur an die Kreuzung alte Mainbrücke und beobachten Sie aufmerksam.