
Mehr als 13.000 Kilometer von Thüngen entfernt werden sich Konrad Freiherr von Thüngen und Sophia Natalia Ratcliffe an diesem Samstag, dem 16. November, das Ja-Wort geben. Im Juli feierte das junge Paar bereits eine große standesamtliche Trauung in der unterfränkischen Heimatgemeinde der Familie von Thüngen, nun wollen sie sich im engeren Kreis in Südafrika den kirchlichen Segen geben lassen – den Thüngener Pfarrer nehmen sie dafür kurzerhand mit. Wenige Tage vor der Hochzeit sprach das Paar mit der Redaktion über die Bedeutung des Landes in ihrer Beziehung, Details zur Hochzeit und wie sie Pfarrer Tilman Schneider mit ins Boot holen konnten.
"Ich bin Engländerin, aber ehrlich gesagt ist Kapstadt meine Heimat. Mein Herz ist da", sagt Ratcliffe. Sie hat zehn Jahre dort gelebt und ihre komplette Schulzeit dort verbracht. Es bedeute ihr sehr viel, in Südafrika heiraten zu dürfen. Auch Konrad von Thüngen war während der elften Klasse ein halbes Jahr in dem Land. "Das war unser erstes Gespräch, Südafrika", erinnert sich Ratcliffe an ihr Kennenlernen. Gleichzeitig erfüllen die beiden mit dem Ort der Trauung eine Familientradition: "Man heiratet da, wo die Braut herkommt", sagt Schwiegermutter Susanne von Thüngen.
Ein Gottesdienst auf zwei Sprachen in einer fremden Kirche
Die Hochzeitsfeier findet auf einem Weingut statt, das etwa 45 Minuten entfernt von dem Viertel in Kapstadt liegt, in dem Ratcliffes Eltern wohnen. Dort in der Nähe steht auch die "Dutch Reformed Church", eine niederländisch-reformierte Kirche. Hier darf Pfarrer Tilman Schneider den Trauungsgottesdienst halten; Ratcliffe gehört der anglikanischen Kirche an, die Familie von Thüngen ist evangelisch. Das gehöre alles zu einer christlichen Konfessionsfamilie, erklärt der Pfarrer, sodass einer evangelischen Trauung nichts im Wege steht.
Einfach so das fremde Gotteshaus zu nutzen, ist für Schneider ebenfalls kein Hindernis – und auch nicht das erste Mal. Er habe schon in Kochel am See getraut oder in anderen Orten eine Taufe gehalten. "Man fragt aus Höflichkeit natürlich den Ortspfarrer, dass der Bescheid weiß, und dann ist es eigentlich Ehrensache", sagt Schneider über das "Ausleihen" von Kirchen unter Kolleginnen und Kollegen.

Am Tag vor der Trauung gibt es einen Übungsdurchlauf, damit sich Pfarrer und Paar in der fremden Kirche orientieren können. Den Gottesdienst hält Schneider teils auf Deutsch und teils auf Englisch, sodass beide Familien daran teilhaben können. Die Braut entwarf extra ein Gottesdienstheft, in dem die Passagen in der jeweils anderen Sprache nachzulesen sind. Und die Lieder funktionieren zweisprachig – das bewies das Paar dem Pfarrer per Sprachnachricht: "Die beiden sangen, parallel in Deutsch und Englisch. Da wusste ich, das machen wir."
Deutsch lernte Ratcliffe erst vor wenigen Jahren, als der Umzug des Paars nach Deutschland feststand, und beherrscht die Sprache mittlerweile hervorragend. "Es war hart, am Anfang. Ich konnte auch im Supermarkt nichts verstehen", erzählt die 29-Jährige über die Anfänge in Deutschland. Doch die Entscheidung musste gefällt werden: Von Thüngen und Ratcliffe lernten sich während des Masterstudiums in England kennen. Nach dem Abschluss war klar, dass es für den Thüngener Freiherren auf lange Sicht zurück ins Schlossgut gehen muss, um im Familienbetrieb zu arbeiten.

Und wie kommt der Pfarrer überhaupt dazu, diese Hochzeit zu halten? "Wir hatten Pfarrer Schneider noch nicht gefragt, aber für uns war es von Anfang an klar", sagt die Braut. Auch außerhalb der Gottesdienste verstehe sich das Paar gut mit dem Geistlichen. Erst sei es den beiden unangenehm gewesen, eine solche Reise zu verlangen, aber Schneider habe ohne zu zögern zugesagt.
Eine kirchliche Trauung wünschte sich Ratcliffe schon seit Kindertagen: "Meine Eltern haben auch in einer Kirche geheiratet", sagt sie. "Für mich war es immer klar, dass wir in der Kirche heiraten", sagt von Thüngen. "Dass Pfarrer Schneider jetzt auch den Hochzeitsgottesdienst macht – schöner können wir es uns nicht vorstellen", so der 31-jährige Bräutigam.
Ratcliffe unterstützt den Familienbetrieb der von Thüngens bereits tatkräftig
Am Freitag starten die Feierlichkeiten mit einem klassisch deutschen Polterabend, der als Grillparty im südafrikanischen Stil gestaltet sein soll, am Samstag wird die Trauung und die Hochzeitsfeier stattfinden und am Sonntag gibt es ein Picknick zum Ausklang. Das Brautkleid und der Verlobungsring kommen aus England, so hat alles eine Verbindung zu den unterschiedlichen Stationen auf dem Weg der Brautleute. Das frisch getraute Paar wird noch eine Weile in Südafrika bleiben; das Highlight der Flitterwochen soll eine Safari im Krüger Nationalpark bilden.
Im kommenden Jahr soll der Einzug ins Burgsinner Schloss folgen, das neben der Burgbrauerei und gegenüber der Burganlage liegt, in der die Eltern des Bräutigams wohnen. England, Südafrika und nun das kleine Thüngen: Das klingt wie ein großer Spagat für die 29-jährige Braut. Aber sie sieht das ganz locker: "Ich bin schon sehr international. Es fiel mir nicht schwer, nach Deutschland umzuziehen", sagt sie. Jetzt fühle sie sich sehr wohl und habe hier ein Zuhause gefunden. In ihrer frühen Kindheit habe sie in England ebenfalls sehr ländlich gelebt, der Ort ist sogar kleiner als Thüngen. Am meisten vermisse sie die enge Beziehung zu ihren Eltern: Für ihr Studium waren sie mit ihr zurück nach England gezogen und erst im Anschluss wieder nach Südafrika.
"Es ist auch eine Leidenschaft von mir, den Familienbetrieb weiterzumachen", sagt Ratcliffe über ihre Zukunft in der Marktgemeinde. Beide sind im Familienbetrieb der von Thüngens eingestellt, Ratcliffe arbeitet außerdem beim Brotformenhersteller Herbert Birnbaum. Schwiegervater Hanskarl von Thüngen kann sich nicht mehr vorstellen, den selbstproduzierten Whisky ohne Ratcliffes Hilfe abzufüllen, bei den Tastings unterstütze sie ebenfalls. "So eine tolle Schwiegertochter kriegt man nur im Traum oder im Märchen", sagt er. Und ein bisschen wie aus einem Märchen mutet diese Liebesgeschichte ja auch an.
Das ist ökologisch klasse!