
Finanzielle Sorgen, Zölibat, Sexualmoral, persönliche Erfahrungen: Die Gründe, die Menschen für einen Austritt aus der katholischen Kirche angeben, sind oft sehr persönlich und ganz individuell. Ein Tropfen, der bei vielen das Fass zum Überlaufen bringt und die Ursache für einen drastischen Anstieg der Zahlen in jüngster Vergangenheit ist, dürfte das Münchner Missbrauchsgutachten sein.
Die Nachfrage bei den Standesämtern im Raum Marktheidenfeld zeigt: Im Januar und Februar sind aus der katholischen Kirche 156 Menschen ausgetreten. Das sind mehr als die Hälfte derjenigen, die 2021 der Kirche den Rücken gekehrt haben (292 Kirchenaustritte). In den beiden Jahren davor waren es jeweils nur knapp 200.
Zahlen für Januar und Februar lassen keine Prognose für 2022 zu
Die Austrittszahlen für 2021 erscheinen tendenziell überhöht, da sich etwa wegen eingeschränkter Öffnungszeiten der Standesämter ein Stau gebildet hatte. Jedoch lassen die vorliegenden Zahlen für Januar und Februar keine Prognose bis Jahresende zu.
Ein sprunghafter Anstieg der Austritte um 77 Prozent wurde bereits 2013 registriert. Grund dafür könnte die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und der daraus resultierende Vertrauensverlust in die Kirchenoberhäupter gewesen sein. Seit Mitte der 1970er Jahre führen vor allem gesellschaftliche Ereignisse immer wieder zu Austrittswellen. Nicht selten hat dies steuerliche Ursachen, etwa Änderungen bei der Mehrwert- und der Kapitalertragssteuer oder dem Solidaritätszuschlag.

Pfarrer Hermann Becker über Austrittsgründe
Pfarrer Hermann Becker, Leiter der Pfarreiengemeinschaft St. Laurentius am Spessart, berichtet von Menschen, die aus diesen Gründen ausgetreten seien: eine junge Familie mit kleinen Kindern, die zum Sparen gezwungen sei; oder der Mann, der knapp über 60 sei und eine Abfindung von seinem ehemaligen Arbeitgeber erwarte.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand aus der Kirche austritt, um Steuern zu sparen", so Pfarrer Alexander Eckert (Pfarreiengemeinschaft Hl. Geist im Spessartgrund). Die Steuerersparnis könnte – ebenso wie die aktuellen Missbrauchsvorwürfe – eher der Anlass denn der eigentliche Grund für einen Austritt sein.
Egal was jemand angibt: "Diejenigen, die jetzt sichtbar aus der Kirche austreten, sind längst innerlich ausgetreten", so Eckert. Dieses Verhalten empfinde er zumindest als ehrlich und konsequent.
Pfarrer Matthias Wolpert: Jüngere ohne Bindung zur Kirche treten aus
Vor allem jüngere Menschen, die keine Bindung mehr zur Kirche haben, würden die Kirche verlassen, meint Matthias Wolpert, Pfarrer in der Pfarreiengemeinschaft Erlenbach-Triefenstein. Becker beobachtet, "dass Menschen jeden Alters dabei sind".
Wer nicht mehr der römisch-katholischen Konfession angehören möchte, erklärt dies beim zuständigen Standesamt. Das wiederum meldet den Austritt an die Kirche für den Vermerk in den Matrikelbüchern. Wolpert erklärt, dass alle Ausgetretenen einen anonymen Fragebogen erhalten, mit dem die Gründe für den Austritt abgefragt werden. "Nur etwa zehn Prozent der Fragebögen kommen zurück", so Wolpert, "das persönliche Gesprächsangebot wurde noch nie in Anspruch genommen."
Pfarrer Eckert sucht den persönlichen Kontakt mit Ausgetretenen
Alexander Eckert sucht aktiv den Kontakt, telefoniert manchmal den Ausgetretenen hinterher. Oft höre er, dass jemand keine Beziehung mehr zu Gott habe. "Wenn diese Bindung fehlt, kann ich verstehen, dass jemand der Kirche den Rücken zuwendet", sagt er. Becker kennt andere, die persönlich von der Kirche enttäuscht seien und deshalb gehen. Dass sie sich anderen Glaubensgemeinschaften anschließen, gebe es selten, meint er.
Eckert bittet jedoch darum, den Begriff "Kirche" differenziert wahrzunehmen. Sie ist nicht nur die Institution, die schwerfällig und von menschlichem Handeln geprägt sei: "Dort, wo Menschen aufeinandertreffen, passieren Dinge, die verurteilt werden müssen", erläutert er. Und er macht keinen Hehl daraus, dass er Missbrauch innerhalb der Kirche entschieden verurteilt.
Pfarrer im Raum Marktheidenfeld wollen Beziehung der Menschen zu Gott stärken
Mit dem Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe brach für viele Katholiken die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Werte zusammen. Auch die Menschen, die sich in der Kirche ehrenamtlich engagieren, machen sich Gedanken, ob sie weiterhin zu dieser Kirche stehen können.
Wäre die katholische Kirche nur eine Institution: "Mich würde nichts in der Kirche halten", so Eckert. Doch bedeutender sei der von Gott gegebene Auftrag: "Die Botschaft Jesu von Liebe und Friede weitergeben." Er und seine Kollegen verstehen es als ihren Auftrag, die Beziehung der Menschen zu Gott zu stärken.
Man verteufelt heute jeden Straßennamen und sonstwas, was sich irgendwie mit der Zeit 1933-1945 in Verbindung bringen lässt. Aber solange es Geld bringt wird die Kirche nicht angetastet...
Mein Fazit: Zum Glauben brauche ich keine Kirche!
Viel interessanter wäre es doch zu erfahren , wie sich die Kirche die Zukunft vorstellt , wie weit die Pfarrer diesen Weg mitgehen werden . Wenn man auf Dauer keine sinnvollen
Lösungen anbietet, wird der Abwärtstrend nicht aufzuhalten sein .