Er ist einer der bekannten Köpfe der #OutInChurch-Bewegung. 2022 hat sich Stephan Schwab in der Initiative von queeren Menschen, die beruflich oder ehrenamtlich in der katholischen Kirche in Deutschland tätig sind, als schwul geoutet. Seitdem engagiert sich der gebürtige Marktheidenfelder, der in Oberndorf aufgewachsen ist, für eine diskriminierungs- und angstfreie Kirche. Anfang des Jahres wurde sein beruflicher Wechsel nach Aschaffenburg bekannt. Wie es dazu kam und was #OutInChurch in der Region bewegt hat, erzählt der 51-Jährige im Interview.
Stephan Schwab: Ich habe schon immer gesagt, dass ich nach zirka fünf Jahren etwas anderes machen möchte. Allerdings ging der Wechsel jetzt schneller als gedacht und auch nicht ganz ohne Druck. Eigentlich wollte ich nicht aus Würzburg weg. Andererseits hat das Klinikum Aschaffenburg dringend einen Seelsorger gesucht.
Schwab: Hauptsächlich sind wir für die Patienten da, als Gesprächspartner, manchmal auch als Anwalt. Sprich, ich gehe von Zimmer zu Zimmer und schaue: Wer liegt hier, wen kenne ich noch nicht, wer hat Redebedarf? Wir werden aber auch vom Personal gerufen, wenn Patienten zum Beispiel Angstzustände haben, die Kommunion empfangen wollen oder Angehörige Sterbebegleitung brauchen. Wir sind aber auch Seelsorger für das Personal und machen im Klinikum in Arbeitsgruppen mit, zum Beispiel, wenn es um ethische Fragen geht.
Schwab: Manchmal haben wir einen Vertrauensvorsprung, wenn wir sagen, wir sind von der Seelsorge. Manchmal dauert es länger und die Menschen öffnen sich erst beim zweiten, dritten Gespräch. Man muss auch damit rechnen, mal abgewiesen zu werden, und damit klar kommen.
Schwab: Mir persönlich ist die Trennung von Arbeit und Privatem wichtig. In einer Pfarrei geht das nicht immer. Ich hatte mal eine Pfarrstelle, da lag das Pfarrhaus mitten auf dem Marktplatz und die Leute hatten ein großes Interesse an mir und meinem Leben. Das war sehr befremdlich für mich. Da gibt es manchmal wenig Verständnis, dass man nicht nur Funktion, sondern auch Person ist. Im Krankenhaus ist das aber gut trennbar. Schwieriger an der Stelle ist der Einsatzort: Eigentlich wollte ich in Würzburg bleiben und dort eine Seelsorgestelle übernehmen. Die gewünschte Stelle habe ich jedoch nicht bekommen, dafür die Stelle in Aschaffenburg. Weil ich aber weiterhin in Würzburg wohnen bleiben wollte, pendle ich täglich. Schwierig wird es, wenn ich Rufbereitschaft habe. Deshalb wohne ich in dieser Zeit bei meiner Familie in Marktheidenfeld. Von dort bin ich in rund 25 bis 30 Minuten auf der Arbeit.
Schwab: Es ist nicht jeden Tag Thema, aber ich werde noch gelegentlich angesprochen, wenn ich wohin komme: Ah, das ist doch der von #OutInChurch. Wir treffen uns auch nach wie vor in Videokonferenzen. Die Initiative #OutInChurch haben wir mittlerweile in einen Verein umgewandelt.
Schwab: Das kirchliche Arbeitsrecht hat sich geändert, das ist eine deutliche Verbesserung für die Menschen. Allerdings ist die Kirche nach wie vor noch kein Ort, der angstfrei ist. Denn die kirchliche Lehre, also die Basis von allem, hat sich nicht geändert. Sie ist weiterhin homofeindlich verfasst, denn sie sagt: So zu leben ist Sünde, solche Beziehungen sind ungeordnet. Es sind auch immer noch keine kirchlichen Segnungen von queeren Menschen möglich. 2026 soll es kommen, aber das ist meiner Meinung nach Verzögerungstaktik. Die Kirche bleibt also ein unsicherer Ort für queere Menschen, immer sehr abhängig von der Offenheit des jeweiligen Bischofs oder dem Pfarrer vor Ort. Generell müssen wir für jede Veränderung kämpfen. Es ist nicht so, dass Kirche von sich aus Veränderungen angeht, sondern nur mit öffentlichem Druck.
Schwab: Genau. Dort können sich alle melden, die Diskriminierungserfahrungen mit der Kirche von Würzburg gemacht haben. Damit setzen wir der Organisation Kirche sozusagen eine Laus in den Pelz, damit klarer wird, was läuft schief, und wo sich das System Kirche verbessern muss. Das ist wichtig für so eine schwerfällige Organisation. Wir arbeiten auch an einem Flyer "Queer in der Kirche", um die Gemeinden queer-sensibler zu machen. In der Gruppe deutscher Bistümer reden wir auch über ein Queer-Label, mit dem Gemeinden ausgezeichnet werden können. So etwas kann helfen, die Offenheit von Gemeinden für queere Menschen sichtbarer zu machen.
Manches ist einfacher geworden. Ich brauche mich nicht mehr zu verstecken und habe auch keine Berührungsängste und Sorgen mehr, wenn ich in der queeren Szene unterwegs bin. Andererseits bin ich für die Kirche in Würzburg dadurch anscheinend auch für bestimmte Aufgaben nicht mehr genug geeignet und repräsentationswürdig. Die Stelle in Aschaffenburg, so wirkt es auf mich, scheint da den Verantwortlichen sehr gelegen zu kommen, um nicht mehr so sichtbar zu sein.
Burg-Gespräch mit Stephan Schwab: Über das Thema #OutInChurch wird Pfarrer Stephan Schwab auch beim Burg-Gespräch am 24. Juli auf der Burg Rothenfels reden. Ebenfalls an dem Abend dabei ist die Generaloberin Sr. Dr. Katharina Ganz. Ihr Thema ist das Reformprojekt der Katholischen Kirche in Deutschland, der Synodale Weg.