
Es gibt eine Geschichte, die Andrea Müller-Leßmann gerne erzählt. Gerade sitzt sie noch auf einer Holzbank, hinter ihr die Bude, aus dem sie mit ihrem Mann Rainer, der neben ihr steht, jahrelang Schokofrüchte verkauften. Früher sind sie gemeinsam von Volksfest zu Volksfest zu Christkindlmärkten gefahren. Gunzenhausen, Soest, Nürnberg. Unter der Woche immer in Triefenstein, die Kinder gehen hier in die Schule. Ein Jahr Pandemie später steht der Wagen nun in Marktheidenfeld. Zwar ohne Blick auf Riesenräder, dafür aber auf 52 Tonnen Sand und den Main.
"Vor Jahren einmal kam ein Vater mit seinen Töchtern zu uns an die Bude. Sie waren die ersten Kunden, früh morgens. Ich hab' dann gefragt, ob sie Schokofrüchte wollen. Sie hatten aber noch nicht gefrühstückt. Dann aber, dann hat es ihnen der Vater erlaubt. Ausnahmsweise Schokofrüchte zum Frühstück. Davon erzählen sie mir seitdem jedes Jahr wieder." Müller-Leßmann will damit eines sagen: "Ob jetzt durch den MainStrand oder unsere Buden: Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Menschen dann wiederum schöne Erinnerungen schaffen. "
Stadtstrand oder Schausteller: Kein großer Unterschied
Andrea Müller-Leßmann und Rainer Müller werden Anfang Juli am Main-Ufer unterhalb des Jugendzentrums Marktheidenfelds ersten Stadtstrand eröffnen. Im MainStrand wird es neben mit Schokolade überzogenen Früchten dann Drinks und Snacks wie Flammkuchen geben.
So weit es möglich ist, soll alles von regionalen Erzeugern und Händlern kommen. "Wir achten auf Umweltfreundlichkeit, Plastikvermeidung und Abfallminimierung", haben die beiden in ihr Konzept geschrieben. Das bedeutet Mehrweg- anstatt Einweggeschirr – und wenn Einweggeschirr, dann die ökologische Variante. Von Kühlschrank bis Lichttechnik soll auch die Technik so energieeffizient wie möglich sein.
Mit dem Aufbau sind die beiden eigentlich schon fast fertig. Zäune, Strand, Theken, alles da. Nur die Liegestühle, die Lounges aus Paletten, die Lichter und ein paar andere Kleinigkeiten fehlen noch. Rainer Müller ist da sehr zuversichtlich, dass sie alles rechtzeitig aufgebaut bekommen. "Ich mache das ja eigentlich jede Woche, wenn ich an einen neuen Standort komme. Jetzt ist es halt nur mehr und es bleibt länger stehen", sagt er und lacht.
Müller ist Schausteller in dritter Generation. Die Schaustellerei sei eine Lebenseinstellung, man werde da reingeboren. Oder man verliebt sich rein, wie es bei Müller-Leßmann passiert ist. Erst in Rainer und dann in das Leben. "Wir haben zwei Zuhause. Das eine ist Lengfurt. Das andere sind die anderen Schausteller", sagt Müller-Leßmann. Man sei ja die ganze Zeit gemeinsam auf Reise, von Ort zu Ort, wie ein Dorf auf Rädern.
Vergangenes Jahr kam dieses Dorf auf Rädern dann abrupt zum Stehen. Von 100 auf 0 an die Wand geschmissen, so habe er sich gefühlt, sagt Müller. Wirtschaftlich war das schlimm, aber vor allem das Soziale, das zweite Zuhause fehlte den beiden. "Und den Kindern: Die wachsen ja auf dem größten Spielplatz der Welt auf."
Wie es zum MainStrand kam?
Im vergangenen Herbst erdachte sich Andrea Müller-Leßmann dann das Konzept für den MainStrand. In anderen Städten habe das immer gut funktioniert und sie hätten das meiste dafür eh schon gehabt. Ihre Mitarbeiter, die seit 20 Jahren mit ihnen unterwegs sind, siedeln für die Zeit auch nach Marktheidenfeld über. So einfach kann es manchmal sein.
Was die Besucher dieses Jahr sehen werden, wird eine kleine Version des Konzepts sein. Die große Variante mit mehr Stühlen, mehr Essensauswahl, ließ sich in der Kürze der Zeit nicht umsetzen lassen. Nächstes Jahr dann vielleicht. Aber der Stadtrat hat den Betrieb vorerst nur für diesen Sommer gutgeheißen. Am Ende des Sommers wollen sie Bilanz ziehen, die Müllers und die Stadt. "Wenn es für beide passt, dann würden wir natürlich gerne weiter machen." Ob ihnen das herumreisen dann nicht fehlen wird? Rainer Müller sieht das gelassen: "Von drei Monaten MainStrand arbeiten werden wir nicht leben können. Wir werden also weiter unterwegs sein."