
Ist Tim Jäger jetzt ein Countrysänger? Na, das wäre wohl etwas übertrieben. Aber der beliebte Marktheidenfelder Gitarrist hat sich auf seiner ersten Solo-CD doch vom saftigen, elektrischen Bluesrock seiner Band entfernt und ist ein paar Schritte zur akustischen Gitarre, zu Folkrock und, ja, auch zum Country gegangen. Und diese Entwicklung steht ihm gut. Das an diesem Freitag erscheinende Album "Times Like These" ist absolut gelungen und zeigt den 42-Jährigen von einer neuen Seite.
Dabei waren weder ein Soloalbum noch die musikalische Neu-Orientierung Teil eines ausgeklügelten Plans. Der Titel verrät schon, dass die Aufnahmen in Zeiten wie diesen entstanden sind, in Zeiten der Pandemie, in denen es für Tim Jäger und seine Band kaum Auftritte gibt. "Rock Class" haben seit 2010 drei Alben veröffentlicht und kürzlich ihren Namen zu "Bad Business" geändert. Doch viele Konzerte gab es nicht in den vergangenen zwei Jahren, auch die bisher für 2022 vereinbarten Auftritte wurden allesamt verschoben.
Erste Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Texter
Deshalb hatte Tim Jäger Zeit für anderes. Zum Beispiel dafür, auf eine Idee seines Freundes Mark Merritt einzugehen. Der 59-jährige Amerikaner, der im Hunsrück in Hessen lebt, führt die Plattenfirma Castle Road Records, die die CDs von "Rock Class" vertreibt. "Er fragte mich, ob ich nicht einige seiner Texte vertonen wollte", erzählt Jäger. "Also hab ich das mal ausprobiert."

Es war für den Marktheidenfelder eine neue Herangehensweise. "Normalerweise beginnen meine Songs mit einer musikalischen Idee", sagt er. "Zu fertigen Texten Musik zu schreiben, war schwieriger." Merritts Texte packen genaue Beobachtungen in beiläufige Alltagssprache, so wie das auch großen Songschreibern wie Springsteen, John Mellencamp oder Bob Seger gelingt. Jäger gelang es, die Stücke in ein passendes musikalisches Gewand zu kleiden. "Is This The Way It's Supposed To Be" ist hemdsärmeliger Roots-Rock, "Linda's Diner" ein Late Night Blues und Albumhöhepunkt "Cisco & The Drifter" verbreitet entspanntes Country-Flair. Und wenn Jäger starke Texte und gute Songs dann noch mit seinem vielseitigen, flüssigen, nuancierten Gitarrenspiel veredelt, erreicht er in den besten Momenten tatsächlich eine Klasse, die weit über regionales Niveau hinausreicht.
Auf den Spuren von Johnny Cash
Diesen sieben in Kollaboration entstandenen Kompositionen fügt Jäger noch sechs Coversongs hinzu. "Ich wollte mein neues Aufnahme-Equipment ausprobieren und versuchen, vom Sound her möglichst nah an die American Recordings von Johnny Cash ranzukommen", berichtet er. In den Räumen der von ihm betriebenen Musikwerkstatt Marktheidenfeld knöpfte er sich Stücke vor, die die 2003 verstorbene Country-Ikone auf der genannten Albumreihe aufgenommen hatte.
Mit Unterstützung des Produzenten Rick Rubin adaptierte Cash in seinen letzten Lebensjahren Songs von zeitgenössischen Bands und Künstlern wie Depeche Mode, Soundgarden und Tom Petty – sowohl soundtechnisch als auch von der Umsetzung her ein stilprägender Erfolg. Tim Jäger covert nun Johnny Cashs Version von beispielsweise "Personal Jesus" oder "Rusty Cage" und versucht, sich auch stimmlich an den "Man In Black" anzunähern. Das ist gut gemeint und ordentlich gemacht. Wirklich eigenständig wird's aber eher bei Neil Youngs "Heart Of Gold", das Jäger mit seiner eigenen Stimme singt und mit viel Verve rüberbringt – ein gelungenes Cover.

Stilistisch passen diese akustisch orientierten Stücke jedenfalls zu den mit Merritt geschriebenen Songs, deshalb kamen sie mit aufs Album. So ist "Times Like These" ein Schritt nach vorn für Tim Jäger und Nachweis einer künstlerischen Entwicklung. Aufgenommen hat er das Album mit einigen befreundeten Musikern – beispielsweise dem aus Urspringen stammenden und mittlerweile in ganz Deutschland tourenden Schlagzeuger Uwe Breunig – und finanziert mithilfe eines Gema-Stipendiums.
Abgeschlossen ist Jägers Entwicklung freilich noch nicht. "Als nächstes arbeite ich an deutschsprachigen Stücken", verrät der Marktheidenfelder.
Die CD ist bestellbar über Tim Jägers Webseite www.timjaeger.me oder per Email an tim.jaeger@gmx.de. In einigen Wochen wird auch eine Vinylversion erhältlich sein.