In den 70er-Jahren gab es mal eine Zeit, in der keine Musikschule in Marktheidenfeld war – die Nachfrage danach aber schon. Also schuf die Stadt das Angebot und gründete das Musikinstitut. Heute, 45 Jahre später, besteht es noch immer. Generationen an Schülern haben hier ein Instrument gelernt. Doch das Musikinstitut ist inzwischen nicht mehr die einzige Musikschule der Stadt. Zwei andere, eine kleinere und eine große, bieten ein ähnliches Angebot an Musikinstrumenten an. Beide liegen im Umkreis von etwa 500 Metern zum Institut und alle drei haben einen guten Ruf, weit über Marktheidenfeld hinaus.
Das war der Status Quo für lange Jahre, den die CSU-Stadtratsfraktion vor einigen Wochen mit ihrer Haushaltsrede Frage stellte. Die Stadt solle ihr Engagement Ende des Jahres auslaufen lassen, hieß es. "Da coronabedingt viel Unterricht ausfallen musste, sollte, sobald dieser wieder möglich ist, die Stadt nicht Selbstständigen und Künstlern als Konkurrenz gegenüber stehen", begründete der CSU-Fraktionsvorsitzende Richard Oswald den Vorschlag. Der Protest darauf ließ nicht lange auf sich warten. Schüler begannen, Unterschriften für den Erhalt zu sammeln. Das Thema wurde von den Haushaltsberatungen entkoppelt. Am 11. März wird das Thema auf der Tagesordnung im Stadtrat stehen, wenn auch noch nichts entschieden werden soll.
Hunderte Unterschriften für den Erhalt des Musikinstituts
Dienstagnachmittag, halb drei. Julia Mussauer hat einen Termin mit Bürgermeister Thomas Stamm. Dabei hat sie 684 Unterschriften von Leuten, die das Musikinstitut erhalten wollen. Nicht nur aus Marktheidenfeld, sagt sie, sondern aus der ganzen Umgebung. Das Musikinstitut, obwohl ein Angebot der Stadt, ist nicht nur was für Marktheidenfelder.
Neun Lehrer unterrichten aktuell 120 Schüler. Zudem sind gerade etwa 45 zusätzlich in einem der beiden Akkordeonorchester (das übrigens dieses Jahr 25-jähriges Bestehen feiert). Es gibt auch Überschneidungen. Die Zuschriften an ihn, wie auch die Debatte im Ganzen, das möchte Stamm betont wissen, sei durchweg sachlich und freundlich gewesen. Ohne die Unterschriftensammlung würde der Stadtrat die Situation nicht so grundlegend aufarbeiten. Stamm: "Bürgerbeteiligung hilft immer und regt zum Nachdenken an."
Ergänzung und keine Konkurrenz der Schulen
Eine prominente Verfechterin des Musikinstituts ist Isabel Diehm. Sie leitet die Hafenlohrer Grundschule, hat Musik mit Schwerpunkt auf Geige studiert und fing vor ein paar Jahren am Musikinstitut sogar noch einmal neu mit Euphonium an. Diehm sagt: "Musikunterricht ist wie Sozialarbeit." Gerade im Kindesalter sei es für die persönliche Entwicklung, aber auch für Freundschaften und Freizeitgestaltung wichtig, zu musizieren. Essenziell sei da der Lehrer. "Wenn Schüler und Lehrer nicht auf einer Wellenlänge sind, zum Beispiel beim Musikstil, kann das schnell entmutigen", sagt sie. "Eine Auswahl zu haben, ist wichtig." Deshalb möchte auch sie, dass das Musikinstitut erhalten bleibt. Nicht im Sinne der Konkurrenz, sondern im Sinne der Ergänzung.
In diese selbe Kerbe schlagen Stamm und Mussauer, als sie nach der Übergabe noch etwas plaudern. Letztens habe man, unabhängig von der Diskussion, den zweiten Vorsitzenden des Verbands Bayerischer Sing- und Musikschulen, Michael Dröse, im Rathaus gehabt, erzählt Stamm. Der habe gemeint: Je besser das musikalische Angebot sei, desto besser sei es für eine Stadt.
Vorschläge, wie es weiter gehen kann
Im Raum hängt jedoch immer noch das Defizit des Instituts. Das betrug im Jahr 2019 etwa 70 000 Euro. Möglichkeiten, wie gespart werden könnte, gibt es auf jeden Fall. Da stimmen Bürgermeister und Mussauer überein. Stamm: "Die Raumfrage ist zentral." Die reinen Unterrichtskosten beliefen sich, laut Anfrage bei Kulturamtschefin Inge Albert, auf etwa 80 000 Euro. Zum Vergleich: Im Haushalt 2021 sind über elf Millionen Euro für Personalkosten veranschlagt. Die Unterrichtsbeiträge der Schüler lägen wiederum bei 40 000 Euro. Also entfallen etwas weniger als die Hälfte des Defizits auf Verwaltungs-, Instandhaltungs-, Heizungs- und Energiekosten.
Über einen Kompromissvorschlag denkt Stamm bei der Unterschriftenübergabe gleich selbst laut nach: Könnte man nicht den Unterricht auf ungenutzte Räume der Stadt verteilen, anstatt sie in einem Gebäude zu bündeln. Da hätte man gleich einen großen Teil der Kosten gespart. Er sei jedoch ergebnisoffen, sagt Stamm. Am Ende entscheidet der Stadtrat.
"Wir hatten einfach Angst um unser Orchester", sagt Mussauer über ihre Unterschriftensammlung. Es sei über Jahrzehnte gewachsen, sodass es jetzt auf einem hohen Niveau spiele. Egal, was die Alternativen gewesen wären, wenn das Musikinstitut geschlossen würde, wäre die Gruppe zwangsweise erst einmal auseinander gebrochen. Stamm nickt. "Das war jetzt ein schmerzhafter Prozess für Sie", sagt er.