
Ein Dienstagabend in der Georg-Mayr-Straße. Michael Hilbert tritt in die Garage des Marktheidenfelder Wasserwerks. Ein einziger Garagenstellplatz für vier Autos. Oft auch gar keinen, wenn man Rohre prüfen müsse. Oder sie desinfizieren. So Dinge, die eben Platz brauchen. Und so sind auch jetzt statt eines Autos Tische aufgereiht, Kisten mit Ordnern und Dokumenten darauf und darunter. "Alles sehr eng", sagt er. Das "sehr" wiederholt er drei Mal.
Recht viel mehr Platz gibt's auch im restlichen Teil des Gebäudes nicht. Das eine Büro ist vollgestellt. "Wenn einer am Bürorechner sitzt, komm ich schon nicht zum zweiten rum." Das Putzzeug lagert in der Umkleide. Außer einer handvoll Schalke 04-Magneten an den Stahl-Schränken hängt hier nix. Man habe keine Chance, hier etwas zu trocknen, sagt Hilbert. "Obwohl es eigentlich vorgeschrieben wäre." Es gibt auch nur einen kleinen Duschraum. "Immer mehr Frauen wollen in das Handwerk. Wir könnten keine einstellen. Die Vorgaben wären nicht erfüllt."
Wasser werde das Thema der Zukunft. Das hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder aus der Stadtverwaltung und von den Stadträten geheißen. Das Gebäude des Wasserwerks scheint jedoch noch nicht dort zu sein, in dieser Zukunft. Doch gilt das auch für die gesamte Trinkwasserversorgung Marktheidenfelds?
Wie steht es um die künftige Trinkwasserversorgung?
Zwei Tage später. Stadtratssitzung. "Wir reden schon lange über das Thema Wasser und jetzt freuen wir uns, dass wir es endlich angehen können", sagt Bürgermeister Thomas Stamm. Schon Wochen vorher war eigentlich eine Analyse der Marktheidenfelder Trinkwasserversorgung angekündigt gewesen. Sie fiel jedoch krankheitsbedingt aus. Nun aber ist Jan-Peter Solveen vom Haßfurter Ingenieurbüro Alka da und kann seine Konzept-und Bedarfsplanung zur "Sanierung und Erweiterung der Wasserversorgung" vorstellen.
In den kommenden Jahren wird Marktheidenfeld mehr als genug Wasser haben. Das ist eine der guten Nachrichten. Der Bedarf für das gesamte Jahr 2020 lag bei 630 000 Kubikmetern. Das sogenannte "Dargebot" lag weit darüber, bei 750 000 Kubikmetern pro Jahr. 600 000 Kubikmeter kamen aus den beiden Obereichholzbrunnen, 150 000 Kubikmeter von der Wassergruppe.
Nun wird Marktheidenfeld wahrscheinlich wachsen. Dazu der Klimawandel. Mehr Leute, mehr Trockenheit bedeutet mehr Wasserbedarf. Bis 2060 rechnet Solveen deshalb mit einer Bedarfssteigerung auf 761 000 Kubikmeter pro Jahr. Natürlich ist die Rechnung etwas vage, wer wisse schon, was in 40 Jahren passiere. Deshalb habe er "konservativ geschätzt", betont Solveen. Noch warnender scheint deshalb, was er in fett und rot auf seine Präsentation geschrieben hat:
"Bedarfsdeckung bis 2060 nicht gesichert!"
"Vor allem für Kernstadt nicht ausreichend!"
"Künftig keine Reserven mehr."

Wie steht es um Brunnen und Hochbehälter?
Das mit Abstand meiste Wasser gewinnt die Stadt über das Wasserschutzgebiet im Marktheidenfelder Norden. "Ein Juwel an Gebiet", nennt es Solveen. Zwar gebe es ein Risiko, wenn zum Beispiel ein Unfall auf der Straße passiere, die mitten durch das Gebiet laufe. Das Öl würde einfach versickern. Aber: "Sie haben Glück, dass Sie da so viel Wasser gewinnen können."
Auch die beiden Brunnen im Schutzgebiet, Obereichholz I und II, haben so ihre Macken. Nummer I sei wegen Trübungen im Wasser übers Jahr verteilt einen Monat lang abgeschaltet. Dafür sei der Nitratwert gut: 37 Milligramm je Liter. Nummer II laufe länger, habe nur vereinzelt Trübungen. Dafür bewegt sich der Nitratwert nahe am Grenzwert von 50 Milligramm je Liter. Ein paar Mal hat er ihn sogar kurzfristig schon überschritten. Solveen warnt: Er kenne Gemeinden, da wäre das Gesundheitsamt hergegangen und hätte den Brunnen abstellen lassen, bis das Nitrat wieder unter dem Grenzwert lag.
Zudem: Bei beiden Brunnen herrsche Sanierungsbedarf und beide hätten zudem keine Pumpen, die eine Regelung der Wasserförderung zuließen. Man kann sie nur ein- und wieder ausschalten und weil das Wasser aktuell direkt von den Brunnen und durch das Leitungsnetz in die Hochbehälter laufe, "gibt's da jedes Mal einen ordentlichen Schlag für das Netz." Aber: Die Hochbehälter am Kreuzberg und am Romberg, Baujahr 1950 und Anbaujahr 1997, schauen gut aus. Es gebe zwar anscheinend ein paar Feuchteschäden, keine Luftfilterung und mittelfristigen Sanierungsbedarf. Aber das sei normal bei Bauwerken, dass sie alle 30 Jahre mal auf Vordermann gebracht werden müssten, sagt Solveen.
Was bei der Trinkwasserversorgung getan werden muss
Was muss also getan werden, um die Marktheidenfelder Trinkwasserversorgung zukunftsfähig zu machen? Zunächst: Die Brunnen brauchen eine Ultrafiltrationsanlage, um Trübungen aus dem Wasser zu entfernen. Hinter den Trübungspartikeln könnten sich Viren verstecken, die die UV-Reinigungsanlage dann nicht töten könne.
Aktuell werde der Brunnen in solchen Fällen einfach abgestellt, aber das wird zukünftig schwieriger: wenn zum einen mehr Wasser gefördert werden muss und wenn zum anderen einer der beiden Brunnen saniert werden müsste. Denn eine Sanierung, die schlägt Solveen bei beiden Brunnen vor. Es gebe da nämlich das Risiko eines Einbruchs der Filterverrohrung. "Die Bauzeit wird da nicht unter einem dreiviertel Jahr gelingen. Der Brunnen fällt in dieser Zeit einfach weg."
Apropos Bauen: Weil es gerade keinen Raum für die von Solveen vorgeschlagenen Wasser-Aufbereitungsanlagen und die Technik dazu gibt, schlägt er einen Neubau vor. Ganz nah am Wasserschutzgebiet, damit man nicht Rohre quer durch die Stadt verlegen müsse. Optional könne man diesen dann gleich um Betriebsräume ergänzen. Garagen, Lager, das Wasserwerk der Zukunft quasi. Dann vielleicht auch mit getrennten Duschräumen?
Wie Wasserknappheit vorgebeugt werden soll

Solveen, dessen Name ja schon durch die phonetische Nähe zum englischen Wort "solving" Lösungskompetenz suggeriert, hat auch schon Ideen, wie Marktheidenfeld künftig seinen Wasserbedarf decken könnte. Er schlägt einen Ausbau der Eigenversorgung durch einen dritten Obereichholzbrunnen vor (alle anderen Gebiete, wie der Welzberg, seien unwirtschaftlich). Zudem soll Marktheidenfeld zukünftig mehr Wasser über die Wassergruppe beziehen. Das könne man dann auch mit dem aus den Obereichholzbrunnen mischen.
Nur, es gibt ein Problem: Die Wassergruppe sucht auch gerade Wasser. Aber es ergebe einfach noch weniger Sinn, sich an die Fernwasserversorgung Mittelmain anzuschließen, weil der Bedarf in den kommenden Jahren zu gering sei. Der erste Schritt für Solveen ist deshalb: Probebohrungen im Obereichholzgebiet.
Was ist mit der Nitratbelastung im Wasserschutzgebiet?
Bürgermeister Stamm findet die Vorschläge gut. Solveen Einschätzung hinsichtlich Neubau passten zu den bei der Wasserwerksführung am Dienstag gewonnenen Eindrucken. Laut dem stellvertretenden Bauamtsleiter Andreas Burk wolle man jedoch lieber kein neues Wasserwerk ins Wasserschutzgebiet bauen. Dieser schlägt daher einen Standort am Nordring vor.
Gleich mehrere Fragen, von Joachim und Wolfgang Hörnig (FW bzw. CSU), gab es zur Nitratbelastung im und zur Sicherung des Wasserschutzgebiets. Um die beiden Brunnen wird nämlich Landwirtschaft betrieben. Solveen meint: "Allgemein ist es sinnvoll, im Nahbereich von Brunnen so viele Flächen wie möglich zu besitzen." Bis das Nitrat ins Grundwasser sickere, dauere es zwar Jahre, so Solveen. Aber es lohne sich, schnellstens gegenzusteuern. "Die Nitratentfernung ist aufwändig." Er nahm jedoch die Angst, dass der Nitratwert eines möglichen dritten Brunnens ähnlich nah am Grenzwert liege wie der vom zweiten Brunnen. Er sähe den dritten eher in der Nähe des ersten Brunnens.
Wassersparen wird schwierig
Auch ob man den Wasserbedarf durch Wassersparen drücken könne, wollten mehrere Stadträte wissen. Solveen sieht hier jedoch das Sparpotenzial so gut wie ausgeschöpft. Brauchwasser oder Regenwasser sei zwar gut, aber eine gute Wasserversorgung werde ja gerade gebraucht, wenn es nicht regne. Ludwig Keller (ProMar) sah die Stadt vor einer einer gigantischen Aufgabe. Andere Projekte würden da wohl zurückbleiben müssen, fordert er. Martin Harth (SPD) verwies darauf, das die Wasserpreise nicht steuer- sondern gebührenabhängig seien. "So ehrlich müssen wir sein: Die Zeiten stabiler Wassserpreise werden zu Ende sein."
Über den Wasserpreis zu diskutieren, dazu sei es jetzt noch zu früh, sagt der Bürgermeister in seinem Schlusswort. Aber: "Dass das Ganze sehr viel Geld kosten wird, muss uns allen klar sein. Wir werden das sehr wichtig nehmen."