Hätte ihr im Februar irgendwer erzählt, sie müsse dieses Jahr Kurzarbeit anmelden, "dem hätte ich den Vogel gezeigt", sagt Verena Müller-Drilling. Sie leitet nicht nur den Feinblech- und Edelstahlbauer "Müller Feinbautechnik" in Frammersbach, sondern auch den Gremialausschuss Main-Spessart der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt.
Eigentlich wäre jetzt wieder eine Werksbesichtigung auf dem Plan gestanden. So ist es zwei Mal im Jahr eigentlich Usus. Dominic Waßmann, ihr Stellvertreter im Ausschuss, kann nun jedoch nur über die Internetseite von "Gerätetechnik Lang" führen. Jetzt, wo die zweite Corona-Welle da ist, sind auch Ausschüsse wieder digital. Es sei nicht optimal, heißt es. Trotzdem wird es irgendwie gehen. Das scheint, wie die Geschichten zeigen, die die Mitglieder erzählen, auch für die Main-Spessarter Industrie zu gelten.
Main-Spessart ist der industriestärkste Landkreis in Mainfranken. Bei der Kaufkraft pro Einwohner liegt der Landkreis nur hinter Würzburg. Man habe einen hohen Beschäftigtenanteil in den deutschen Zukunftsfeldern, eine große betriebliche Forschungs- und Entwicklungskompetenz, zahlreiche Global Player, Hidden Champions und ein diversifiziertes Branchenspektrum. Die Basis, die Landrätin Sabine Sitter vorstellen kann, ist und bleibt vielversprechend. Ein Indikator dafür, dass es den Main-Spessarter Unternehmen vergleichsweise gut geht, ist auch, dass sie kaum staatliche Förderungen beantragen. Außer beim Digitalbonus liege der Landkreis im bayernweiten Vergleich auf den hinteren Plätzen, so Oliver Freitag, Bereichsleiter Innovation und Umwelt bei der IHK. "Digitalisierung ist hier nicht nur ein Schlagwort."
Weniger Ausbildungsverträge, höhere Arbeitslosenquote
Er stellte jedoch auch Zahlen vor, die zeigen, dass Corona auch in der Main-Spessarter Wirtschaft seine Spuren hinterlassen hat. Zunächst wäre da die Arbeitslosenquote. Von 1,7 Prozent ist die auf 2,5 Prozent gestiegen. Gleichzeitig fiel die Zahl der Ausbildungsverträge. Mainfrankenweit sind es etwa 500 weniger. Obwohl der Konjunkturindex im September nicht schlecht ausfiel, wird sich die Aussicht durch den zeitlich begrenzten Lockdown wieder getrübt haben. Insgesamt: "Es gibt Erholung, aber das Fundament ist wackelig", so Freitag.
Vom Abstrakten ins Konkrete: Welche Probleme hatten Main-Spessarter Unternehmen Anfang es Jahres? Was haben sie gelernt? Was sind die Probleme während der zweiten Welle?
Müller-Drilling erzählt, dass sie in die Corona-Krise mit vollen Auftragsbüchern gegangen sei. 120 Prozent sei man ausgelastet gewesen. Dementsprechend hoch waren die Überstunden. "Wir mussten monatelang Überstunden abbauen." Erst dann hätten sie in Kurzarbeit gehen können. Jetzt habe sie die Überstunden mehr im Blick. Bis auf ein paar Ausnahmen sollen die Mitarbeiter nicht mehr über einen bestimmten Wert kommen.
Inzwischen sei die Auftragslage okay. Sie sei zuversichtlich. "Uns hat es gar nicht so schlimm getroffen." Das sagt Müller-Drilling, obwohl nach zwei coronapositiven Fällen im März und Oktober viele ihrer Mitarbeiter in Quarantäne mussten. " Da fragst du dich dann schon, wie man die Arbeit schafft."
- Lesen Sie im Anschluss einen ausführlichen Artikel zum Thema: Warum die Aussicht für Main-Spessarts Wirtschaft nicht düster ist?
Josef Deppisch vom Marktheidenfelder Hotel und Restaurant Anker sagt: "Wir haben nicht damit gerechnet, noch einmal zumachen zu müssen." Er kritisiert auch den pauschalen Lockdown: "Als Unternehmer bin ich es gewohnt, Lösungen zu finden. Damit kann ich dann produktiv wirtschaften. Das geht gerade nicht." Müller-Drilling hatte vor ihm bereits die unübersichtlichen Regelungen kritisiert.
Es gibt auch gute Nachrichten – etwa von Warema
Auch Warema habe "eine fette Vollbremsung" im Februar hingelegt, erzählt Stephan Kliegl. Doch fast genauso schnell sei man wieder hochgefahren. Viele hätten in ihr Eigenheim investiert, wodurch Warema "satt über Plan" liege. Das Problem sei jetzt vielmehr, dass die Lieferzeiten so lang seien, dass man die Kunden nicht wie gewohnt zufriedenstellen könne. Kritisch für Warema sieht er hingegen den Trend zum Homeoffice. Es werde weniger in Bürogebäude investiert, hier überlege Warema gerade, wie man sich formiere.
Ähnlich lief es auch bei Dominic Waßmann und "Gerätetechnik Lang" aus Roden-Ansbach. Von heute auf morgen hätten sie eine Nachricht von VW bekommen, dass sie nicht mehr liefern sollten. Drei Monate habe man nicht an VW liefern können. Gott sei Dank sei man breit aufgestellt; eine weitere Lehre, auch für die Zeit nach Corona. "Es sind für uns alle außergewöhnliche Zeiten. Gott sei Dank sitzen wir alle im selben Boot."