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Main-Spessart
Düsteres Szenario für Main-Spessarts Wirtschaft?
Im April sagte eine Beratungsfirma besorgniserregende Folgen von Corona für die regionale Wirtschaft voraus. Das Landratsamt schildert, wie es nun wirklich aussieht.
Nach der Prognose einer Beratungsfirma sollte die Wirtschaft in Main-Spessart besonders unter den Folgen der Corona-Maßnahmen leiden. Das Landratsamt gibt nun vorsichtig Entwarnung.
Foto: Johannes Ungemach | Nach der Prognose einer Beratungsfirma sollte die Wirtschaft in Main-Spessart besonders unter den Folgen der Corona-Maßnahmen leiden. Das Landratsamt gibt nun vorsichtig Entwarnung.
Corbinian Wildmeister
Corbinian Wildmeister
 |  aktualisiert: 09.02.2024 20:27 Uhr

Die Coronakrise bringt die Weltwirtschaft in massive Schwierigkeiten. Doch mit welchen ökonomischen Folgen müssen die Menschen im Landkreis Main-Spessart rechnen? Schon im April lagen dem Landratsamts Informationen vor, die Anlass zur Sorge gaben. Das berichteten Landrätin Sabine Sitter und weitere Vertreter der Behörde nun im Gespräch mit dieser Redaktion. Ein Analysepapier des Beratungsunternehmens Prognos sollte voraussagen, wie stark einzelne Regionen in Deutschland von den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen betroffen sein werden.

Nach diesem Szenario befand sich Main-Spessart in einer "unrühmlichen Position", erklärt Sebastian Kühl, Leiter der Wirtschaftsförderung des Landratsamts. Die Wirtschaftsforscher hätten Main-Spessart ein schlechtes Abschneiden prognostiziert. 

Viel Industrie: Wirtschaft in MSP sollte besonders unter Pandemie leiden

Sebastian Kühl ist seit Mai Leiter der Wirtschaftsförderung des Landratsamtes Main-Spessart.
Foto: Jürgen Kamm | Sebastian Kühl ist seit Mai Leiter der Wirtschaftsförderung des Landratsamtes Main-Spessart.

Prognos hatte sich angesehen, welche Branchen besonders von den Folgen der Corona-Maßnahmen betroffen sein könnten. Dabei spielten Faktoren wie sinkende Umsätze, Werksschließungen oder Kurzarbeit eine Rolle. Das Ergebnis dieser Überlegungen: Besonders übel erwische es Kreative, die Gastronomie, den Tourismus, die Chemiebranche, die Metall- und Elektroindustrie, die Maschinenbauer und die Fahrzeuglieferanten. Während laut Prognos deutschlandweit rund 22 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in "stark betroffenen Branchen" arbeiten, fallen in Main-Spessart mit fast 46 Prozent deutlich mehr in diese bedrohte Kategorie. 

Grundlage für diese Einschätzung sei die Industriestärke des Landkreises, meint Sebastian Kühl, der seit Mai als Leiter der Wirtschaftsförderung tätig ist. Dass die Industrie nach diesem Szenario besonders betroffen sein werde, liege vermutlich daran, dass sie viel exportiert und in globale Lieferketten eingebunden ist, so Kühl. "Das kann einem auf die Füße fallen, wenn die Grenzen geschlossen werden." 

Folgen von Corona: Kurtz Ersa macht 50 Millionen Euro weniger Umsatz

Fragt man bei großen, industriellen Unternehmen in der Region nach, zeigt sich, dass diese tatsächlich unter großem Druck stehen. "Unser Auftragseingang und unser Umsatz sind im ersten Halbjahr stark zurückgegangen", bestätigt ein Sprecher der Bosch Rexroth AG in Lohr, einem der größten Arbeitgeber in Mainfranken. Das Unternehmen habe seine Produktionskapazität und Arbeitszeit an die geringere Auslastung angepasst, zum Beispiel durch Kurzarbeit.

Auch Kurtz Ersa in Kreuzwertheim bereitet die Pandemie enormen Ärger. Ungünstig für das Geschäft des Technologiekonzerns seien unter anderem die Reisebeschränkungen gewesen, sagt Geschäftsführer Rainer Kurtz."Vor allem unsere Vertriebsarbeit und die Inbetriebnahme unserer Maschinen wurden dadurch stark negativ beeinflusst." Für 2020 rechnet Kurtz mit 50 Millionen Euro weniger Umsatz als geplant. 

"Wir sind relativ glimpflich davon gekommen."
Sebastian Kühl, Leiter der Wirtschaftsförderung des Landratsamts Main-Spessart

Nach diesen Schilderungen gibt es aber auch Grund zur Hoffnung: Ganz so schlimm wie Prognos vermutet hatte, kam es für Main-Spessart bisher wohl doch nicht, heißt es von Seiten des Landratsamts. "Aktuelle Zahlen zeigen, dass dieses Szenario nicht so eingetreten ist. Wir sind relativ glimpflich davon gekommen", so Sebastian Kühl. Als Beispiel nennt er das produzierende Gewerbe. Da stehe Main-Spessart im Vergleich zum Freistaat und Unterfranken teilweise sogar besser da. So ist der Umsatz im Mai in Bayern laut dem Landesamt für Statistik um 34,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. In Main-Spessart sollen es hingegen 26,4 Prozent weniger Umsatz gewesen sein. 

Im Bereich des Tourismus sind die Zahlen der Übernachtungen in Main-Spessart zwar drastisch eingebrochen – aber nicht mehr als im Rest des Freistaats und des Regierungsbezirks. Im Mai gab es einen Rückgang um 83 Prozent im Vergleich zu Vorjahresmonat. "Es gibt eindeutige Lichtblicke, was die Buchungszahlen betrifft", sagt Kühl. Ob die Hotellerie ihre Ausfälle damit kompensieren könne, sei jedoch fraglich. Schließlich dürfe sie derzeit nicht ihre vollen Kapazitäten nutzen. 

Warum sich das Schreckensszenario für Wirtschaft in MSP nicht bewahrheitet hat

Die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen im Landkreis wirken auf den ersten Blick dramatisch. Im Juni sind diese prozentual nirgends in Unterfranken so stark gestiegen wie in Main-Spessart. Es waren 71,2 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr. Das erklärt sich Holger Steiger, Sprecher des Landratsamts, damit, dass sich die Arbeitslosenzahlen bisher auf einem sehr niedrigen Niveau befanden. Dadurch sei der prozentuale Anstieg höher. Im Juni gab es in Main-Spessart 2031 Arbeitslose, das sind 845 mehr als im Vorjahr. Schon im Juli ging diese Zahl wieder leicht zurück. Die Arbeitslosenquote liegt nun bei 2,7. Zum Vergleich: In der Stadt Würzburg sind es 4,5 Prozent.

Doch wenn Corona die regionale Wirtschaft gar nicht so viel härter getroffen hat als andere Gegenden: Wie konnte das Schreckensszenario aus dem Hause Prognos abgewendet werden? Kühl vermutet dahinter hauptsächlich strukturelle Gründe, die das Beratungsunternehmen nicht berücksichtigt hat. Die Analyse stütze sich auf Daten, die nicht den Blick ins Detail zulassen. Zum einen sei Prognos nicht auf die Unternehmensgrößen in Branchen eingegangen. "Klar haben wir ein paar Konzerntöchter, die einen großen Teil der Wirtschaftskraft ausmachen." Es gebe im Landkreis aber auch viele familiengeführte mittelständische Unternehmen. Diese können laut Kühl flexibler auf Probleme reagieren als "schwere Tanker". 

Düsteres Szenario für Main-Spessarts Wirtschaft?

Zum anderen sei die Industrie "ein weites Feld", so Kühl. Und in Main-Spessart sei man breit aufgestellt. "Wären wir nur auf die Automobilbranche fokussiert, sähe die Situation jetzt ganz anders aus", bekräftigt Landrätin Sabine Sitter. Sebastian Kühl nennt als Beispiel Ingolstadt. Wenn dort Audi huste, habe die ganze Stadt eine Erkältung. 

Einen weiteren günstigen Faktor sieht Kühl darin, dass manche Unternehmen schon vor der Pandemie einen hohen Auftragsbestand hatten, mit der sie die einbrechende Nachfrage zunächst überbrücken konnten. Andere hätten wiederum schnell gehandelt und staatliche Hilfen in Anspruch genommen, um ihre Liquidität zu sichern, so Kühl. "Die Unternehmen stemmen das gut." Und doch räumt er ein: "Ein zweiter Lockdown wäre sicherlich eine Katastrophe."

Die Wirtschaftsförderung des Landratsamts steht Unternehmen zum Beispiel als Ansprechpartner in Sachen Fördermittelberatung oder zur Kontaktherstellung zu mainfränkischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zur Verfügung. Sie ist telefonisch erreichbar unter 09353 7931754.

 
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