zurück
Aschfeld
Lore Göbel hat sich nach fast 40 Jahren aus der aktiven Arbeit für "ihre" Aschfelder Kirchenburg verabschiedet
Lore Göbel, bekannt als die "Mutter der Kirchenburg", hat in Aschfeld mit Engagement und Herzblut ein kulturelles Erbe bewahrt und mit Leben gefüllt.
Lore Göbel, die 'Mutter der Kirchenburg' in Aschfeld hat fast 40 Jahre für ihr Lebenswerk gearbeitet.
Foto: Peter Pillich (Archivfoto) | Lore Göbel, die "Mutter der Kirchenburg" in Aschfeld hat fast 40 Jahre für ihr Lebenswerk gearbeitet.
Günter Roth
 |  aktualisiert: 23.01.2025 02:39 Uhr

"Wer jemals das Vergnügen hatte, sich einer Kirchenburgführung mit Lore Göbel anzuschließen, wird ihre Freundlichkeit und ihren Charme schwerlich jemals vergessen." Diese Würdigung sprach der damalige Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel, als die "Mutter der Kirchenburg" im Jahr 2019 mit dem Kulturehrenbrief des Bezirks ausgezeichnet und später zur Ehrenbürgerin der Gemeinde Eußenheim ernannt wurde. Dotzel lobte hier die persönlich, menschliche Seite der Geehrten, vergaß aber dabei eine mindestens genauso wichtige Eigenschaft von Göbel: Hartnäckigkeit, Ausdauer und die Bereitschaft, anzupacken.

Begonnen hatte alles im Jahr 1981 zur 1200-Jahrfeier des Eußenheimer Ortsteils Aschfeld mit der Idee, in einer der Gaden rund um die St. Bonifatiuskirche eine Heimatstube mit alten Dokumenten, Bildern, sowie Gegenständen aus Haus und Hof, einzurichten. Diese Anregung wurde gerne angenommen und unter der Leitung des Altbürgermeisters Herbert Schneider sowie Lore Göbel ausgeführt. Seit 1992 übernahm die Gemeinde fast alle Gaden und Keller von den Eigentümern und richtete darin im Laufe der Jahre weitere Museumsräume ein.

Aschfelder nutzten die Kirchenburg als Vorratskeller

Die Kirchenburg von Aschfeld.
Foto: Günter Roth | Die Kirchenburg von Aschfeld.

Die Aschfelder Kirchenburg war einst eine Fliehburg auf einem Felsvorsprung über dem Bachgrund und gleichzeitig eine Vorratskammer für die Dorfbewohner. Zudem galt die Kirchenburg mit der Bonifatiuskirche in der Mitte und dem Friedhof als heiliger Bezirk, der durch ungeschriebenes Gesetz besonders geschützt war. Das Besondere dieser Anlage aber sind die Gaden an den Innenmauern. Im Althochdeutschen bedeutet "gadam" oder "gadum" Raum, Gemach, Scheune. Die Wohnanwesen im Tal nahe dem Aschbach hatten wegen des möglichen Hochwassers gewöhnlich keine Keller. Deshalb lagerten die Menschen ihre Vorräte in den Kellern der Kirchenburg oder den an die Mauern angebauten Gaden. Diese gab es in vielen ähnlichen Kirchenburgen – in Resten sind sie auch in Stetten erhalten.

Lore Göbel erkannte dieses einzigartige historische Potenzial. "Die Idee, hier eine Museumsanlage inmitten des intakten Dorfes einzurichten, hatte mich völlig gepackt und mich nicht mehr losgelassen. Ich wollte mehr daraus machen", sagt Göbel heute nach über 40 Jahren, kurz vor ihrem 90. Geburtstag. Nachdem der damalige Bürgermeister das notwendige Vertrauen entgegengebracht hatte, entwickelte sie zunächst das Museumskonzept, jedes Jahr hatte sie eine neue Idee für die Ausstattung weiterer Gaden – mittlerweile sind es zwanzig.

Das frühere dörfliche Leben soll greifbar abgebildet werden

Lore Göbel, die 'Mutter der Kirchenburg' in Aschfeld zeigt Besucherinnen die Einrichtung eines alten Krämerladens.
Foto: Günter Roth (Archivfoto) | Lore Göbel, die "Mutter der Kirchenburg" in Aschfeld zeigt Besucherinnen die Einrichtung eines alten Krämerladens.

Der übergreifende Gedanke ist, in den ebenerdigen und unterirdischen Räumen jeweils einen Teil des dörflichen Lebens der vergangenen Jahrhunderte anschaulich und begreifbar darzustellen. Da gibt es heute einen alten Dorfladen, eine Genossenschaftsbank und eine Dorfschule. Natürlich kommt auch die Landwirtschaft zu ihrem Recht mit Geräten, Grenzsteinen und Flurkarten. In einem Gadenraum sind vorgeschichtliche Funde zu sehen – eingerichtet von einem Fachmann. Sogar eine umfänglich nutzbare Gaststätte ist vorhanden.

Aber Lore Göbel war nicht nur Ideengeberin, sie packte grundsätzlich bei allem voll mit an. Hartnäckig suchte sie in ihrem Heimatdorf und in der Umgebung nach verwertbaren Ausstellungsstücken. Von der Darlehensbank weiß sie eine kuriose Geschichte: "Ich braute dringend noch eine passende Sitzgelegenheit für den Geschäftsraum - ein Kanapee, doch das Angebotene war zu alt oder nicht brauchbar. Aber die Lore war ja nicht nur die Seele der Kirchenburg, sondern bis zu ihrer Rentenzeit auch die der Gemeindeverwaltung als Mitarbeiterin im Vorzimmer des Bürgermeisters. Dort liefen auch im Bachgrund die Kommunikationsfäden zusammen und durch diese fand sie das benötigte Kanapee in einer aufgelassenen Heßlarer Wirtschaft. "Ansonsten hat der Bauhof gebaut und ich habe eingerichtet", so Göbel.

Fürsorge für die Kirchenburg hat Göbel mittlerweile in jüngere Hände abgegeben

Lore Göbel erklärt Schülern, wie der Unterricht früher war.
Foto: Hannah Staus (Archivfoto) | Lore Göbel erklärt Schülern, wie der Unterricht früher war.

Im Lauf der Zeit wurde aber neben dem Ausbau die Vermarktung der Kirchenburg wichtig. Da sind zwar jährlich einmal der Tag des Offenen Denkmals und andere Veranstaltungen, doch für immer mehr Menschen aus der näheren und zunehmend weiteren Umgebung zeigte sich das historische Schmuckstück als echter Besuchermagnet. Pro Jahr kommen bis zu 50 Busse in Aschfeld an und die drei aktiven Kirchenburgführer betreuen 150 Führungen.

Lore Göbel hat sich inzwischen aus der aktiven Phase ihres Wirkens um die Kirchenburg zurückgezogen, schließlich wird sie in diesem April 90 Jahre alt. Sie lebt in der Karlstadter Bodelschwingh-Stiftung im betreuten Wohnen, wo sie sich noch weitgehend selbst versorgt und natürlich regen Kontakt mit ihren zahlreichen Freunden pflegt, die sie anrufen, besuchen oder zur Stippvisite nach Aschfeld abholen. Die Fürsorge für ihre Kirchenburg hat sie in jüngere Hände gelegt. Unter der Federführung von Holger Vetter und der beiden Gästeführerinnen Ute Rüth und Brigitte Obenhin wird dort alles bestens weitergehen, ist sie überzeugt. "Die drei sind genau richtig. Die wissen, was zu tun ist und die haben dasselbe Herzblut wie ich, wenn es um unsere Kirchenburg geht", sagt sie.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Aschfeld
Günter Roth
Aschfeld
Bauhöfe
Denkmäler
Erwin Dotzel
Gaden
Herbert Schneider
Kirchenburgen
Kultur in Unterfranken
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top