
Die Stadt Lohr will allem Anschein nach darauf drängen, dass der Baustopp beim in Regie der Telekom laufenden und seit Wochen in der Kritik stehenden Glasfaserausbau über den September hinaus verlängert wird. Das ließ Bürgermeister Mario Paul in der Sitzung des Stadtrats am Mittwochabend durchblicken. Dahingegen lässt die von der Telekom mit den Arbeiten in Lohr beauftragte Firma Circet verlauten, trotz der massiven Probleme und Nacharbeiten am Zeitplan festhalten zu wollen.
Im April, zu Beginn der Arbeiten, hatte die Telekom angekündigt, dass man bis zum Ende des Jahres bis zu 9000 Haushalte in ganz Lohr mit einem Glasfaseranschluss versorgen will. Seither ist viel geschehen. Massive, von Privatleuten angestoßene Kritik an der Arbeitsqualität hatte letztendlich zum Baustopp geführt. Verkündet hatte ihn die Firma Circet selbst. Zuletzt ließ die Stadt durch umfangreiche Grabungen kontrollieren, ob und wo beim Glasfaserbau technische Standards nicht eingehalten wurden. Dabei tauchten an vielen Stellen Mängel auf, die Nachbesserungen erfordern.
Diese seien noch nicht abgeschlossen, so Paul nun. Deswegen müsse aus Sicht der Stadt der ursprünglich bis Ende September ausgerufene Baustopp "beibehalten werden". Die Stadt habe auch noch keine der Baustellen abgenommen.
Bürgermeister Paul redete sich in Rage
Der Bürgermeister redete sich sodann regelrecht in Rage. Die ganze Wut ließ Paul raus, die sich in den vergangenen Wochen angesichts des Agierens von Telekom und Circet angestaut hatte. Man müsse sich wundern, wie die Firma Circet "meint, hier auftreten zu müssen", schimpfte er über das Gebaren der Baufirma. Diese betone stets ihre Qualitätsstandards, habe in Lohr jedoch "nach Sicherheitsstandards gearbeitet, die sonstwo gelten, aber nicht in Europa".
Ebenso wie Circet warf Paul auch der Telekom vor, nach dem Aufkommen der ersten Hinweise auf massiven Pfusch Versprechungen abgegeben aber nicht gehalten zu haben. "Gott sei Dank" sei der Wombacher Walter Siegler bei seinen Hinweisen auf Mängel so ausdauernd und hartnäckig gewesen, lobte Paul.
Siegler hatte mit einem offenen Brief an die Stadt überhaupt erst auf den Pfusch aufmerksam gemacht. Beispielsweise hatte er geschildert, dass Gräben zum Teil unfachmännisch verfüllt, Abstände zu anderen Kabeln nicht eingehalten und Pflasterflächen dilettantisch verlegt worden seien.
Stadt Lohr von Dimension der Baustelle überrollt
Die Stadt, das ließ Paul nun durchblicken, wurde mit ihrem personell knapp besetzten Bauamt von der Dimension der Baustelle überrollt. Ein solches Ausmaß an gleichzeitigen Arbeiten habe es "in Lohr noch nie gegeben", so Paul. Obwohl es sich nicht um eine Baustelle der Stadt handle, habe das Rathaus die Arbeiten "so gut als möglich überwacht" und so schnell als möglich auf Kritik reagiert.
Allerdings müsse man sich als Kommune auch "darauf verlassen können", dass Firmen wie Telekom und Circet, nach eigenen Angaben mit über 6000 Mitarbeitern "der führende Anbieter für Infrastrukturdienste im Bereich Telekommunikation in Europa", für die Einhaltung geltender Standards sorgten, so Paul weiter. Dass es anders gekommen sei, sei "extrem bedenklich".
Infoveranstaltungen für Bürger?
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Nischalke regte angesichts der schlechten Erfahrungen an, dass es überall dort, wo in den nächsten Monaten die Arbeiten zum Glasfaserausbau weitergehen, im Vorfeld Infoveranstaltungen für die Anwohner gibt. Man müsse der Bevölkerung sagen, "was auf sie zukommt", und Hinweise geben, worauf zu achten ist oder wer die Ansprechpartner für Beschwerden sind, so Nischalke. Derzeit herrsche zu dem Thema eine große Verunsicherung. Paul bezeichnete Nischalkes Vorschlag als "sehr bedenkenswert".
Unterdessen hat sich – wenn auch erst nach mehrmaligem Nachfassen – die Firma Circet gegenüber der Redaktion zu den jüngsten Entwicklungen geäußert, wobei die Ausführungen in Lohr zum Teil als Hohn empfunden werden könnten. Denn in der auf einen längeren Fragenkatalog hin verschickten schriftlichen Stellungnahme betont Circet gleich zu Beginn, dass man "höchste Ansprüche an Qualität und Sicherheit bei der Projektausführung" gewährleiste.
Man habe jedoch erkannt, dass es bei der "Bauausführung der Nachunternehmer in Lohr in einzelnen Teilbereichen zu Mängeln gekommen ist", so die Stellungnahme weiter. Diese bedauere man zutiefst. Zur Behebung der Mängel habe man von Anfang an "offen und transparent kooperiert", so Circet weiter. Nach einer "umfangreichen Analyse" habe man dann den Baustopp verhängt, um alle festgestellten Mängel zu beheben. Außerdem erarbeite man mit der Stadt Maßnahmen zur Qualitätssicherung.
Etliche Fragen unbeantwortet
"Nach aktuellem Stand gehen wir davon aus, den Zeitplan trotz der erforderlichen Mängelbeseitigung einhalten zu können", so der abschließende Satz, der manch einem in Lohr den Angstschweiß auf die Stirn treiben könnte.
Etliche weitere Fragen, beispielsweise dazu, wie es überhaupt zu der Vielzahl an Baumängeln kommen konnte und wie man nun konkret eine ordentliche Arbeitsqualität sicherstellen will, ließ Circet unbeantwortet. Dies begründete das Unternehmen damit, dass die betreffenden Auskünfte vertragliche Absprachen mit dem Auftraggeber beziehungsweis der Stadt betreffen würden.