Unvergessen? Da fällt Hans Müller gleich was ein: Jener Abend vor etlichen Jahren, als am besonders besucherstarken zweiten Samstag der Lohrer Spessartfestwoche ausgerechnet zur Stoßzeit die Bierversorgung in die Knie ging. Ein falscher Anschlussstutzen war schuld daran, dass ein Biertank nicht an die Zapfanlage angekoppelt werden konnte. Die damals im abendlichen Zeltbetrieb und hinter den Kulissen für rund eineinhalb Stunden herrschenden Zustände mit dem Wort "Hektik" zu beschreiben, wäre eine ziemliche Untertreibung. Doch in der Rückschau kann Hans Müller auch darüber lachen.
Der fast 77-Jährige ist seit mittlerweile 35 Jahren im Auftrag der Brauerei dafür zuständig, dass es auf der Lohrer Festwoche vor allem beim Bier läuft. Doch jetzt soll Schluss sein. Jedenfalls hat die Brauerei ihren Festwochenkoordinator vor wenigen Tagen förmlich verabschiedet. Ab nächstes Jahr sollen andere den Job übernehmen. Doch es zeichnet sich ab: So schnell wird Hans Müller die Festwoche nicht loslassen – oder umgekehrt.
Bier-Logistik rund um die Spessartfestwoche in Lohr
Dass der gebürtige Wiesenfelder mal für die Bier-Logistik rund um die Spessartfestwoche, ja überhaupt für Bier zuständig sein würde, war lange nicht abzusehen. Müller ist gelernter Maurer. 25 Jahre arbeitete er in dem Beruf. 1986 musste er sich wegen gesundheitlicher Probleme umorientieren. Er stieß auf ein Zeitungsinserat. In diesem suchte die damals noch eigenständige Lohrer Brauerei einen Außendienstler.
"Da hab ich mich einfach mal vorgestellt", erinnert sich Müller. Er überzeugte die damalige Brauereichefin Petra Stumpf-Mecklinger und absolvierte nach seinem Wechsel berufsbegleitend eine Umschulung. Fortan war er als Außendienstler der Brauerei für die Betreuung von Gastronomie und Handel sowie rund 100 Vereinsfeste zuständig. Man kann wohl sagen, dass Müller für viele im Lohrer Raum das Gesicht der Brauerei war.
Zunächst um alles auf der Festwoche gekümmert, außer das Bier
Nach einigen Jahren, Ende der 1980er, sei innerhalb der Brauerei jemand gesucht worden, der Braumeister Hermann Distler bei der Festwochenbetreuung unterstützt und sich "um alles kümmert, außer ums Bier", erinnert sich Müller. Es war sein Einstieg in die Festwoche. Über die Jahre entwickelte sich Müller zum Mädchen für alles, was mit der Brauereiaktivität auf dem Festplatz zu tun hat.
Wo werden die Kühlwagen und Kühlcontainer hingestellt? Von welchen nichtalkoholischen Getränken werden welche Mengen benötigt? Was wird an Durchlaufkühlern, Schläuchen und sonstiger Technik gebraucht? Wann müssen die 600 Bierzeltgarnituren der Brauerei angeliefert sein? Wie viele Tische sind in der Box der Brauerei für welche Gäste zu reservieren? All das sind Müllers Themen, weswegen Festwirt Franz Widmann das Aufgabenspektrum so zusammenfasst: "Der Hans kümmert sich um jeden Schoaß."
Lohrer Festwoche "geht ja nicht mit dem Bieranstich los"
Das blieb auch so, als Müller 2011 nach 50 Arbeitsjahren in Rente ging. Die Brauerei habe ihn damals gefragt, ob er sich nicht weiter um die Festwoche kümmern könne, erinnert sich Müller. Für ihn war das keine Frage: "Ich bin leidenschaftlich für die Festwoche und setze alles daran, dass sie gelingt", beschreibt die Allzweckwaffe der Brauerei ihre Motivation.
Und so war Müller auch im Rentenalter von der Würzburger Hofbräu alljährlich für drei Monate auf Teilzeitbasis angestellt, um sich um die Abläufe rund um die Festwoche zu kümmern. "Es geht ja nicht mit dem Bieranstich los", beschreibt er den Vorlauf. Alljährlich besuche er Festwirt Widmann etwa beim Landshuter Starkbierfest. Dann wird besprochen, was bei der bevorstehenden Spessartfestwoche bleibt und was geändert werden soll. Während des Festes selber wird Müller, wie er sagt, unterstützt von einer "unverzichtbaren vierköpfigen Truppe", ebenfalls Rentner mit langjähriger Erfahrung in Sachen Festwochenabläufe.
Als das Bier auf der Lohrer Spessartfestwoche nicht lief
Diesbezüglich habe es 2001 einen großen Umbruch gegeben, so Müller. Damals wurde die Lohrer Brauerei an die Würzburger Hofbräu verkauft. Bis dahin sei alles viel einfacher gewesen, nicht zuletzt wegen der kurzen Wege. Seither mache die räumliche Distanz zwischen Lohr und Würzburg die Logistik komplizierter.
Besonders kompliziert wurde es an jenem Samstagabend vor rund 20 Jahren, als bei vollem Festzelt der nächste Biertank angeschlossen werden sollte, der passende Anschlussstutzen jedoch noch in Würzburg lag. Schnell gerieten erst die feiernde Masse und gleich darauf die Festverantwortlichen in Wallung. Ungemütlich bis ausfällig sei es geworden, erinnert sich Müller an die damalige Konversation mit dem Festwirt. Mit diesem komme er eigentlich sehr gut aus, "aber es muss laufen".
Müller selbst machte sich seinerzeit auf den Weg nach Würzburg, um in der Brauerei das dort vergessene Anschlussstück abzuholen und in Windeseile nach Lohr zu schaffen. Dort war die "Durststrecke" eher notdürftig überbrückt worden. Erst als der kühle Gerstensaft schließlich doch wieder mit einer Temperatur von drei bis vier Grad in die Krüge rann, kühlten sich die Gemüter. "Seither sind alle Anschlussstutzen gleich", beschreibt Müller heute lachend die Konsequenz aus der damaligen Panne.
Mehr als eine Maß Bier pro Tag kann sich Hans Müller nicht gönnen
Ungeachtet dieser hat sich zwischen Müller und Festwirt Franz Widmann über die Jahre über das Geschäftliche hinaus eine Freundschaft entwickelt. An jedem Festwochenmorgen trinken die beiden um 9 Uhr im Zelt gemeinsam einen Kaffee und besprechen, was ansteht. Gegen Mittag entschwindet Müller gen Wiesenfeld. Am Nachmittag kehrt er gegen 17 Uhr zurück und bleibt dann meist bis 22 Uhr, um die Abläufe im Blick zu haben – " es sei denn, ich bin gut drauf", sagt Müller. Dann könne es auch mal später werden.
Nur: Bier trinkt Müller auf der Festwoche, von der er noch keine verpasst hat, nicht allzu viel. Vielleicht eine Maß pro Tag. Mehr könne man sich nicht erlauben, wenn man im Fall der Fälle klaren Kopf behalten müsse, sagt der 76-Jährige.
Früher haben die Besucher der Spessartfestwoche mehr Bier getrunken
Früher hätte der einzelne Festbesucher deutlich mehr Bier getrunken, erinnert sich Müller. Doch auch heute noch habe die Lohrer Festwoche für die Brauerei einen enormen Stellenwert. Details zum Bierausschank werden traditionell geheimgehalten. Auch Müller äußert sich dazu nicht.
Wie Müller im kommenden Jahr die Festwoche verbringen wird, ist offen. Vor Ort sein, davon kann man ausgehen, wird er. Es sei nicht seine Art, "einfach Tschüss zu sagen", erklärt Müller. Er spricht von einem Ausschleichen seiner Aktivitäten. Seine Leidenschaft für die Festwoche werde sich "nicht von heute auf morgen legen, dazu steckt das zu tief drin". Seinem Nachfolger werde er jedenfalls bei Bedarf gerne mit Rat zur Seite stehen. Erfahrung sei das A und O, "sonst geht man unter".
Steven Schubert könnte auf Hans Müller folgen
Festwirt Franz Widmann sagt, dass er sich eine Festwoche ohne Hans Müller noch gar nicht vorstellen könne. Und überhaupt: Die Brauerei habe Müller zwar verabschiedet. "Aber von mir hat der noch keine Freigabe erhalten", lacht Widmann.
Unterdessen hat die Brauerei bereits jemanden ausgeguckt, der in Müllers Fußstapfen treten soll: Steven Schubert. Der Teamleiter der Hofbräu für Feste und Veranstaltungen soll sich nach Aussage von Geschäftsführer Michael Haupt, künftig um die Festwoche kümmern. Es sei jedoch "sehr gut", dass man auch weiterhin auf einen Hans Müller im Hintergrund zählen könne.