"Geweiht der Asche der Reichs Freyhochwohlgebohrnen Fräulein Maria Sophia Margaretha Catharina Freyin von Erthal." So steht es auf einem Gedenkstein, der lange verschollen war, wieder aufgetaucht ist und seit vergangenem Jahr im Diözesanmuseum Bamberg ausgestellt ist.
Doch wirft diese Tafel eine für Lohr durchaus relevante Frage auf: Wann wurde sie denn wirklich geboren und wie alt wurde sie tatsächlich, diese Maria Sophie, nach deren fünf Jahre jüngeren Bruder Franz Ludwig von Erthal das Lohrer Gymnasium benannt wurde?
Den bis dahin weitgehend unbekannten Spross aus dem Hause von Erthal hat bekanntlich erst der selbsternannte "Fabulologe" Karlheinz Bartels ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt. 34 Jahre ist es her, dass der Lohrer Apotheker diese historische Person aus Lohr ausfindig gemacht hat als mögliches Vorbild für das märchenhafte Schneewittchen.
Bekanntlich hatten Bartels und seine gewitzten Stammtischbrüder, Schuster Helmuth Walch und Museumsleiter Werner Loibl, nichts anderes getan, als möglichst viele Belege für die Verortung des Märchens in den Spessart zu sammeln.
Bei Maria Sophia passte das persönliche Umfeld: Sie ward geboren in einem Schloss - wie Schneewittchen - sie hatte tatsächlich eine Schwiegermutter - wie Schneewittchen - und ihr Vater war Direktor der Spiegelmanufaktur, die gut und gern einen sprechenden Spiegel hätte herstellen können.
Um die Zuordnung möglichst wasserdicht zu belegen, druckte Barthels in seinem Büchlein "Schneewittchen – zur Fabulologie des Spessarts" sogar einen Auszug aus der Lohrer Pfarrmatrikel ab. Er nennt ihn "Geburtseintrag" und zitiert als Datum "1729, 19. Juny". Allerdings hat der ansonsten gewissenhafte Apotheker eine Kleinigkeit übersehen. Denn der Eintrag auf Latein spricht von "Babtizata est", was übersetzt bedeutet: "Getauft wird ..."
Nun ist es zwar denkbar, dass die kleine Tochter des damaligen kurmainzischen Oberamtmanns in Lohr am Tag ihrer Geburt getauft wurde, wie es Werner Loibl noch 2013 annahm. Doch sehr wahrscheinlich ist dies nicht. In der Regel war die Taufe einige Tage nach der Geburt. Sei's drum. Weitaus relevanter scheint der Widerspruch, der sich aus der Bamberger Gedenktafel ergibt. Demnach ward Maria Sophia nämlich schon geboren "1725 den 16. Juli" und starb exakt 71 Jahre später 1796 "am Tage ihrer Geburt".
Einer aufmerksamen Leserin der Main-Post fiel diese Diskrepanz auf, als sie im August die Veröffentlichung über den Bamberger Gedenkstein las. Das Geburtsdatum auf der dunkelgrauen Marmorplatte stimme nicht überein mit dem Täfelchen in der Lohrer Anlage neben der Schneewittchenfigur, monierte sie. "Es würde mich interessieren, welches Datum das richtige ist."
Was stimmt denn nun? Der 19. Juni 1725 wie auf der Tafel in der Anlage, der 16. Juli 1725 wie auf der Grabplatte oder der 19. Juni 1729, wie in der von Bartels zitierten Taufmatrikel festgehalten?
Barbara Grimm hat sich des Themas schon vor Jahren angenommen. Ihr Beitrag in der Schriftenreihe des Lohrer Geschichts- und Museumsvereins erschien just 2016, als sie Herbert Bald als Leiterin des Spessartmuseums ablöste. Das Ergebnis ihrer Recherche: Richtig ist das Datum, das aus der Gedenktafel hervorgeht, also der 16. Juli 1725. Dafür sprechen auch drei weitere Belege, wie Grimm ausführt:
- Das "Geschlechtsregister der Reichsfrey unittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken Löblichen Orts Baunach" von Johann Gottfried Biedermann, erschienen 1747: Demnach hatte Philipp Christoph von Erthal insgesamt elf Kinder - drei Töchter und sieben Söhne von seiner ersten Frau Anna Maria von Bettendorf und eine Tochter von seiner zweiten, Maria Elisabethy Claudia von Reichenstein. Maria Sophia war demnach das fünfte Kind und 13 Jahre alt, als ihre Mutter starb.
- In der Sterbematrikel der Bamberger Pfarrei St. Martin ist unter dem Datum 16. Juli 1796 der Tod der 71-jährigen Maria Sophia eingetragen "am gleichen Tag, an dem sie geboren wurde".
- Schließlich bestätigt die Daten auch ihre Todesanzeige, der so genannte Totenzettel" in der Universitätsbibliothek Würzburg: "... gebohren 1725 den 16. des Julius - gestorben 1796, den 16. des Julius".
Logische Schlussfolgerung: Sehr wahrscheinlich ist der Eintrag in der Taufmatrikel falsch, wurde Maria Sophia nicht am 19. Juni, sondern 19. Juli getauft - drei Tage nach ihrer Geburt. Juni und Juli werden ja nicht selten verwechselt, ein Schreib- oder Hörfehler deshalb eine naheliegende Erklärung. Dass Bartels die Geburt zudem vier Jahre nach hinten verlegte, dürfte schließlich an der Handschrift im Taufregister gelegen haben.