
Lisa Gruber lässt die Kettensäge knattern, ein Nebel aus Holzspänen hüllt sie ein: Andere schneiden damit Brennholz, sie schafft Kunst. Einen Stamm verwandelt die 28-Jährige etwa in einen grinsenden Schimpansen, der mit einer Maß Bier anstoßen möchte. Die Neustadterin gehört zu den besten Kettensägen-Künstlern Deutschlands. Das hat sie gerade bei den Motorsägen Masters unter Beweis gestellt – einer Fernsehshow, die in der ARD-Mediathek abrufbar ist.
"Es ist ein gutes Gefühl, mit einem so groben Werkzeug etwas Filigranes zu schaffen", erklärt sie die Faszination des sogenannten Carvings. Während ihrer Ausbildung zur Schreinerin arbeitete Lisa Gruber viel mit Maschinen. Die kreative, handwerkliche Seite ihres Jobs sei ihr dabei etwas zu kurz gekommen, erzählt sie. Sie begann deshalb, in ihrer Freizeit zu schnitzen.
Grubers erstes "Carving-Werk" war ein Eichhörnchen
Doch das Hantieren mit dem Schnitzeisen dauerte ihr zu lang. Mit der Kettensäge kam sie durch ihren Bruder und ihren Mann, die beide Förster sind, in Kontakt. "Das geht wesentlich schneller und sieht cooler aus", sagt die 28-Jährige. Ihr erstes Säge-Werk carvte sie im Sommer 2016. Grubers Vater war von dem dabei entstandenen Eichhörnchen so begeistert, dass er ihr eine spezielle Carving-Säge und die nötige Schutzausrüstung schenkte.

Von da an dauerte es nur ein Jahr, bis Lisa Gruber ihr neues Hobby zum Nebenjob machte. Ihre Stunden in der Schreinerei reduzierte sie, um sich ausgiebiger mit ihrer Kunst zu befassen. Die meisten ihrer Anfängerstücke sind allerdings dem Naüschter Kettensägenmassaker zum Opfer gefallen: Wenn ihr Skulpturen nicht gefielen, rollten deren Köpfe. Aus Eulen, Zwergen und Comicfiguren wurde Brennholz. Selbst von ihrem Eichhörnchen-Einstand ist nur noch der Kopf übrig.
Anfangs bot sie ihre Skulpturen auf Kunsthandwerkermärkten an. "Aber dafür sind die Preise zu hoch. Das nimmt man nicht schnell mal so mit", erzählt sie. Ihr Talent sprach sich aber schnell über den Verwandten- und Bekanntenkreis hinaus herum. Aktuell stellt sie hauptsächlich Auftragsarbeiten für Privatkunden her. Besonders gefragt als Motiv sind Haustiere. Je nach Aufwand verlange sie ab 800 Euro, nach oben hin seien keine Grenzen gesetzt, so die 28-Jährige.
Fotos dienen als Vorlage
Früher dienten ihr Schleich-Plastiktiere als Vorlage, weil sie "detailliert sind, der Fellverlauf gut sichtbar ist und sie ein Maß haben, das man gut hochrechnen kann", erklärt Lisa Gruber. Heute lässt sie sich von ihren Auftraggebern Rundum-Fotos vom gewünschten Haustier und dessen Maße schicken, damit Luna, Balu und Mimi auch als Holzskulptur schön lebensecht rüberkommen.
Carving liegt im Trend, weshalb auch immer mehr Städte von Metall- oder Steinskulpturen auf Holzkunstwerke umschwenken. Den Bad Mergentheimer Wildpark hat Lisa Gruber gemeinsam mit Kollegen verschönert, im thüringischen Rauschwitz an einem Skulpturenpark mitgearbeitet und in der Slowakei Eis geschnitzt.
Als Mitglied des elfköpfigen "Stihl Carving Team Germany" tritt sie bei Gartenschauen, Wettbewerben und Forstmessen auf. Zu dem Motorsägen-Hersteller als Sponsor ist sie nach eigenen Angaben durch Glück gekommen: "Das Team wurde neu gegründet, als ich in die Szene gekommen bin. Als Nachwuchs bin ich da reingerutscht."

Obwohl die 28-Jährige schon bei Meisterschaften angetreten ist, war die Teilnahme an den Motorsägen Masters ihrer Aussage nach "eine Extrembelastung", an der die Neustadterin aber auch "extrem gewachsen ist". Die Produktionsfirma hatte für die zweite Staffel der Fernsehshow bei ihr angefragt, doch zunächst zögerte sie, sich zu bewerben. Denn die Sendung setzt stark auf "superspontanes Speed-Carving", bei dem die Teilnehmer in kürzester Zeit Aufgaben erfüllen müssen.
Gruber plant ihre Werke gerne gewissenhaft
Das beißt sich allerdings mit ihrem "Schreinerinnen-Gen", weil Lisa Gruber ihre Werke gerne gut plant und gewissenhaft ausmisst, damit die Proportionen passen. Ihr ging es daher auch weniger darum, bekannter zu werden, sondern hinter die Kulissen einer TV-Show zu schauen und sich weiterzuentwickeln. "Nur wovor man richtig Bammel hat, bringt einen auch weiter", betont sie.
Die sieben Drehtage im August sägten dann auch ganz schön an ihren Nerven: Prominente, wie Sängerin Vanessa Mai und Schauspieler Edin Hasanovic, hatten täglich neue Aufgaben für die sechs Teilnehmer, die unter enormem Zeitdruck Kunst auf Zuruf erschaffen mussten. Wofür die Carver sonst Tage oder Wochen brauchen, musste hier in wenigen Stunden realisiert werden. Wer die Jury nicht überzeugte, wurde gnadenlos abgesägt.
Vom Phantombild über den hölzernen Witz bis zum Dackel reichten die Themen, die Lisa Gruber und ihre Konkurrenten umsetzen mussten. Weil die deutsche Carving-Szene überschaubar ist, befand sie sich dabei "unter guten Freunden". Wie die 28-Jährige letztlich abgeschnitten hat, wird natürlich nicht verraten. Nur so viel: Nicht nur Grubers Kopf, auch ihre Bohrmaschine qualmte, als es darum ging, aus hartem Eichenholz einen rollenden Aufsitztraktor zu schnitzen.
Kreative Kettensägen-Künstler
Sehenswert ist die sechs Folgen umfassende Sendung auch deshalb, weil sie die Kreativität der Kettensägen-Künstler feiert. Die Teilnehmer verbeißen sich in ihre Aufgaben wie die Zähne ihrer Motorsägen im Holz und überraschen den Zuschauer mit außergewöhnlichen Ideen.
"Die Produktionsfirma hat ein Riesengeheimnis aus den Aufgaben gemacht", erzählt Lisa Gruber. Sie und ihre Mitstreiter hätten den Backstage-Bereich für die Teilnehmer nicht verlassen dürfen. Den meisten Druck hat die 28-Jährige sich aber selbst gemacht. "Ich wollte mir beweisen, dass ich das kann", sagt sie. Daran gibt es jetzt keinerlei Zweifel mehr.
Die zweite Staffel der "Motorsägen Masters" ist in der ARD-Mediathek abrufbar.