
Seit vergangener Woche stehen sie in ganz Main-Spessart früh morgens wieder überall an den Straßen: Die Schulweghelfer und Schülerlotsen in ihren orange-leuchtenden Westen und mit rot-weißer Kelle. Ihre Aufgabe: Schulkinder sicher über stark befahrene oder unübersichtliche Straßen zu bringen, die sie auf ihrem Schulweg passieren müssen.
Doch wer vermutet, dass hinter den Leuchtwesten nur engagierte Mütter und Väter von Schulkindern stecken, der irrt: Zunehmend übernehmen auch Schüler, Omas, Opas oder Rentner die Frühschicht an der Straße. Denn es wird mancherorts zunehmend schwieriger, Eltern für die Aufgabe zu gewinnen. Rund 600 Erwachsene sind im gesamten Landkreis Main-Spessart als Schulweghelfer tätig, 217 Schüler als Schülerlotsen. Besonderen Bedarf gibt es derzeit im Gemündener Bereich, in Höllrich, Wernfeld und Langenprozelten. Hier werden Schulweghelfer dringend gesucht.
Mit dem Schulbeginn der eigenen Söhne angefangen
Aber es gibt auch die, die das Ehrenamt einmal angefangen und nie wieder aufgeben, so wie Gerda Siegler aus Wiesenfeld. Im Herbst 1985 hat sie ihren Dienst in der orangefarbenen Leuchtweste zum ersten Mal angetreten. Ihre beiden Söhne waren damals Schulkinder in der Grundschule. Heute, 35 Jahre später, steht die 59-Jährige immer noch mehrmals im Monat an der Lohrer Straße, Ecke Schloßgartenweg.
"Wir stehen immer von 7.15 bis 8 Uhr hier", erzählt sie an diesem sonnigen Septembermorgen. Bei "wir" deutet sie auf ihre Kollegin und Freundin Hildegard Amend. Vor rund zehn Jahren hat Gerda Siegler die heute 72-Jährige gefragt, ob sie mitmachen will. Sie wollte und ist immer noch mit dabei. Sechs Frauen übernehmen derzeit die Schulweghelfer-Dienste in Wiesenfeld. Das Duo Siegler/Amend ist dabei alle drei Wochen dran.

"Wir müssen immer zu zweit sein. Und das ist auch gut so", erzählt Hildegard Amend. Denn es gebe immer wieder Momente, in denen sie unsicher sei. Vom Prinzip her sollen die Helfer den Verkehrsfluss nicht unterbrechen, sondern abwarten, bis sich eine Lücke ergibt und dann die Kinder über die Straße lassen. Doch gerade im Berufsverkehr rollten regelrechte Auto-Schlangen durch Wiesenfeld, die sich hinter Lkws bildeten. "Wenn dann aus der Schlange heraus auch noch überholt wird, kann es schon mal gefährlich werden", berichten die beiden Frauen.
Vor allem Berufstätige, die nach Lohr müssten, seien morgens in Wiesenfeld unterwegs. Alle paar Minuten donnert aber auch ein Lkw vorbei."Die müssen auch manchmal auf den Gehweg ausweichen, wenn sie Überbreite haben oder aneinander vorbeifahren", sagt Siegler. Da bekomme sie schon Mal weiche Knie, beschreibt Hildegard Amend die unangenehme Situation.
Schulweghelfer bei Wind und Wetter
Ungemütlich wird es als Schulweghelfer aber auch im Winter, wenn der Schneematsch spritzt oder die Kälte in die Füße zieht. Abhilfe schafft hier der Zwiebel-Look, warme Wollsocken und Angora-Unterwäsche, berichten die beiden Frauen. Mittlerweile haben sie auch extra Schulweghelfer-Winterjacken bekommen. Zu Gute kommt den Helfern, dass die Winter immer milder werden und die Wollwäsche zunehmend im Schrank bleiben kann.
Sechs Kinder sind es an diesem Morgen, die die Lotsinnen sicher über die Lohrer Straße leiten. Die Zahl schwankt immer, auch je nachdem, wie das Wetter ist, weil die Kinder dann vermehrt gefahren werden. Die Kinder wollen entweder zur Grundschule oder zur Bushaltestelle. Teilweise kommen sie auch mit dem Rad oder dem Roller angesaust. Hier müssen die Schulweghelferinnen auch aufpassen, dass die Kinder rechtzeitig bremsen und anhalten. "Wenn sie besonders stürmisch sind, muss ich auch mal jemand an den Schultern zurückhalten", erzählt Hildegard Amend.
Manche sagten "Guten Morgen, Danke und Tschüss". Manche auch nicht
Haben sich die Kinder in den letzten 35 Jahren verändert? "Eigentlich nicht", sagt Gerda Siegler. Manche sagten "Guten Morgen, Danke und Tschüss". Manche auch nicht. Und es gebe immer die, die viel zu früh dran seien und die Spezialisten, die erst um fünf vor acht kämen. Und es gibt die "Großen", die dann plötzlich nicht mehr bei den Schulweghelfern über die Straße gehen, sondern allein. Heute haben die beiden Frauen wieder so ein Grüppchen beobachtet. Deshalb sei es wichtig, dass Eltern ihre Kinder auch immer wieder anhalten, den sicheren Weg bei den Schülerlotsen zu nehmen.
Mit dem 8-Uhr-Glockenschlag endet die Schicht von Gerda Siegler und Hildegard Amend an diesem Morgen. Was jetzt bei beiden ansteht? Erstmal freuen sie sich auf die heiße Tasse Kaffee daheim. Ihren morgendlichen Dienst leisten beide ehrenamtlich. Seit ein paar Jahren zahlt die Stadt Karlstadt Lotsen zusätzlich eine Aufwandsentschädigung. Doch das ist nicht der Grund, warum es die beiden Frauen machen. Was ihnen an ihrem Dienst gefällt: "Die Kinder zu erleben, den Kontakt zu ihnen zu halten und morgens schon an der frischen Luft zu sein", antworten die beiden. Und natürlich auch: Um ein bisschen zu ratschen - bis das nächste Kind kommt.