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Hasloch
Kartause Grünau: Mönche führten gottgefälliges Leben
Aus der Geschichte Main-Spessarts (75): Die Kartause Grünau war meist ein Ort stiller Kontemplation zum Lobe Gottes. Die Fischzucht blühte. Für kurze Zeit diente sie Falschmünzern als Werkstatt.
Das prächtige Portal an der Nordseite der Kartause Grünau.
Foto: Ernst Dürr | Das prächtige Portal an der Nordseite der Kartause Grünau.
Robert Meier
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:04 Uhr

Eine Urkunde aus dem Jahr 1328 steht am Beginn der Geschichte der Kartäuser in Grünau: "Wir Elisabeth, geborene Gräfin von Wertheim und Witwe des Grafen von Hohenlohe …" So lauten die ersten Worte auf der Urkunde. Die Gräfin stellte sie selbständig aus und beglaubigte sie mit ihrem Siegel. Elisabeth schrieb hier Geschichte. Einige Monate später bestätigten die regierenden Grafen, Elisabeths Neffen, ihre Schenkung. Ganz ohne Männer ging es damals nicht.

Die Schenkung war erheblich: Das ganze Dorf Schollbrunn mit allem drum und dran gehörte dazu samt allen Bewohnern des Ortes, die Untertanen der Grafschaft Wertheim waren. Die Kartause sollte eine jahrhundertelange Geschichte haben und ist bis heute ein Anziehungspunkt im südlichen Spessart.

Warum beschenkte Elisabeth ausgerechnet die Kartäuser? In ihrer Stiftungsurkunde drückt sie ihren Wunsch aus, Brüder dieses Ordens, deren Leben exemplarisch sei in der Nachfolge Jesu Christi und die in Franken noch unbekannt seien, nach Franken zu bringen. Tatsächlich war Grünau dann die erste Kartause Unterfrankens. Für sich und ihre Verwandten erhoffte sie, dass die Stiftung ihren Seelen zum Heil dienen möge. Am Ende der Urkunde wird aufgezählt, um was es ging: Neben dem Dorf Schollbrunn zwei Mühlen am Haselbach, alle Fisch-, Weide- und Holzrechte, sechs Joch Weinberge zwischen Kreuzwertheim und Hasloch sowie eine Reihe sogenannter Gülten, also Naturalabgaben wie zwanzig Malter Weizen, die die Mönche in Altfeld bekommen sollten. Die ersten Kartäuser kamen aus Mainz nach Grünau.

Zahlreiche Kartäuserklöster gegründet

Die Kartäuser waren einer jener Reform-Orden, die aus dem Bestreben der mittelalterlichen Menschen entstanden, in dieser Welt Jesus nachzufolgen und nach dem Ende des irdischen Lebens ihre Seele zu retten. Das Leben der Kartäuser wird bis heute geprägt durch Gebete und Schweigen. Im Zentrum steht die Kontemplation. 1170 waren sie als Orden anerkannt worden. Die Lebensform war attraktiv: Im 12. und 13. Jahrhundert wurden zahlreiche Kartäuserklöster neu begründet. Warum aber ausgerechnet in Grünau? Dort stand bereits eine Lorenz und Maria geweihte Wallfahrtskapelle. Aus dem Jahr 1297 ist eine in Rom von verschiedenen Bischöfen zu Gunsten dieser Kapelle ausgestellte Ablassurkunde erhalten.

Verwunschen wirkt das alte Wirtschaftsgebäude an der Kartause Grünau. Mit Moos bewachsen sind die Biberschwanzziegel des Mansardendaches.
Foto: Holger Watzka | Verwunschen wirkt das alte Wirtschaftsgebäude an der Kartause Grünau. Mit Moos bewachsen sind die Biberschwanzziegel des Mansardendaches.

Offenbar dauerte es seine Zeit, bis eine neue Klosterkirche fertig war und geweiht werden konnte. In den Jahren 1335 und 1346 holte man sich in Würzburg die bischöfliche Erlaubnis ein, bis zur Kirchweihe Messe an einem tragbaren Altar feiern zu können. 1446 segnete der Würzburger Weihbischof eine neue Klosterkirche ein.

Die Verbindung der Wertheimer Grafen zur Kartause blieb eng, auch nachdem Elisabeth 1330 gestorben war. 1354 zeichnete der Grünauer Prior Werner eine erste „Carta participations“, eine Urkunde, die Graf Rudolf als Schutzherrn des Klosters bezeichnete und ihn und seine Nachkommen zum Teilhaber aller geistlichen Güter seiner Kirche machte. Die gräfliche Familie profitierte so vom Gnadenschatz, den die Mönche durch ihr gottgefälliges Leben für sich erwarben.

Mönche erhielten das Fischrecht

Heute ist die Kartause nicht zuletzt für ihre Forellen bekannt. Von Gewässern war bereits in der Stiftungsurkunde die Rede gewesen. 1370 erhielten die Mönche vom Mainzer Erzbischof das Fischrecht im Bach unterhalb ihres Klosters. Spätestens für das 17. Jahrhundert kann man nachweisen, dass in den Bächen des Klosters Forellen lebten. Die stillen Fische im murmelnden Wasser in der Einöde haben also eine lange Tradition.

Eine Spiegelung der ' Kartause Grünau' im Spessart. Die Fischzucht hat eine große Tradition.
Foto: Christa Dietz | Eine Spiegelung der " Kartause Grünau" im Spessart. Die Fischzucht hat eine große Tradition.

Weitere Zustiftungen mehrten das Vermögen der Kartause. Ein Besitzverzeichnis weist nicht weniger als 24 Orte aus, in denen man Einkünfte hatte. Die Orte lagen teils recht weit entfernt, auch Gerlachsheim und Würzburg waren dabei. Das war nicht einfach zu verwalten, und man muss sich die Kartause auch als prosperierendes Wirtschaftsunternehmen vorstellen. Das Eremitenleben der Mönche war also nur die eine Seite. In Würzburg, Zellingen und Wertheim hatte man Stadthöfe, um die Überschüsse der Landwirtschaft zu verkaufen. Möglich, dass die Würzburger dort Forellen aus dem Spessart erwerben konnten.

Dann kamen die Veränderungen, die mit dem Namen Martin Luther verbunden sind und als Reformation bezeichnet werden. Bei der großen Wertheimer Synode, in der Graf Georg die Haltung der Kirchenmänner seiner Grafschaft zur neuen Bewegung klären wollte, war auch der Prior der Kartause dabei. Wie die meisten anderen wich er einer eindeutigen Entscheidung aus. Der Prior wollte abwarten, zu welcher Entscheidung ein seit Jahrzehnten geplantes großes Konzil käme.

Graf Georg untersagt dem Bischof die Visitation

Im Jahr darauf kam es dann in Grünau während des Bauernkriegs zu Plünderungen. 1526 heißt es, ein Kartäuser aus Grünau habe sich eine Frau genommen und lebe jetzt in Schweinberg – die Reformation war in Grünau angekommen. 1528 verweigerte Graf Georg dem Würzburger Bischof das Recht, die Kartause zu visitieren, also dort nach dem Rechten zu sehen. Das war eine starke Aussage: der Graf entzog die Kartause dem Bischof. In diese Richtung sollte es weitergehen, bekanntlich war Graf Georg ein Anhänger Luthers.

Einige Jahre später zeigten sich deren Folgen in einer Eingabe des Pfarrers von Hasloch: Früher lebte der Pfarrer allein, schrieb dieser, nun habe er eine Familie und Frau und Kinder zu versorgen. Und früher habe der Pfarrer immer in der Kartause gegessen, nun enthielten die Kartäuser ihm Einkünfte vor, weil er nicht „irer secte“ angehöre.

Die Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der Reformation führten auf Reichsebene schließlich zu Kriegshandlungen, die mit dem Passauer Vertrag von 1552 und Augsburger Religionsfrieden 1555 suspendiert wurden. Diese Verträge erkannten die Protestanten grundsätzlich als neue Konfession an. Für die Kartause Grünau bedeuteten sie zunächst das Aus, weil die Wertheimer Grafen mit der Reformation für die Auflösung der Klöster eintraten. Ab 1545 verwalteten die Grafen die Klostergüter, einige Jahre darauf verließen die letzten drei Mönche die Kartause.

Jahrzehntelange Prozesse vor dem Reichskammergericht

Damit endete zunächst das mönchische Leben in Grünau. Aber die Kartäuser gaben nicht auf. Die Würzburger Kartause erhob Klage. Es folgten jahrzehntelange Prozesse vor dem Reichskammergericht als höchstem Gericht des Alten Reichs um die Restitution der Kartause. Rechtlich war die Sache verwickelt. Die Kartause Grünau ist ein ganz typisches Beispiel für die Prozesse, die um säkularisierte Kirchengüter entstanden.

1630 kam eine kaiserliche Kommission nach Grünau. Man hört nun auch von Baumaßnahmen und 1635 soll wieder klösterliches Leben im Kropfbachtal begonnen haben. Allerdings in kleinem Maßstab. Die Grafen von Löwenstein-Wertheim waren nun in eine katholische Linie (heute in Kleinheubach) und eine evangelische (heute in Kreuzwertheim) geteilt, und nur die katholische gab die bei ihr gelandeten Rechte und Einkünfte an die Kartause zurück. So blieb das Kloster fortan eine bescheidene Einrichtung, deren Ende dann 1803 kam. In diesem Jahr kam nach den napoleonischen Umwälzungen für das Kloster Grünau die Aufhebung wie für viele andere Klöster auch. 

Zeitweilig Werkstatt für Falschmünzer 

In der Zwischenzeit kam es in Grünau zu einer Nutzung ganz eigener Art. Schwere Hammerschläge müssen das stille Tal erfüllt haben, denn um 1570 wurde in Grünau eine Falschmünzerwerkstatt eingerichtet. Eine überregional operierende Gruppe war am Werk, die Prägestempel hatte ein Schmied aus Nidda angefertigt, weitere Beteiligte kamen aus dem Taunus und aus Marburg.

Als die Sache aufflog, wurde in Wertheim und in Marburg mit harten Bandagen verhört – auf Falschmünzerei stand die Todesstrafe. Selbst Kaiser Maximilian schaltete sich ein und schickte einen Kommissar, um sich auf dem Laufenden zu halten. Der Ausgang des Geschehens ist nicht bekannt, weil sich keine Urteile erhalten haben. Eine solche Nutzung der einsamen Kartause dürfte jedenfalls die Ausnahme in ihrer langen Geschichte gewesen sein, in der es ansonsten um eher stille Dinge wie das Lob Gottes und die Fischzucht ging.

Zum Autor: Dr. Robert Meier ist Dozent an der Archivschule Marburg und Lehrbeauftragter an der Universität Würzburg. Er lebt in Würzburg.

Literatur: Michael Koller, Kartäuser in Franken, Würzburg 1996.

Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart

 
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