zurück
Hasloch
Haslocher Schmiede: Vom Eisenhammer zum Global Player
Aus der Geschichte Main-Spessarts (73): Im Jahr 1779 begann die Geschichte des Eisenhammers. Er wurde zum historischen Zentrum der Firma Kurtz Ersa. Ein Museum dokumentiert diese einmalige Industrietradition.
Das Mühlrad hebt den Eisenhammer. Unter dessen Schlägen formen die Schmiede das Eisen. Das Bild ist aus dem Jahre 1963.
Foto: Kurtz Ersa | Das Mühlrad hebt den Eisenhammer. Unter dessen Schlägen formen die Schmiede das Eisen. Das Bild ist aus dem Jahre 1963.
Robert Meier
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:04 Uhr

Am Anfang war die Wasserkraft. Der Haslochbach drehte das Mühlrad und das Mühlrad hob den gewaltigen Hammer, unter dessen Schlägen die Schmiede das Eisen formten. Dann brauchte man noch Holz für die Holzkohle, um das Eisen zu erhitzen und weich zu machen. Beides gab es bei Hasloch im Spessart, und so gründeten die Brüder Wenzel dort 1779 einen Eisenhammer. Bis heute wird an Ort und Stelle produziert – eine einmalige Industrietradition.

Hasloch gehörte zur Grafschaft Wertheim. Eisenhämmer boomten damals im Spessart, aber in der Grafschaft hatte man noch keinen (wie man überhaupt außer einer Kattundruckerei keine Manufaktur und keine Industrie hatte). So dürften die Grafen froh gewesen sein, mit den Wenzel eine Familie gefunden zu haben, die in der Grafschaft Löwenstein bei Heilbronn seit Generationen einen Hammer betrieb. Die Wenzel kannten sich also aus im Geschäft. Die Brüder wechselten nun von Löwenstein nach Wertheim und damit von einer Herrschaft der Grafen von Löwenstein-Wertheim in die andere.

Im Spessart konnte die Energie des Haslochbachs nun für mehr genutzt werden als nur den Betrieb der Mühlen, die seit Jahrhunderten oberhalb Haslochs standen. Eine 100 Jahre später durchgeführte Messung der Durchflussmenge des Haslochbachs ergab die beträchtliche Menge von 740 Litern pro Sekunde.

Die Brüder Wenzel errichteten den Hammer, aber wirklich glücklich scheinen sie damit nicht geworden zu sein. Nach wenigen Jahren verkauften sie das Anwesen. Im Jahr 1800 kam der Hammer schließlich an die Brüder Johann Georg und Friedrich Kurtz. Auch die Kurtz waren Profis und seit Generationen in Michelstadt im Odenwald im Hammergeschäft tätig. Die Familie Kurtz betreibt den Hammer noch heute, allerdings in ganz anderem Rahmen. Aus der Eisenschmiede ist ein Global Player geworden.

Mit Wasserkraft wird der Eisenhammer angetrieben.
Foto: Angelika Becker | Mit Wasserkraft wird der Eisenhammer angetrieben.

Dahin war es im Jahr 1800 noch ein langer Weg. Noch agierte man im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, an dessen Spitze ein Habsburger als Kaiser stand. Die Grafschaft Wertheim war ein selbständiges Territorium in diesem Reich und die Grafen und Fürsten von Löwenstein-Wertheim unterzeichneten auch die Pachtverträge über den Eisenhammer mit von Gottes Gnaden. 1806 war es damit vorbei, das Heilige Römische Reich wurde aufgelöst, der Main zur Grenze und der Eisenhammer lag fortan in Bayern.

Die Familie Kurtz baute den Hammer aus. Ein neues Wohnhaus wurde errichtet, Wasser aus dem Kartäuserbach auf den Hammer geleitet, ein zweites Hammerwerk gebaut. 1829, als der Hammer an die nächste Generation weitergegeben wurde, standen dort auch ein Waschhaus, eine Kohlehütte und Stallungen. Die Söhne erhielten nun auch eine theoretische Ausbildung: Friedrich Jacob Kurtz wurde 1839 in die mathematische Klasse der Großherzoglich Badischen Polytechnischen Schule in Karlsruhe aufgenommen.

Neben guter Ausbildung gab es ein zweites Mittel, unternehmerischen Erfolg an die nächste Generation weiterzugeben: Heirat. Wichtigste „Hammerfamilie“ im Spessart waren die Rexroth, die zeitweilig sieben Hämmer im Spessart besaßen. 1859 heiratete Johanna Kurtz Emil Rexroth aus Lohr – das Hammerwissen blieb in den Hammerfamilien.

Niedergang der Spessarthämmer

Aber in den 1850er Jahren setzte der Niedergang der Spessarthämmer ein. Die Industrialisierung erfasste, von Großbritannien ausgehend, auch die deutschen Länder und im Spessart fehlte nicht nur das Erz zur Eisenherstellung, sondern auch die ebenfalls nötige Kohle. Mit Holzkohle und Alteisen konnte man gegen die industriell hergestellten Eisenprodukte nicht bestehen.

Die Schmiede von außen. Bereits seit 1779 existiert der Eisenhammer im Inneren.
Foto: Lena Müller | Die Schmiede von außen. Bereits seit 1779 existiert der Eisenhammer im Inneren.

Zudem schufen Zollverbünde und die neuen Eisenbahnen größere Wirtschaftsräume, effizienter hergestellte Produkte ließen sich leichter verteilen. 1854 wurde die Eisenbahnlinie zwischen Frankfurt und Würzburg eröffnet. All dies führte zum „Hammersterben“ im Spessart. Dass der Haslocher Hammer überlebte, lag an einer unternehmerischen Entscheidung, die Philipp Kurtz Anfang der 1850er Jahre traf. Er erweiterte den Hammer um eine Eisengießerei und den Maschinenbau.

Achsen und Pflugscharen

Über die Produktpalette dieser Jahre gibt es nicht viele Informationen. Achsen für Wagen waren dabei und Pflugscharen, die bei der beginnenden Mechanisierung der Landwirtschaft gebraucht wurden. 1870, also kurz vor der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871, schaltete Kurtz eine Annonce in der Wertheimer Zeitung, aus der die am Hammer hergestellten Erzeugnisse hervorgehen. Man bot alles rund um landwirtschaftliche Maschinen an, dazu Wasserräder, Turbinen und Pumpen etwa für Mühlen, reparierte aber auch Dampfmaschinen und hatte die Einrichtungen für Brauereien im Programm.

1870 war auch das Jahr, in dem erstmals eine Gaststätte am Eisenhammer konzessioniert wurde. Dort waren nun so viele Menschen tätig, dass für ihre Versorgung gesorgt werden musste. Die Anzeige aus dem Jahr 1870 erschien in den folgenden Jahren übrigens ohne jede Veränderung bis ins Jahr 1880 – zehn Jahre lang dieselbe Produktpalette! Die Eisenbahnen hatten das Leben schneller gemacht, aber im Vergleich zu heute vollzogen sich Veränderungen immer noch außerordentlich langsam.

1891 erließ das Kaiserreich eine Gewerbeordnung, nach der Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten regeln und sich um deren Krankenversicherung kümmern mussten. Nach dieser Arbeitsordnung arbeitete man am Hammer von 6 Uhr morgens bis 19 Uhr abends, unterbrochen von drei Pausen. Auch der Samstag war Arbeitstag. Für die im Werk beschäftigten Frauen galt das genauso, nur vor Sonn- und Feiertagen durften sie früher Schluss machen.

Schmied Otto Haamann (vorne) und Walter Kurtz (hinten) halten den Eisenhammer immer noch  am Laufen. Das Bild ist aus dem Jahr 2016.
Foto: Lena Müller | Schmied Otto Haamann (vorne) und Walter Kurtz (hinten) halten den Eisenhammer immer noch  am Laufen. Das Bild ist aus dem Jahr 2016.

1900 kam Elektrizität an den Hammer. Die Nürnberger Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (ab 1903: Siemens-Schuckert) errichtete eine Anlage zur Produktion von Strom. Damit war man früh dran, die Stadt Wertheim etwa begann erst 1913 mit dem Aufbau einer städtischen Stromversorgung.

Die Weltwirtschaftskrise 1929 traf auch den Hammer hart, die Zahl der Arbeiter sank auf 12. Aber in diesen Jahren gelang ein die Zukunft des Betriebs prägender Coup. 1931 war in Schweinfurt der traditionsreiche Maschinenbauer Joachim & Sohn insolvent geworden. Kurtz konnte sich die Rechte an seinen Maschinen zur Pappen- und Papierherstellung sichern.

Die Maschinen von Joachim & Sohn wurden fortan am Hammer gebaut und weltweit vertrieben. Damit gelang die Expansion in einen ganz neuen Bereich. 1934 war das Eisenwerk Kurtz mit 29 Arbeitern fünftgrößter Arbeitgeber im Altlandkreis, größer waren nur das Zementwerk Lengfurt (72), die Pulverfabrik Hasloch (64), PAIDI in Hafenlohr (45) und die Ziegelei Scheiber in Marktheidenfeld (40). Die Region war noch durch und durch landwirtschaftlich geprägt.

Die ersten Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft schienen deren wirtschaftliche Versprechungen zu erfüllen. Der mit der Notenpresse finanzierte Aufschwung erreichte auch den Eisenhammer. Die Beschäftigtenzahlen stiegen wieder an: 1936 waren es 46, im ersten Kriegsjahr 1940 meldete das Eisenwerk Kurtz 77 Beschäftigte.

Seit 1936 wurde die gesamte Wirtschaft im Reich auf die Vorbereitung des Krieges umgestellt. Nicht kriegswichtige Bereiche erhielten mit der Zeit keine Ressourcen mehr. Das Eisenwerk konnte davon profitieren, zumindest Gießerei und Maschinenfabrik stellten kriegswichtige Teile für die deutsche Militärproduktion her. Wie überall im Reich entstand durch den Krieg ein Arbeitskräftemangel, der durch den Einsatz von Zwangsarbeitern ausgeglichen werden sollte. Über das Arbeitsamt Würzburg kamen 1942 23 Männer nach Hasloch (Russen, Ukrainer und Polen), die in der sog. „Russenbaracke“ untergebracht wurden.

Enorm langlebige Maschine

1948 legte das Eisenwerk eine Eröffnungsbilanz zur Einführung der Deutschen Mark an. Darin findet sich auch der alte Eisenhammer, mit dem einst alles begonnen hatte. Als Anschaffungsjahr steht 1779 in der Bilanz, der Restwert wird mit Null angegeben und die Nutzungsdauer 169 Jahren– eine enorm langlebige Maschine, ein wahrer Traum von Nachhaltigkeit.

Der Hammer produzierte in den 50er und 60er Jahren wie eh und je für die Landwirtschaft. Als neues Produkt wurden Klöppel für Glocken hergestellt, der Kilo Klöppel für 170 DM. Die Bedeutung des Hammers für den Gesamtbetrieb aber schwand. Dort standen die Zeichen in Gießerei und Maschinenbau in den 50er Jahren auf Expansion, das Eisenwerk Kurtz wurde zu einem Teil des Wirtschaftswunders. In den 70er Jahren machte die spätere kurtz ersa-Gruppe dann den Schritt zu einem Global Player, der hier nicht weiter verfolgt werden soll.

2014 wurde das Hammermuseum  in Hasloch eröffnet.
Foto: Kurtz Ersa | 2014 wurde das Hammermuseum  in Hasloch eröffnet.

Der Eisenhammer ist immer noch in Aktion. Im Hammer schlägt das Herz des 2014 eröffneten „Hammermuseums“ bei Hasloch, in dem man Weiteres zu seiner Geschichte erfahren kann.

Zum Autor: Dr. Robert Meier ist Dozent an der Archivschule Marburg und Lehrbeauftragter an der Universität Würzburg. Er lebt in Würzburg.

Literatur:  Robert Meier, Vom Eisenhammer zu kurtz ersa. Eine glühende Unternehmergeschichte aus dem Spessart, Essen 2014. 

Weitere Informationen:  www.hammer-museum.de

Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Hasloch
Arbeitgeber
Arbeitsämter
Brauereien
Dmark
Geschichte der Region Main-Spessart
Johann Georg
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Maschinenfabriken
Stromversorgung
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top