Einen Schaden von mehr als 3000 Euro haben nach der Rechnung des Gambacher Landwirts Friedrich Füller Gänse auf vier seiner Felder zwischen der Harrbacher Staustufe und dem ehemaligen Gambacher Bahnhof verursacht. Die Tiere haben sich über die Sommergerste hergemacht. Er habe dort mal gezählt und sei auf mehr als 220 Gänse gekommen.
Nilgänse sind ein Dauer-Aufregerthema. Das reicht von der Forderung, möglichst viele von ihnen abzuschießen und aufzuessen und so "diese Plage einzudämmen", bis hin zur Mahnwache von Tierschützern vor einem Offenbacher Freibad gegen die dort geplante Jagd. Eine Tierschützerin nimmt verletzte Nilgänse sogar mit zu einer Tierärztin.
Nilgänse gehören eigentlich zur Familie der Entenvögel, weisen aber auch viele Merkmale der Gänse auf. Über die Haltung als Ziervögel in englischen Parks haben sich die eigentlich in Afrika beheimateten Vögel ausgebreitet.
Nilgänse hinterlassen große Mengen an Kot
Schäden in der Landwirtschaft verursachen sie aufgrund ihrer Gefräßigkeit. Eine Nilgans kann 400 bis 500 Gramm Kot am Tag produzieren. Und was hinten rauskommt, muss vorne reingekommen sein. Nilgänse bevorzugen kurz gehaltene Grünflächen. Einerseits können sie dort gut überblicken, ob sich Feinde wie der Fuchs nähern. Andererseits ist das Fressen dort für sie mit ihren relativ kurzen Hälsen und kurzen Schnäbeln bequem.
Nährstoff- und eiweißreiche Felder mit jungem Getreide oder Klee sind für sie besonders attraktiv, weiß Andreas von Lindeiner, Experte beim Landesbund für Vogelschutz. An den Altmühlseen hätten sie in einem Jahr einen Schaden von 50 000 Euro angerichtet.
Lästig sind die Exkremente der Gänse in Parks, auf Liegewiesen und Bootsstegen. Das sei in erster Linie ein ästhetische Problem, so Lindeiner. Der Kot besteht zum Großteil aus schlecht verdautem Gras und steht sozusagen als Dünger wieder zur Verfügung. Ärger gab es deswegen auch an den Marktheidenfelder Maradiesseen, wo Spielflächen betroffen waren.
Auf der Liste der invasiven Arten
Sind Nilgänse wirklich invasiv? Invasiv bedeutet, dass sie unerwünschte Auswirkungen auf andere Lebewesen haben. Sie können besonders in der Brutzeit aggressiv sein und dabei auf andere Tierarten einhacken. Auch besetzen sie gute Brutplätze. Seit 2017 stehen Nilgänse EU-weit auf der Liste der invasiven Arten. Doch dass sie anderen Arten dauerhaft verdrängen, ist bislang nicht eindeutig geklärt.
Gelegentlich wird erzählt, Nilgänse würden sich sogar über die Gelege anderer Wasservögel hermachen. Das stimme nicht, sagt Hartwig Brönner, Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz in Main-Spessart. Er glaubt, der Rückgang der Blässhühner am Main habe nichts mit den Gänsen zu tun. Vielmehr finde das Blässhuhn kaum noch Möglichkeiten, Nester im Schilf bei gleichzeitig ruhigem Wasser anzulegen. Die großen Mainschiffe haben teilweise so starken Sog, dass sich der Wasserstand kurzzeitig deutlich ändert.
Michael Göpfert, Angler aus Margetshöchheim, berichtet, er habe gesehen, wie Nilgänse den kompletten Nachwuchs von Stockenten vernichteten. Sie würden die Küken unter Wasser tauchen. Teilweise geschehe das auch mit ausgewachsenen Enten.
Es ist längst nicht nur die Nilgans, die sich am Main breitmacht. Brönner hat bei einem Fahrradausflug im August zwischen Steinbach und Pflochsbach nur 32 Nilgänse, aber 75 Graugänse und 135 Kanadagänse gezählt. Und Norbert Hörning, der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Retzbach, zählte an der Karolingerbrücke zwischen Karlstadt und Karlburg 76 Kanadagänse. Die Nilgänse seien hier aber in der Überzahl gewesen. "Bei 50 habe ich das Zählen aufgehört."
"Ein exzellenter Braten"
Um eine weitere Vermehrung der Gänse einzudämmen, wird vielfach deren stärkere Bejagung gefordert. Landwirt Friedrich Füller glaubt zu wissen, warum dies so wenig geschieht: "Die schmecken nach Fröschen." Jagdexperte Ernst Kunesch kann dies zwar so konkret nicht bestätigen, sagt aber auch, sie würden "komisch, beziehungsweise seltsam" schmecken.
Es scheint andere Erfahrungen zu geben. Auf der Internetseite der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft heißt es, dass nicht nur Junggänse hervorragend schmecken, sondern auch "Gänse mit mehr Flugstunden einen exzellenten Braten abgeben". Das Alter der Gänse sei oft nicht zu erkennen. Da ältere Gänse länger brauchen, bis sie gar sind, sei es wichtig, sie nicht unter Zeitdruck zuzubereiten. Bei Kanadagänsen könne die Garzeit bis bis zu fünf Stunden liegen. Da Wildgänse keine ausgeprägte Fettschicht besitzen, seien sie in einem geschlossenen Gefäß zuzubereiten. Sonst könne das Fleisch zäh und trocken werden.
Und "Le Gourmand", ein "Genießer-Magazin für kulinarische Sinnesfreuden", widmet einen Artikel dem Thema "Invasive Arten essen". Neben Waschbär, Biberratte und Feuerfisch geht es da auch um die Nilgans. Diese Arten müssten "in unsere Nahrungskette integriert werden". Das Berliner Startup "Holygrab" tut dies und hat damit den Gastro-Gründerpreis gewonnen. Mitgründer Lukas Bosch räumt allerdings ein: "Man kann keine invasive Art aufessen." Waschbären beispielsweise können laut Umweltbundesamt ihre Fortpflanzung ankurbeln, wenn sich ihre Population reduziert.
Nicht einfach zu jagen
Für alle drei Gänsearten gilt in Bayern eine Jagdzeit von 1. August bis 15. Januar. Ernst Kunesch berichtet, die Jagd auf Nilgänse sei nicht einfach. Man müsse relativ nah an die Tiere rankommen und mit der Schrotflinte gut auf die Brust treffen. Er habe einmal mit einem Freund Jagd auf Nilgänse gemacht und dabei nur drei bis vier zur Strecke gebracht. Denn die Gänse sind lernfähig. Das bestätigt auch Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogelschutz. Sie erkennen Jäger an deren Kleidung, deren Habitus und vor allem am Gewehr. "Das kann auch ein Prügel auf der Schulter sein", so von Lindeiner. Selbst das Auto des Jägers lasse sie vorsichtig sein. In einer Schar von Gänsen gebe es immer einige, die "Wache schieben".
Würden erlegte Gänse gegessen, so sei das wenigstens "nachhaltig", sagt von Lindeiner. Dennoch sehen Naturschutzverbände die Jagd auf Gänse mit gemischten Gefühlen. Leicht könnten statt der häufigen Gänsearten auch nicht jagdbare nordische Gänsearten getroffen werden. Andreas von Lindeiner empfiehlt "Duldungsflächen" für Gänse – ohne freilaufende Hunde und ohne Bejagung. Indem man die Gänse auf Feldern und an Stränden stört, könne man sie zu anderen, für sie bestimmten Flächen lenken.
Ältere Leute kennen das bestimmt noch aus der Hühnerhaltung