
"Ich bin von vorne bis hinten einmalig!" Dieser Satz des kleinen Urmel, das bei der Insel "Titiwu" unversehens aus dem Eis, beziehungsweise aus dem Ei geschlüpft ist, bezeichnet eine Grundaussage auf der Scherenburg und ist eben doch nur die halbe Wahrheit: Nicht nur das Urmel, alle Darsteller auf der Bühne beim Kinderstück der diesjährigen Scherenburgfestspiele in Gemünden sind einmalig – auf ihre Art für sich und als Ensemble insgesamt. Mit größter Spielfreude setzen sie die liebenswerte Geschichte des Kinderfreundes Max Kruse unter der phantasievollen Regie von Till Brinkmann um. Sie schaffen so ein Stück, das die Herzen der Kinder höher schlagen lässt und gleichzeitig in den Erwachsenen eine Erinnerung an ihre eigene Kindheit zurückbringt.
Die Handlung von "Urmel aus dem Eis" ist hinlänglich bekannt – nicht zuletzt durch die Augsburger Puppenkiste und mehrere Verfilmungen: Auf der Insel "Titiwu" hat Professor Habakuk Tibatong zwei Leidenschaften: Er forscht nach Beweisen für die Existenz des "Urmel" als Bindeglied der Saurier und der Säugetiere und er hat eine Methode entwickelt, den dort lebenden Tieren das Sprechen beizubringen. Dass alle sprechenden Tiere, bis auf das Hausschwein Wutz, einen köstlichen Sprachfehler haben, ist ein bezaubernder Clou. Ping Pinguin setzt ein "pf" an die Stelle der "sch"-Laute und ist auf der Suche nach einer "Mupfel", Schuch, der Schuhschnabel vertauscht "i" und "ö"-Vokale und auch der Waran Wawa lispelt deutlich.

Exzellente Rollenbesetzungen
Dass das kleine Urmel im Ei an den Strand gespült und von den Bewohnern aufgenommen und großgezogen wird, ruft nun den Ex-König Pumponell auf den Plan. Er sucht nach Abenteuer in seinem langweiligen Exil und will das Urmel gefangen in seinen heimatlichen Zoo schaffen. Nach einigen spannenden und witzigen Verwicklungen kommt es natürlich zum glücklichen Ende.
Das Stück "Urmel aus dem Eis" auf der Scherenburg lebt von der zauberhaften Geschichte des Max Kruse, den köstlichen Ideen des Regisseurs und von der mitreißenden Spielfreude des Ensembles. Die Rollen sind exzellent besetzt. Elia Berner gibt beeindruckend den trögen, blasierten König Pumponell, passend dazu Wolfgang Schulz sein steifer Diener Sami, quicklebendig Benjamin Purner als Wawa der Waran und ewig aufgeregt Anna-Luisa von Rhein auf der Suche nach seiner Mupfel. Mareen Kasper kümmert sich mütterlich als die Schweinedame Wutz um das Urmel, kann aber auch zur Furie werden.

Regisseur Brinkmann spielt selbst wieder mit
Besondere Freude macht Heinz-Arthur Boldtuch als Schuch der Schuhschnabel. Immer etwas abgehoben in verschrobener Intonation stelzt er über die Bühne. Dass sein Kostüm aus Krawatten besteht, ist ein toller Regieeinfall. Der Regisseur Brinkmann spielt aber auch mit: Mit umwerfend melancholischem Singsang erzählt der "Seelefant" seine Storys. Florian Prokopetz ist der zerstreute Professor Habakuk und Lucca Russo spielt den Tim Tintenklecks.
Die Hauptfigur, das Urmel, durchlebt seine Kindheit in Rekordtempo. Franziska Schelbert gibt dem Urzeitwesen Gestalt als hilfloses Bündel, erlebt das Trotz- und Flegelalter und stellt nachdrücklich Forderungen, als es sich seiner Eigentümlichkeit bewusst wird: Es will ein eigenes Zimmer. "Alle haben eine Wohnung, aber ich hab nichts, obwohl ich doch am allereinzigsten bin!"
Das "Urmel aus dem Eis" ist wieder ein Volltreffer bei den Sommerspielen auf der Gemündener Scherenburg, ein wirkliches Vergnügen für Kinder und Erwachsene. Nachdem das Stück besonders häufig von Schulklassen und Kindergartengruppen besucht wird, wäre es aber womöglich ratsam, die Rap-Einlagen der jungen Damen unter dem Sammelbegriff "Deus ex Machina" im Anschluss an den Theaterbesuch zu erläutern. Die Auftritte waren sehr gut, der tiefere Sinn dahinter auch schlüssig, aber für Kinder unter zehn Jahren kaum nachvollziehbar.
