
Kalt duschen ist hip, spart Energie und soll gesund sein. Doch manchen Menschen reicht das nicht. Sie tauchen in Eiswasser ein oder wandern – halbnackt im Winter. Wie fühlt sich das an? Unsere Mitarbeiterin aus Main-Spessart hat es ausprobiert. Bei einem Seminar in einem Würzburger Yogastudio lernte sie jetzt die Wim-Hof-Methode kennen.
Sie ist benannt nach ihrem Erfinder, dem niederländischen Extremsportler Wim Hof, und besteht aus einer Kombination von mentalem Training, Atemtechnik und Eisbad. Die positiven Effekte solcher Techniken sind, wie zum Beispiel auch Saunieren und Meditation, medizinisch anerkannt.
Ich dusche schon seit langem kalt. Auch wenn es mich jedes Mal Überwindung kostet, fühlt es sich hinterher immer gut an; frisch und wach. Eine Freundin machte mich dann irgendwann auf die Wim-Hof-Methode aufmerksam. Deren Ziel: Körperliche Stressimpulse bewusst erzeugen und mit Willensstärke zurück in die Entspannung kommen.
Die These: Was in der Extremsituation funktioniert, klappt auch im Alltag, macht uns gelassener und glücklicher. Im Internet wurde ich dann auf den Workshop in Würzburg aufmerksam. Und dachte mir: Na dann mal los.
Intensives Atmen mit der Wim-Hof-Methode
Doch bevor es in die mit Eiswürfeln gefüllte Wanne geht, werden wir im Yogastudio "Glücksbringer" von Yogalehrerin Linda Weyh und Wim-Hof-Instructor Patrick Weyh begrüßt. Das Ehepaar hat drei Kinder und die beiden bezeichnen sich selbst als sehr gestresste Entspannungsexperten. Wir sind 13 Teilnehmende, bekommen heißen Tee und Decken, die Heizungen sind voll aufgedreht. Das sorgt für erleichterte Gesichter – vorerst bleibt es also gemütlich.

Linda Weyh stimmt uns mit Yoga ein; sanfte Klänge treffen auf Aromaöle. Dann übernimmt ihr Mann Patrick, der die Abfolge der Wim-Hof-Atmung erklärt. Wir sollen 30 bis 40 Mal in einer intensiven Wellenbewegung einatmen und gelöst ausatmen, danach die Luft anhalten; fünf Runden in Folge.
Mit der Entspannung ist es schlagartig vorbei. Ein treibender Beat dröhnt aus den Boxen, Patricks durchdringende Stimme leitet uns an. Die Atmung ist anstrengend und ich blende alles andere aus. Das gemeinsame Luftanhalten fühlt sich für mich tief entspannend an. Nach der letzten Runde: Stille.
"Ihr habt gerade hyperventiliert", erklärt Patrick Weyh. Dabei verändere sich das Sauerstoff-Kohlendioxid-Verhältnis im Blut und der Körper werde unter starken Stress gesetzt. In der Atemstille hingegen normalisiere sich die Relation und der Körper entspanne sich. Man erzeuge bewusst ein Wechselspiel zwischen zwei wichtigen Teilen des vegetativen Nervensystems.
Yogalehrerin Linda Weyh: "Unser Leben spielt sich zu viel im Sympathikus ab"
Die Hauptrollen, so Linda Weyh, spielen dabei der Sympathikus, der bei Aktivität und Stress aktiviert wird, und sein Gegenspieler, der Parasympathikus, der für Ruhe und Regeneration sorgt. Linda: "Wir brauchen beides, aber unser Leben spielt sich zu viel im Sympathikus ab." Die Wim-Hof-Atmung, so ihre Erfahrung, könne lehren, von einem Zustand in den anderen zu wechseln.
"Das ist kein Hokuspokus", sagen Patrick und Linda Weyh. Sie berichten, wie sich ihr Alltag durch die Methode zum Positiven verändert hat. Man drehe nicht mehr so schnell hoch, kommuniziere in Partnerschaft und Familie gelassener miteinander. Das Paradoxe sei, dass Entspannung zu Beginn für viele eine Belastung ist. Denn, so erklärt Patrick Weyh: "Stress und Ärger sind unserem Körper vertraut. Verlassen wir diese Komfortzone, macht das Angst und erzeugt sofort neuen Stress." Man müsse sich darauf einlassen und den Ruhezustand erst wieder genießen lernen.

Ich frage mich, ob auch ich meinen Alltag mit der Methode nachhaltig verändern kann. Als Nächstes soll mir das Eisbad neue Wege aufzeigen. Patrick Weyh erläutert, wie das funktioniert. "Der Temperaturkorridor, in dem wir uns bewegen, wird enger: Klimaanlage, Heizdecke, Funktionskleidung lassen uns keine extremen Temperaturen mehr spüren." Der Kältereiz sei ein Instrument. Mit ihm könne man lernen, neue Stressantworten zu finden.
Denn wer sich im Eiswasser – einer absolut lebensfeindlichen Umgebung – entspannen kann, schafft es überall; so die Theorie. Außerdem trainiere Kälte die feinsten Gefäße im Körper.
Gegen die Kälte ankämpfen? Keine Chance
Jetzt geht es also endlich in die Wanne, die schon im Garten bereitsteht. Wir schlüpfen in Badeklamotten, es fallen die Worte Sommer, Sonne, Strand. Der Erste der Gruppe verschwindet bis zum Hals in den Eiswürfeln – keine Panik, kein Geschrei. Nach zwei Minuten kommt er krebsrot heraus und wärmt sich mit langsamen Bewegungen am Lagerfeuer.
Weiter geht es der Reihe nach. Manche tunken den Kopf unter, grinsen bis über beide Ohren, unterhalten sich. Als letztes bin ich dran – und friere schon jetzt.

Meine Füße stoßen durch die Eiswürfeldecke ins Wasser. Einatmen, ausatmen, und dann komplett rein. Ich hyperventiliere. Und diesmal weder freiwillig noch kontrolliert. Patrick Weyhs Gesicht kommt ins Blickfeld. "Atme mit mir! Langsam!" Ja, wie denn? Mein Körper macht, was er will. Ich strenge mich an, ein Atemzug. Dann noch einer und die erste Panik verfliegt. "Du kannst nicht gegen die Kälte ankämpfen. Lass los!" Und tatsächlich. Es ist anstrengend, aber es geht. Es ist nicht einmal kalt, denn kalt ist für mich das Schwimmerbecken im Hallenbad. Das hier ist so eisig, dass es sich undefiniert nach Garnichts anfühlt.
"Ihr habt Eure Körper in Todesangst versetzt und sie überwunden", sagt Patrick Weyh als wir, wieder angezogen und mit heißer Suppe versorgt, am Feuer sitzen. Ich bibbere so stark, dass ich kaum essen kann. Anderen geht es ähnlich, doch wir sind glücklich und erstaunt und trennen uns mit einem, trotz allem, warmen Gefühl.