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Gemünden
Hetz-Plakate in Gemünden: Verfahren gegen  Dritter Weg eingestellt
"Multikulti tötet" mit einer blutigen Hand oder eine Waffe und "Grenzen dicht!" auf Plakaten der Neonazi-Partei sieht die Staatsanwaltschaft nicht als Volksverhetzung an.
Ein Archivbild zeigt eine Demonstration gegen Hetze in Landau (Rheinland-Pfalz) im September 2018.
Foto: Andreas Arnold/dpa | Ein Archivbild zeigt eine Demonstration gegen Hetze in Landau (Rheinland-Pfalz) im September 2018.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 27.04.2023 09:25 Uhr

Anlässlich der Europawahl hat die Neonazi-Partei "Der Dritte Weg", die schon in ihrem Namen unverhohlen ihre Sympathie für das Dritte Reich zeigt, Ende April vergangenen Jahres in der Gemündener Ortsdurchfahrt Hetz-Plakate aufgehängt. Sie zeigten die Parolen "Multikulti tötet" und einen blutigen Handabdruck auf einer weißen Wand, den Lauf einer Waffe zur Forderung "Europa verteidigen! Grenzen dicht!" und – im Nazijargon – "Volksverräter stoppen". Die SPD Gemünden erstattete daraufhin Anzeige wegen Volksverhetzung. Die Staatsanwaltschaft sah den Tatbestand jedoch als nicht erfüllt an und stellte das Ermittlungsverfahren Anfang Dezember mit teilweise interessanten Begründungen ein.

Die Gemündener SPD-Ortsvereinsvorsitzende Monika Poracky und der SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Ferdinand Heilgenthal, zeigen sich enttäuscht von der Entscheidung der Staatsanwaltschaft. "Man darf so etwas nicht dulden, sondern muss aktiv Widerstand leisten", sagt Heilgenthal. "Uns war es wichtig, ein Zeichen zu setzen." Poracky findet, dass jeder, der wegschaue, solche Hetze unterstützt.

Staatsanwaltschaft: Menschen außerhalb Deutschlands nicht gegen Volksverhetzung geschützt

Die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zum eingestellten Verfahren habe sie erst auf Nachfrage erhalten. In der Begründung der Staatsanwaltschaft heißt es unter anderem, dass es fraglich erscheint, ob sich "Europa verteidigen! Grenzen dicht!" gegen "einen Teil der inländischen Bevölkerung richtet". Das Plakat könne als Aufruf zu einem vollständigen Schutz der europäischen Außengrenzen verstanden werden. Als geschützt durch den §130 Abs. 1 StGB sieht die Staatsanwaltschaft nur Flüchtlinge, die sich bereits im Land aufhalten. Dem Plakat könne aber "mit der zur Verurteilung notwendigen Wahrscheinlichkeit weder ein Aufruf zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen entnommen werden noch eine Aufstachelung zum Hass".

Zu "Multikulti tötet" argumentiert die Staatsanwaltschaft, dass nicht klar sei, wen oder was dieser Spruch eigentlich meine – Flüchtlinge oder doch Gruppen, die sich für eine multikulturelle Politik aussprechen? Die "roten Flecken" könnten symbolhaft verstanden werden. Ein Aufruf zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe liege bei dieser Auslegung nicht vor.

Und die Verwendung des Begriffs Volksverräter begründet noch keine Strafbarkeit. "Jedenfalls kann das Wahlplakat (auch unter Berücksichtigung der politischen Einstellungen, die die Partei 'Der Dritte Weg' repräsentiert) so verstanden werden, dass Personen, die gegen geltendes Recht (sicher auch im Zusammenhang mit der Migration) verstoßen, entsprechend dem bundesdeutschen Rechtssystem zu verfolgen sind."

Manche Städte und Gemeinden hängten Hetz-Plakate ab

In Gemünden verschwand der Großteil der Wahlplakate irgendwann, selbst abhängen wollte die SPD sie nicht, um sich nicht strafbar zu machen. Andernorts ließ die Gemeinde die Dritte-Weg-Wahlplakate abhängen. Verwaltungsgerichte, die über die Rechtmäßigkeit zu urteilen hatten, waren meist der Meinung, dass sie wieder aufgehängt werden müssen. Als unzulässig wertete das Gericht in Chemnitz jedoch den auch in Gemünden aufgehängten Plakattext "Multikulti tötet". Laut MDR hielt das Gericht hier einen Eingriff in die Meinungsfreiheit für zulässig, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren.

Um künftig solche unerwünschten nächtlichen "Rollkommandos" wie das des Dritten Wegs zu verhindern, will die Gemündener SPD in der nächsten Stadtratssitzung beantragen die Plakatierungsverordnung zu ändern. Geht es nach der SPD, soll jemand, der im Stadtgebiet plakatieren möchte, künftig zunächst ins Rathaus gehen, im Ordnungsamt Name und Adresse hinterlassen und sich eine Genehmigung holen. Plakate müssten dann mit Aufklebern versehen werden, wie dies auch in anderen Städten üblich sei. Plakate ohne Aufkleber könnten dann sofort abgenommen werden.

 
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Kommentare
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  • stefanmichler@web.de
    "....die schon in ihrem Namen unverhohlen ihre Sympathie für das Dritte Reich zeigt"

    Ernsthaft?
    Denke da sollten sie nochmal nachrecherchieren
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