Die große Haushaltssitzung ist für Stadträte so etwas wie die Besteigung der Zugspitze für Alpinisten. Vor dem Start gibt's für den Teamgeist fraktionsübergreifende Gespräche und ausreichend Proviant in Form von literweise Getränken auf den Tischen. Sogar eine Art Basislager mit Verpflegungspause war eingeplant - ein Imbiss nach 75 Minuten Sitzung. Aber am Ende des Abends, nach rund dreistündiger Sitzung, war der Zusammenhalt im Gremium dahin; das Gefühl, gemeinsam etwas Großes geschafft zu haben, blieb aus.
Zur Einstimmung ging Stadtkämmerer Ralf Liebl noch mal die Eckpunkte des bereits mehrfach vorbesprochenen Haushalts durch. Das Volumen des Gesamthaushalts ist mit 47,7 Millionen Euro so groß wie noch nie. Auf den Verwaltungshaushalt, über den die laufenden Geschäfte abgewickelt werden, entfallen 31,4 Millionen Euro. Auf den Vermögenshaushalt, der die Investitionen widerspiegelt, 16,3 Millionen Euro. Der entscheidende Unterschied zu den Vorjahren ist, dass 2019 die Rücklagen von 2,8 Millionen Euro praktisch komplett entnommen werden und zusätzlich eine Kreditaufnahme von 2,16 Millionen Euro fällig wird. Bürgermeister Paul Kruck schwor die Stadträte darauf ein, dass – egal, welche Wünsche und Forderungen im Verlauf der Sitzung noch erhoben werden – dieser Kreditrahmen nicht überschritten werden sollte.
Kein Spielraum im Verwaltungshaushalt
Die größten Punkte im Verwaltungshaushalt sind Ausgaben für Kindertagesstätten (rund 2 Millionen Euro) und Schulen (1,4 Millionen Euro). Daran könne man nicht sparen, waren sich die Räte einig. Bei kleineren Posten wie der Sing- und Musikschule (290 000 Euro) oder der Bibliothek (gut 250 000 Euro) wolle man nicht sparen, da komme ohnehin keine signifikante Entlastung des Haushalts zustande. "Ich wüsste nicht, wo wir mit gutem Gewissen im Verwaltungshaushalt sparen könnten", sagte Kruck.
Der Bürgermeister verwies auf ein strukturelles Problem Karlstadts. Die Steuereinnahmen seien in den letzten Jahren gewachsen, im Landkreis lägen sie nur in Marktheidenfeld höher. "Wer hätte gedacht, dass wir mal Lohr überholen?", so Kruck. Dadurch müsse Karlstadt eine hohe Kreisumlage leisten und erhalte geringere Schlüsselzuweisungen.
Die von den Bürgern begrüßte Streichung der Straßenausbaubeiträge sei für die Stadt ebenfalls ein Problem. "Uns ist ein Finanzierungsinstrument flöten gegangen", sagte Kämmerer Liebl. "Wir sind noch stärker auf den Freistaat angewiesen." Und der wolle künftig nur Pauschalen zur Verfügung stellen, mit denen die Stadt die geplanten Maßnahmen nicht wird finanzieren können, wie Kruck erläuterte. Wilhelm Glück von der SPD-Fraktion sagte deshalb: "Wir müssen die Kosten senken und die Einnahmen erhöhen." Leichter gesagt als getan. Stefan Rümmer (SPD) pflichtete ihm bei: "Da müssen wir unser Augenmerk auf den Vermögenshaushalt richten, den können wir beeinflussen."
Diskussion in der Imbisspause
Während der Imbisspause steckten die SPD-Stadträte die Köpfe zusammen und blätterten im über 400 Seiten starken Haushaltsplan. Bei Wiederbeginn sagte Stefan Rümmer: "Unsere Fraktion hat kein Problem damit, die Rücklagen sinnvoll zu verwenden, aber die Neuverschuldung ist uns zu hoch." Bürgermeister Kruck erwiderte: "Lasst uns über Einzelposten reden. Vielleicht können wir die Kreditaufnahme reduzieren." Gerhard Kraft (Grüne) argumentierte: "Karlstadt entwickelt sich super-positiv. Die Verschuldung ist für eine Kommune im Rahmen." Michael Hombach (CSU) pflichtete ihm bei: "Ich bin über die Neuverschuldung nicht glücklich. Aber wir alle haben diese Maßnahmen beschlossen, deswegen verstehe ich die Haltung der SPD nicht. Benennt die Positionen, an denen wir sparen können."
Hans-Joachim Stadtmüller (SPD) wagte sich aus der Deckung: "Wir möchten über den Straßenbau sprechen. Da stehen Maßnahmen von insgesamt über 1 Million Euro an. Ließen sich da nicht einige verschieben?" Er nannte Maßnahmen in Stetten, Gambach, Wiesenfeld und der Karlstadter Siedlung. Jeder einzelne Punkt ließ sich jedoch widerlegen. Teilweise sind im Haushalt nur noch Restzahlungen für bereits erledigte Arbeiten verzeichnet, anstehende Arbeiten sind zum Großteil schon vergeben und lassen sich nicht mehr stoppen. Die Ortsumgehung Wiesenfeld lässt sich wegen der Beteiligung des Landkreises nicht aufschieben.
Frischer Wind gewünscht
Gerhard Kraft polterte: "Das haben wir doch alles besprochen. Wart ihr da etwa nicht dabei?" Stadtmüller verließ die Sitzung und schloss die Tür dabei vernehmlich. Gunter Müller (Freie Wähler) war genervt: "Jeder hatte die Möglichkeit, das zu diskutieren und sich einzubringen. Aber jetzt reden wir seit einer Stunde nur über heiße Luft."
Damit war die Suche nach Einsparmöglickeiten beendet. Florian Burkard schlug vor, das Gespräch mit Experten von außerhalb des Gremiums zu suchen. "Unser Denken ist immer gleich zwischen Steuereinnahmen und Fördermitteln. Wir sollten kreativer sein, uns öffnen." Manfred Goldkuhle wünscht sich ein ÖPNV-Konzept, Michael Hombach eine Vision, wie die Stadt in 20 Jahren aussehen soll. Burkard ist sicher: "Da kann viel Geiles entstehen." In der nächsten Sitzung, am Donnerstag, 21. Februar, soll der Haushalt 2019 verabschiedet werden.