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Karlstadt
Handys an Schulen: Wie das Gymnasium in Karlstadt Maßstäbe für ganz Bayern setzte
Das Pilotprojekt ist gelaufen, Bayerns Kultusministerium stellt Schulen nun frei, eigene Regeln zur Handynutzung einzuführen. Auslöser für alles war ein Eklat in Karlstadt. Wie läuft es dort?
Zwei Schülerinnen mit Smartphone:  Das Handyverbot an bayerischen Schulen soll gelockert werden. Am Johann-Schöner-Gymnasium Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) dürfen sie schon auch privat genutzt werden – zu bestimmten Zeiten.
Foto: Symbolfoto Sebastian Kahnert, dpa | Zwei Schülerinnen mit Smartphone:  Das Handyverbot an bayerischen Schulen soll gelockert werden. Am Johann-Schöner-Gymnasium Karlstadt (Lkr.
Markus Rill
Markus Rill
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:04 Uhr

Sehr viele Schülerinnen und Schüler in ganz Bayern können sich bei Jutta Merwald bedanken. Als sie zum Schuljahresbeginn 2018 als Rektorin ans Karlstadter Johann-Schöner-Gymnasium (JSG) versetzt wurde, kippte sie die von Lehrkräften, Eltern und Schülermitverwaltung getroffene Vereinbarung zur privaten Handynutzung an der Schule und untersagte diese komplett.

Daraus entspann sich eine Diskussion, die zum bayernweiten "Schulversuch Handynutzung" mit 135 beteiligten Schulen führte – und in diesem Februar zu einer Empfehlung des Kultusministeriums. Allen Mittel-, Real-, Berufsschulen und Gymnasien in Bayern wird nun geraten und freigestellt, ab Schuljahresbeginn 2022/23 eigene Leitlinien und Regeln zur privaten Nutzung digitaler Geräte während der Schulzeit und auf dem Schulgelände festzulegen. Bis dahin gilt grundsätzlich weiter, dass Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auf dem Schulgelände auszuschalten sind.

Handys dürfen am Johann-Schöner-Gymnasium Karlstadt auch privat genutzt werden – zu bestimmten Zeiten.
Foto: Markus Rill | Handys dürfen am Johann-Schöner-Gymnasium Karlstadt auch privat genutzt werden – zu bestimmten Zeiten.

"Am Johann-Schöner-Gymnasium sind wir jetzt wieder da, wo wir vor fünf Jahren schon waren", sagt Schulleiter Gerald Mackenrodt, Nach-Nachfolger von Jutta Merwald, die nach ihrem unglücklichen Start nicht mal ein komplettes Schuljahr lang in Karlstadt tätig gewesen war. Das JSG war als eine von 16 unterfränkischen Schulen beteiligt am Pilotprojekt. Und das "war ein voller Erfolg", sagt Freie-Wähler-Politikerin Anna Stolz. Die Staatssekretärin im Kultusministerium von Michael Piazolo (FW) stammt aus Arnstein (Lkr. Main-Spessart), hat das Karlstadter Gymnasium früher selbst besucht und sagt: "Entscheidend für die Akzeptanz der Regelungen zur privaten Handynutzung war es, die gesamte Schulgemeinschaft vor Ort einzubinden und passgenaue Lösungen zu finden." Diese Möglichkeit hätten nun alle weiterführenden Schulen im Freistaat.

Regel in Karlstadt: Handynutzung nur vor Schulbeginn und in der Mittagspause

Am Karlstadter Gymnasium gilt: Eine Viertelstunde vor Schulbeginn um 8 Uhr sind die Geräte auszuschalten oder in den Flugmodus zu versetzen. In der Mittagspause von 13 bis 13.45 Uhr dürfen sie wieder verwendet werden. "In den Pausen sollen die Schülerinnen und Schüler ruhig mal miteinander reden und an die Luft gehen", sagt Schulleiter Mackenrodt. Er weiß aber auch: "Die Regelung stellt ein Ideal dar." Die Lehrerinnen und Lehrer hätten zurzeit durchaus Verständnis dafür, wenn etwa ein Kind, das Verwandte in der Ukraine hat, in der Pause mal aufs Handy schaut. Und bei kurzfristiger Änderung des Stundenplans wird ein Anruf oder eine Nachricht an die Eltern ohnehin gestattet.

Gerald Mackenrodt, Schulleiter des Johann-Schöner-Gymnasiums in Karlstadt, in der Schulmediathek.
Foto: Markus Rill | Gerald Mackenrodt, Schulleiter des Johann-Schöner-Gymnasiums in Karlstadt, in der Schulmediathek.

Und, sagt der Schulleiter: "Es geht schon längst nicht mehr nur ums Handy." Den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe ist das Verwenden von Tablets zum Mitschreiben freigestellt, in der Mittelstufe können es Lehrer oder Lehrerin gestatten. Die 15-jährige Zehntklässlerin Jule Hain sagt: "Mehr als die Hälfte meiner Klasse nutzt lieber das Tablet zum Mitschreiben als ein Schulheft." Das sei "eine große Erleichterung". Freilich komme es "schon mal vor, dass dann irgendwelche Messages aufpoppen". Aber das passiere ja auch, wenn das Handy in den Unterricht einbezogen werde, was – so Mackenrodt – "immer öfter vorkommt".

"In Bio haben wir am Handy neulich ein Quiz gespielt, das lockert den Unterricht auf", berichtet Jule. "In Erdkunde haben wir nach Bevölkerungsdiagrammen für China recherchiert." Wichtig sei, den Schülerinnen und Schülern einen "verantwortungsvollen, bewussten Umgang mit Medien beizubringen", sagt Mackenrodt. Dem Gymnasium gehe es um "Harmonisierung im Mediennutzungskonzept", das dann auch für Tablets und Armbanduhren mit Internetzugriff gilt.

Für Lehrer-Mobbing gab's einen Verweis

"Der private Gebrauch von Smartphones bildet die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen ab", stimmt Anna Stolz zu. Schule müsse den Jugendlichen helfen, "ein intuitives Gespür für die Gefahren, die eine digitale Technik mit sich bringt, aufzubauen". Diese Gefahren sind ein Argument für eher restriktive Regelungen. Tatsächlich habe es auch in Karlstadt schon Fälle gegeben, "die in Richtung Mobbing gingen", so Mackenrodt.

Kultusstaatssekretärin Anna Stolz (Freie Wähler) bei einem Besuch der Realschule am Maindreieck in Ochsenfurt.
Foto: Johannes Kiefer | Kultusstaatssekretärin Anna Stolz (Freie Wähler) bei einem Besuch der Realschule am Maindreieck in Ochsenfurt.

Er suche dann das Gespräch mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern, auch mit deren Erziehungsberechtigten. Er weiß aber: "Das passiert hauptsächlich außerhalb der Schule, wo unsere Einflussmöglichkeiten gering sind." Es sei dennoch schon vorgekommen, dass Mobiltelefone für die Dauer des Schultags konfisziert wurden. Ein Schüler erhielt gar einen strengen Verweis und "ein intensives Gespräch", weil er einen Lehrer im Unterricht gefilmt und diese Aufnahmen verbreitet habe.

Der Karlstadter Schulleiter vermutet: "Die Gefahren der Technik werden uns noch länger und immer wieder neu beschäftigen." Auch wenn an seiner Schule "liberale Regeln" gelten, Gerald Mackenrodt sagt: "Am liebsten wäre mir, wenn die Handys außerhalb der Unterrichtsnutzung ausgeschaltet wären." Aber er möchte, dass die Jugendlichen von selbst zu dieser Einsicht gelangen. Ein generelles Verbot – das sieht nun auch das bayerische Kultusministerium so – sei nicht mehr zeitgemäß.

Schulversuch Handynutzung

An dem Pilotprojekt zur Handynutzung von 2018 bis 2020 nahmen 135 weiterführende Schulen aus ganz Bayern teil. Die Modellschulen erstellten in Abstimmung mit dem Schulforum oder dem Berufsschulbeirat schulintern Nutzungsordnungen und Regeln für die private Handynutzung in der Schule - zeitlich, räumlich oder auch altersspezifisch. Parallel gab es eine Kontrollgruppe von 131 vergleichbaren Schulen, die sich an das Handyverbots hielten. Über Fragebögen gaben Schulleitungen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie deren Erziehungsberechtigte aller 135 Pilotprojekt-Schulen sowie der Kontrollgruppe drei Mal Evaluierungen ab.
Laut Kultusministerium trafen die Schulen sehr unterschiedliche Regelungen zum privaten Gebrauch von Handys und anderen digitalen Speichermedien auf dem Schulgelände. Die überwiegende Mehrheit der Schulen legte konkrete Regeln für Zeiten, Orte, Arten und Inhalte der Nutzung sowie für die erlaubten Gerätetypen fest.
Bei der Auswertung der Rückmeldungen zeigte sich laut Ministerium kein einheitliches Bild, aus dem sich "mustergültige Nutzungsordnungen" ableiten ließen. Zu unterschiedlich seien die schulischen und örtlichen Gegebenheiten. Deshalb erfolgte die Empfehlung an die Schulen, im Schulforum mit Lehrkräften, Erziehungsberechtigten sowie Schülerinnen und Schülern eigene  schulinterne Nutzungsordnungen zu erstellen.
Quelle: Bayerisches Kultusministerium
 
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  • K. S.
    Ist es nicht so das unsere Handschrift ein Markenzeichen von jedem ist ? Wie soll das auf einem Tablett funktionieren ? Es wird auch, zumindest bis jetzt, im Beruf immer wieder auf die Handschrift zurückgegriffen. Wie sieht es eigentlich bei Arbeiten und Prüfungen aus die die Rechtschreibung überprüfen ? Am Tablett gibt es dann die Rechtschreibprüfung, damit erreicht man aber nicht die Fähigkeit das auch auf dem Papier zu bringen.
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  • H. S.
    Ich schreibe auch handschriftlich am Tablet und kenne das auch bei vielen meiner SuS. Die Handschrift geht also nicht verloren.
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  • B. S.
    Handys gehören generell in den Schulen verboten. Früher hatten wir auch kein Handy.
    In den Pausen bewegt sich doch sonst keiner mehr, jeder steht in einer Ecke und schaut auf sein Handy. Wenn keiner ein Handy hat, da kann man sich auch einmal miteinander unterhalten.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Das beste Argument ist ja eh immer "früher gab es das auch nicht, also braucht man es heute auch nicht".

    Dinge die es früher auch nicht an der Schule gab:
    - Papier
    - TV-Geräte
    - eigene Klassen & Lehrer je Jahrgang
    - gewaltfreie Bestrafung
    - Unterricht für Mädchen
    ...

    Zeiten ändern sich.
    Es braucht klare Regeln und kein Verbot.
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  • U. S.
    @TLW...

    Was war an Ihrer Liste schlecht?

    Früher war vieles besser, das wissen aber nur Leute die "früher" erlebt haben denn die können Vergleiche ziehen!
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Sie können sich ja gerne wieder bei Lagerfeuer in die Höhle setzen.
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  • K. M.
    Damit Chancengleichheit für alle besteht, müssten alle Handys weggepackt sein und abgeschaltet, das würde für meine Meinung zur Medienerziehung dazugehören, gleichzeitig müssten wir natürlich staatlicherseits in der Lage sein, den Schülern Tablets zur Verfügung zu stellen, die eben wirklich nur für den Unterricht gebraucht werden, und nur Programmieren Informationen enthalten die dazu verwendet werden, dann gibt es auch keine Schumeleien und keine Übervorteilungen, in dem das sich jemand irgendwo Informationen hin und her schiebt, außerdem wäre das Problem Statussymbol erledigt, das ist wie mit den Schuluniformen in England das hat schon was für sich, dass die Kinder dann gleichmäßig und ordentlich erzogen werden.
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  • H. A.
    Was bitte ist beim schreiben auf einem Tablet angenehmer statt in einem Schulheft? Fakt ist das 5 vollgeschriebene Schulhefte immer noch deutlich weniger im Schulrucksack wiegen als ein Tablet. Das lesen auf einem Papier ist nach wie vor deutlich angenehmer als auf einem Tablet das für die Augen sehr anstrengend wird wenn viel gelesen wird. Hier Lügen sich die Kids doch in die eigene Tasche, aber wahrscheinlich geht es nur um Gruppenzwang und Statussymbol, wenn die oder derjenige ein Tablet hat brauche ich auch eines und von einer bestimmten Marke muss es auch gleich sein. Mittlerweile sind viele schlimmer als schreiende Kleinkinder im Kaufhaus.
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  • D. P.
    Bei der im Artikel beschriebenen "Erleichterung" geht es nicht um das Gewicht, sondern um die Arbeitserleichterung. Dass Sie Ihre persönlichen Befindlichkeiten und Bedürfnisse als "Fakt" und die Vorlieben anderer als Selbstlüge darstellen, lässt sehr tief blicken...

    Viele Grüße aus der Realität: Spätestens im Berufsleben werden die Kids mit solchen Geräten konfrontiert. Es ist hochgradig wünschenswert, dass sie effizientes Arbeiten sowie verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Inhalten schon in der Schule lernen - je früher, umso besser. Und nein, durch Daddeln am Smartphone, Tablet oder PC lernt man das nicht.
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  • H. A.
    Erklären Sie mir bitte wo die Arbeitserleichterung zwischen einem Tabletstift und einen normalen Stift für Papier liegt? Mit beiden tut man nämlich das selbe beim schreiben. Soviel zum Thema Realität.
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  • A. R.
    Viele Programme können mittlerweile handschriftliche Notizen in maschinenlesbaren Text umwandeln. Das ermöglicht zB schnelleres Suchen. Außerdem kann man leichter Inhaltsverzeichnisse erstellen und ein Heft vergisst sich nicht so leicht, wenn es im Tablet ist. Abgesehen davon kann man zB Zeichnungen einfacher korrigieren oder duplizieren und Kleinigkeiten ändern. Man kann Bilder aus dem Buch ausschneiden und direkt Notizen dran machen. Das wird bei geliehenen physischen Büchern nicht so gerne gesehen. Man kann Links zu weiteren Ressourcen wie etwa Erklärvideos oder Übungen im Netz zu den Notizen an der passenden Stelle hinzufügen. Man kann Vokabeln direkt in ein Karteikartenprogramm einfügen oder Dokumente gemeinsam mit anderen bearbeiten, selbst wenn eine Person nicht im Raum ist (Krankheit, längere Projekte,...). Und vieles mehr
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  • C. R.
    Wenn das Tablet nicht nur die Hefte sondern auch noch die vielen Bücher ersetzt, die täglich mitgeschleppt werden, dann lohnt es auf alle Fälle. Ich bin von den vielen „Tabletklassen“ und „Laptopklassen“ auch noch nicht vollständig überzeugt, aber es ist der Trend, dem wir uns nicht mehr verschließen können. In vielen Ländern hat jedes Kind ein Schultablet und dieses Arbeitsmaterial gehört zum Alltag dazu.
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