Derzeit gibt es auch in Main-Spessart zwei Arten von Kundgebungen, die beide für viel Aufmerksamkeit sorgen. Auf der einen Seite die häufigen Bauernproteste, mit Verkehrsbehinderungen, an denen sich inzwischen etwa auch Spediteure und Handwerker beteiligen. Auf der anderen Seite die Kundgebungen für Demokratie und gegen AfD und Rechtsextremismus, die nach den Veröffentlichungen über ein Treffen mit Ideen zur Deportation von Menschen, an denen AfD-Funktionäre beteiligt waren, einsetzten.
Es hat etwas den Anschein, als würden hier zwei verschiedene Gruppen der Gesellschaft auf die Straße gehen, zumal die AfD sich sehr an die Landwirte anbiedert und manches Bauernplakat – wenn auch nicht unbedingt im Landkreis – Umsturzfantasien à la AfD wiedergibt. Die Grünen, die die Kundgebungen gegen rechts, wie etwa am 17. Februar in Karlstadt, mit initiieren, scheinen für viele Landwirtinnen und Landwirte das Feindbild Nummer 1 zu sein.
Aber müsste eine Bedrohung unserer Demokratie und ein Erstarken rechtsextremen Gedankenguts in Deutschland nicht auch Landwirte, Handwerker und Industrie bewegen? Reinhard Wolz, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes in Main-Spessart, sagt auf Anfrage, dass auch Landwirte generell gegen rechtsextreme Tendenzen seien. Er habe aber noch nichts gehört, dass sich Bauern in Main-Spessart an den Demokratie-Kundgebungen beteiligen wollen.
Warum wahrscheinlich keine Traktoren an Demos gegen rechts teilnehmen
Wenn ein Bauer angesprochen würde, wäre der aber wahrscheinlich dabei, glaubt Wolz. Eine Teilnahme mit Traktoren an Demos gegen rechts sei allerdings rechtlich schwierig, weil Veranstaltungen mit Traktoren einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben müssten, sonst dürften die Fahrzeuge nicht mit den steuerbegünstigten grünen Nummernschildern mitfahren – anders als bei den gerade stattfindenden Bauernprotesten.
Kreishandwerksmeister Thomas Heußlein aus Billingshausen teilt auf Anfrage mit, dass das Handwerk für Toleranz, Weltoffenheit und gelebte Integration stehe. Die Kreishandwerkerschaft Main-Spessart bekenne sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und den demokratischen Institutionen.
Kreishandwerksmeister Heußlein: kein Platz für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
"Fremdenfeindlichkeit und Rassismus haben keinen Platz", teilt Heußlein mit, die AfD erwähnt er jedoch nicht namentlich. "Wir heißen alle Menschen willkommen, für eine offene, bunte und demokratische Gesellschaft." Eine weiterführende Radikalisierung politischer Ansichten und eine Spaltung der Gesellschaft seien nicht nur Gift für die mittelständische Wirtschaft, sondern für unser Zusammenleben.
Er appelliert zugleich an die Politik, die Wirtschaftspolitik in den Fokus zu rücken, "weil nur mit einer starken Wirtschaft die Grundlage da ist, alle anderen wichtigen gesellschaftlichen Bereiche zu tragen".
Ingrid Hunger warnt vor der AfD
Die Lohrer Unternehmerin Ingrid Hunger ist unter anderem Präsidiumsmitglied im Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Sie schreibt auf Anfrage: "Es ist aus meiner Sicht Pflicht als Unternehmerin, vor der AfD zu warnen und uns konsequent abzugrenzen. Wir müssen den Menschen ins Bewusstsein rufen, dass diese offenkundig rechtsradikale Partei keine Lösungen anzubieten hat. Die AfD stellt nicht nur eine Bedrohung für unsere Gesellschaft dar, sondern ist auch aus wirtschaftlicher Sicht sehr gefährlich." Die Politik der AfD schade dem Wirtschaftsstandort Deutschland und Bayern massiv. Die AfD setze auf Nationalismus, der von ihr propagierte Dexit wäre für unser international ausgerichtetes Geschäftsmodell sehr schädlich.
"Je mehr die AfD das gesellschaftliche Klima vergiftet, umso unattraktiver wird Deutschland auch für ausländische Fachkräfte, die wir dringend brauchen", so Hunger. "Wir begrüßen, dass große Teile der Bevölkerung diese Meinung teilen, was die jüngsten Proteste gegen die AfD zeigen." Sie würde sich aber wünschen, dass Arbeitende bessergestellt werden als Menschen in der sozialen Sicherung.
Gleichwohl unterstütze die Industrie gerechtfertigte Proteste von Einzelbranchen, weil deren wirtschaftliche Lage angespannt ist.