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Glasofen
Glasofernerin restauriert liebevoll historische Brautkronen
Sie bestehen aus Seidenblumen, Glasperlen und Rauschgold, die prächtigen Brautkronen, die Unheil abwehren sollen. Elisabeth Matschiner nutzte die Corona-Zeit, um sie aufzubereiten.
Elisabeth Matschiner bei ihrer Arbeit an den Brautkronen.
Foto: Martin Harth | Elisabeth Matschiner bei ihrer Arbeit an den Brautkronen.
Martin Harth
Martin Harth
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:18 Uhr

Der Corona-Lockdown hat bisweilen seine guten Seiten. Mancher Zeitgenosse kommt nun endlich zu Dingen, die er oder sie immer schon erledigen wollte und dann doch nie dazu kam. So ist es vermutlich Elisabeth Matschiner aus Glasofen ergangen. Im letzten halben Jahr hat die unterfränkische Gautrachtenwartin rund ein Dutzend von Brautkronen, das im Umfeld der Grafschaftstrachtengruppe "Die Glasf’lder" bekannt ist, begutachtet und falls nötig auch restauriert.

Der reich geschmückte "hohe Kranz" war ein unverzichtbarer Bestandteil der Hochzeitstracht in der einstigen Grafschaft Wertheim und natürlich nicht nur dort. Mindestens seit dem 16. Jahrhundert kennt man in Deutschland Brautkronen als "Ehrenzeichen einer jungfräulichen Braut", wie es früher so hieß.

Braut und Brautjungfern trugen die Krone

Elisabeth Matschiner bearbeitete bei einem Besuch gerade Kronen aus Steinmark und Glasofen. Darunter auch ein vererbtes Exemplar aus der mütterlichen Linie ihres Mannes Heinz Matschiner, der vor seinem Ruhestand die Geschäftsleitung im Marktheidenfelder Rathaus innehatte.

Viel gibt es an den 300 bis 400 Gramm schweren Schmuckstücken zu entdecken, bunte Bänder müssen die Gebilde auf den Köpfen ihrer Trägerinnen, der Braut und ihrer Brautjungfern, halten. Was da so bunt und glanzvoll auf den Häuptern schimmert, ist im Grunde eine kunstvolle Zusammenführung kostengünstiger Manufakturwaren aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Eine historische Aufnahme der Brauttracht in der Grafschaft Wertheim aus Altfeld.
Foto: Repro Martin Harth | Eine historische Aufnahme der Brauttracht in der Grafschaft Wertheim aus Altfeld.

Da gibt es Papier- und Seidenblumen, wie sie der Bauerngarten hergibt. Man findet farbige Glasperlen, Spindeln und bunte verspiegelte Glaskugeln, die an Christbaumschmuck erinnern. Das Ehepaar Matschiner ist schon ins thüringische Lauscha gefahren, um sich nach Nachschub für Reparaturen umzusehen. Eine andere Adresse für sogenannte Galanteriewaren war einst Böhmen mit der Gablonzer Schmuckindustrie. Hausierer, darunter nicht wenige jüdische Händler, trugen solche Waren auf ihren Rücken in jedes Dorf, auch im Fränkischen.

Auch das Verpackungsmaterial erzählt Geschichten

Heinz Matschiners besonderes Interesse wurde von Begleiterscheinungen der Trachtenschmuckstücke geweckt. Im Aufbau einer Krone fand er ein Stück eines evangelischen Sonntagsblatts aus dem 19. Jahrhundert. Die Umhüllung einer Brautkrone mit einem Exemplar der "Neuen Würzburger Zeitung" vom 18. Juni 1972 lieferte nicht nur einen wichtigen Hinweis zur Entstehungszeit des Prachtstücks. Es ließ den historisch interessierten Glasofener auch darüber nachdenken, warum man sich darin kurz nach dem deutsch-französischen Krieg schon wieder über Truppenstärken ausließ. Die Ankündigung einer großen Bezirksreform in Bayern war für den Verwaltungsfachmann ein ebenso beachtlicher Aspekt.

Elisabeth Matschiner hat sich schnell mit dem Aufbau eines "hohen Kranzes" vertraut gemacht. Die Basis ist ein simpler Kartonring, der mit Papier und Bändern beklebt wird. Er wird prachtvoll mit Glasperlen und gebogenen Schmuckornamenten aus Golddraht verziert. An ihm sind die langen Tragebänder nach unten befestigt. Nach oben ragen acht stärkere Holzspänen, die mit Draht verspannt werden und der Krone ihren inneren Halt verleihen.

"Flitterkrone" mit Rauschgold

In diese Konstruktion werden in drei Reihen 16 kleine Sträuße aus Blumen und Schmuckelementen eingefügt. Nach oben wird die Krone mit einer aus Papier gefaltete Haube abgedeckt und vier weitere Sträußchen runden dort das Bild ab. Die Trachtenwartin entstaubt die Objekte in erster Linie, stabilisiert den Unterbau, ergänzt die Schmuckelemente passend und bindet auch das eine oder andere Sträußchen neu. Dabei kommen insgesamt durchaus einige Stunden konzentrierter Arbeit zusammen.

Die Brautkrone besteht aus vielen kleinen Sträußen mit Papierblumen und anderen Schmuckelementen.
Foto: Martin Harth | Die Brautkrone besteht aus vielen kleinen Sträußen mit Papierblumen und anderen Schmuckelementen.

Die vielleicht interessantesten Elemente des traditionellen Brautaccessoires aus der einstigen Grafschaft Wertheim sind aber die sogenannten "Flinderln", weshalb man auch gerne von Flitterkronen spricht. Es handelt sich dabei um kleine aus Rauschgold, einer veredelten Metallfolie, gestanzte und geprägte Amulette. Sie waren ursprünglich von Goldschmieden fabriziert worden, wandelten sich aber in der Industrialisierung zur vergleichsweise billigen Manufakturware. Lose an Drähten aufgehängt, schimmern sie flittrig und beweglich an den Brautkronen.

Hingucker für Trachtenexperten

Vieles kann der genaue Betrachter bestaunen: eine Lyra, Bauernblumen, Blätter, Eicheln, Sonne, Mond und Sterne, Früchte, Trauben, Engel, Schiffe, Doppeladler, Büsten von Männern oder Frauen und vieles mehr. Dabei ist dies alles nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern die Flinderln stehen als Träger des Segens und für die Abwehr von Unheil. Nicht alles erschließt sich dabei auch für die Fachfrau auf den ersten Blick. Die klassische angemutete Büste der mythologischen Juno Lucina galt zum Beispiel als ein Symbol der Fruchtbarkeit.

Manches bleibt bei ihrem Trachtenhobby auch für Elisabeth Matschiner zunächst rätselhaft und zu entschlüsseln. Eines ist jedoch sicher, mit den gut verwahrten und gepflegten Brautkronen wird der Hochzeitszug der "Glasf’lder" auch in Zukunft bei manchen Veranstaltungen und Festzügen der Hingucker für Trachtenexperten und Freunde der fränkischen Tradition bleiben.

 
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