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Marktheidenfeld
Geschichte der Spessart-Autobahn: Als eine Trasse durch das landschaftlich schöne Hafenlohrtal geplant war
Aus der Geschichte Main-Spessarts (138): Der Marktheidenfelder Stadtrat befürwortete für die neue Spessart-Autobahn eine Trasse durch das Hafenlohrtal. Warum es dann doch anders kam.
Erst im Jahr 1975 erhielt die Autobahn zwischen  Emmerich und Pocking den Namen A 3. Mit 769,1 Kilometern ist sie die zweitlängste deutsche Autobahn. 
Foto: Repro Leonhard Scherg | Erst im Jahr 1975 erhielt die Autobahn zwischen  Emmerich und Pocking den Namen A 3. Mit 769,1 Kilometern ist sie die zweitlängste deutsche Autobahn. 
Leonhard Scherg
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:42 Uhr

Der Bau von Autobahnen oder Nur-Auto-Straßen wurde erstmals mit der AVUS in Berlin 1921 verwirklicht. Doch in Deutschland wurde diese Idee weitgehend erfolglos propagiert. Öffentliche Stellen sahen keine Notwendigkeit, zumal es keine Kompetenz im Straßenwesen gab. Auch die Nationalsozialisten lehnten zunächst Planungen von Autobahnen zugunsten des Ausbaus des vorhandenen Verkehrsnetzes ab. Nach 1933 wurde der Autobahnbau dann als Hitlers Erfindung dargestellt. Bis Ende 1943 wurden trotz Kriegsausbruch immerhin 3896 km Autobahn gebaut.

Bestandteil des 1934 bereits auf 6000 Kilometern geplanten Ausbaunetzes war auch die Strecke von Frankfurt nach Nürnberg. Und es kam auch schon zu ersten Baumaßnahmen. So war vom Frankfurter Kreuz die Strecke durch Rodungen und einige Bauwerke bis in den Raum Aschaffenburg vorangetrieben und die Nürnberger Nordtangente bis zur Anschlussstelle Tennenlohre im Erdbau und mit allen Bauwerken fertiggestellt und wurde als einbahniger Streckenabschnitt ab 1941 genutzt.

Die frühere Reichsstraße 8 konnte den Verkehr nicht mehr aufnehmen

Ab Frühjahr 1948 wurde dann das Vorkriegsprojekt vom Autobahnbauamt Nürnberg, dessen Arbeitsgebiet auf ganz Unterfranken erweitert wurde, aufgegriffen und die Planungen den neuen Erfahrungen angepasst, was vor allem die Kurvenradien und Steigungen (4 statt 6,5 Prozent Maximalsteigungen) betraf. Entscheidend für die Wiederaufnahme war nicht zuletzt, dass mit der Teilung Deutschlands eine Umorientierung der Verkehrsströme von der Ost-West- in die Nord-Süd-Richtung erfolgte. Die frühere Reichsstraße 8, spätere Bundesstraße 8 und die an der Straße gelegenen Dörfer und Städte waren vor dem Bau der Autobahn übermäßig mit Verkehr belastet.

Geschichte der Spessart-Autobahn: Als eine Trasse durch das landschaftlich schöne Hafenlohrtal geplant war

Fest stand von Anfang an, dass zunächst von Westen nach Würzburg gebaut werden sollte. Zahlreiche Trassenvarianten wurden für eine Spessartumgehung bzw. -durchquerung untersucht. Zur Diskussion standen auch eine Trasse durch das Kinzigtal und südlich des Mainvierecks. Schließlich eignete man sich auf eine Spessartdurchquerung und auf drei Wahllinien, die Südlinie, die Nordlinie (Hafenlohrlinie) und die Diagonale (Zwischenlinie).

Die Nordlinie hätte das Hafenlohrtal genutzt und wäre zwischen Hafenlohr und Marktheidenfeld über den Main und weiter nach Uettingen geführt worden. Diese Linie befürwortete übrigens der Marktheidenfelder Stadtrat in seiner Sitzung am 9. Februar 1950. Aus Gründen der Forstwirtschaft und des Naturschutzes wurde diese Linie aber abgelehnt. Ende März 1953 fiel die endgültige Entscheidung für die Diagonale als die kürzeste der drei Wahllinien. Für diese Trasse sprach auch die Nähe zur Bundesstraße 8, womit eine abschnittsweise Ausführung des Baus erleichtert wurde.

Abstieg aus dem Spessart ins Maintal vor der Bettinger Mainbrücke .
Foto: Festschrift 1964; Repro: Leonhard Scherg | Abstieg aus dem Spessart ins Maintal vor der Bettinger Mainbrücke .

Von 1956 an wurden Abschnitte der heutigen Autobahn dem Verkehr übergeben: provisorischer Anschluss Weilbach - Frankfurt-Süd (1956) 17 km, Frankfurt-Süd-Offenbacher Kreuz (1957) 6 km, Offenbacher Kreuz-Hanau (1958) 12 km, Hanau-Stockstadt(1959) 15 km, Stockstadt-Hösbach (1958) 10 km, Hösbach-Rohrbrunn (1959) 18 km, Rohrbrunn-Helmstadt (1961) 36 km. Von 1962 an wurde auch von Tennenlohe aus am Lückenschluss gearbeitet. 1964 wurde mit dem Streckenabschnitt Schlüsselfeld – Rottendorf (42 km) die Autobahn zwischen Frankfurt und Nürnberg fertiggestellt. Die Verkehrsübergabe erfolgte am 26. November 1964.

Die Haseltalbrücke wurde zwischen den Jahren 1959 und 1961 gebaut. Aufgrund auftretender Risse wurde die Brücke in den Jahren 2008 bis 2011 durch einen Neubau ersetzt.
Foto: Festschrift von 1964/Repro Leonhard Scherg | Die Haseltalbrücke wurde zwischen den Jahren 1959 und 1961 gebaut. Aufgrund auftretender Risse wurde die Brücke in den Jahren 2008 bis 2011 durch einen Neubau ersetzt.

Schon bei ihrer Fertigstellung fand die Autobahn wegen ihrer landschaftlichen Einbindung allgemeine Anerkennung. Bereits 1953 war im Rahmen des 1951 für Altfeld, Michelrieth und Oberwittbach eingeleiteten Flurbereinigungsverfahrens ein Flächenbedarf von zirka 30 Hektar für die künftige Autobahn angemeldet worden. Zu diesem Zeitpunkt wurde noch geplant, die Autobahn durch das Haselbachtal zu führen und südlich von Michelrieth auf die Hochfläche aufzusteigen (1953-1955). Die Autobahnausfahrt war bei der Zwieselsmühle geplant.

Die Verlegung der Autobahntrasse in Zusammenhang mit dem Bau der Haseltalbrücke auf die Hochebene (Hochbrückenlösung) und damit nördlich von Michelrieth, angekündigt im Januar 1958, löste großen Unmut bei den betroffenen Landwirten aus, denn neu zugeteilte Grundstücke wurden zum Teil durchschnitten.

Der Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt Altfeld – Trennfeld erfolgte am 28. Mai 1958, für die Teilstrecke Bischbrunn – Altfeld am 3. Aug. 1959. Noch im Frühjahr 1958 begann der Bau der Autobahn mit den Erdarbeiten. Bis 1. September (rechte Fahrbahn) beziehungsweise 27. Oktober 1961 (linke Fahrbahn) wurde die  Strecke Rohrbrunn - Helmstadt fertiggestellt. In Altfeld selbst entstand ein Stützpunkt der Autobahnmeisterei Hösbach, der am 1. Oktober 1962 in Betrieb genommen worden ist.

Der Deckenbaubahnhof „Bettingberg“ in Trennfeld.
Foto: Festschrift; Repro: Leonhard Scherg | Der Deckenbaubahnhof „Bettingberg“ in Trennfeld.

In Trennfeld befand sich damals der 25 Hektar große Deckenbaubahnhof „Bettingberg“. Hier befanden sich wie an anderen derartigen Zentralpunkten unter anderem Arbeiterunterkünfte, Labore, eigene Bahnanschlüsse, Umschlaganlagen, Vorratslager und Mischanlagen. Täglich wurden bis 13.000 Tonnen umgeschlagen. Zirka 40 km Autobahn wurden von Trennfeld aus mit Material versorgt. Zwischen 1958 und 1960 lag der mittlere Arbeiterstand bei 2000 Mann. Zunehmend kam es zum Einsatz großer Maschinen.

Nach der Fertigstellung trug die Autobahn Frankfurt – Nürnberg noch die interne Nummerierung A 15. Als dann zum 1. Januar 1975 für alle Bundesautobahnen in Deutschland ein einheitliches Nummerierungssystem eingeführt wurde, entstand als wichtige transnationale Verbindung zwischen den Niederlanden und Österreich zwischen Emmerich und Pocking die A 3, mit 769,1 km die zweitlängste deutsche Autobahn.

Seit der durchgehenden Fertigstellung der A 3 hat sich der Verkehr bis 2015 etwa verdreifacht. Im Bereich um Würzburg fahren derzeit über 70.000 Fahrzeuge, davon rund 15.000 Lkw pro Tag. Der Schwerverkehrsanteil auf der A 3 hat sich dabei zum Teil auf über 20 Prozent gesteigert, das heißt  mehr als jedes fünfte Fahrzeug ist ein LKW. 

Nach der Prognose wird die tägliche Gesamtverkehrsbelastung im Raum Würzburg auf bis zu 100.000 Fahrzeuge ansteigen, davon über 20.000 LKW. Der in unserem Bereich bereits von 2017 bis 2019 abgeschlossene sechsstreifige Ausbau will diese Verkehrsmenge in vorhersehbarer Zukunft sicher und weitgehend staufrei bewältigen.

Marktheidenfeld hatte durch den Autobahnbau weniger Durchgangsverkehr

Der Bau der Autobahn mit den Anschlussstellen Marktheidenfeld, Wertheim und Würzburg West entlastete Marktheidenfeld schon ab 1961 vom Durchgangsverkehr, was sich zunächst durchaus negativ auf die örtliche Wirtschaft auswirkte, band aber und bindet Marktheidenfeld seitdem an die heute modernste Verkehrstrasse an und eröffnete für den südwestlichen Teil des heutigen Landkreises Main-Spessart und den Raum Wertheim zahlreiche neue Chancen.

Marktheidenfeld selbst entwickelte sich mit dieser Anbindung zu einem bedeutenden Gewerbestandorte in Unterfranken. Die beiden noch heute dominierenden Firmen, die 1955 gegründete Warema und das 1961 errichtete Braun-Werk (heute P & G), für dessen Bau 1959 die Entscheidung fiel, stehen für diese Entwicklung, die mit den Gewerbegebieten und den inzwischen dort entstandenen Gewerbebetrieben am Standort Altfeld in den letzten Jahrzehnten noch verstärkt werden konnte.

Erfahrung mit dem Autobahnbau hatte Marktheidenfeld schon seit 1934. In diesem und dem folgenden Jahr wurde die Verbindungsstraße zwischen Marktheidenfeld und Lengfurt, dem Vorbild der AVUS in Berlin folgend, in Betonbauweise ausgebaut.

Zum Autor:  Dr. Leonhard Scherg war von 1984 bis 2008 Bürgermeister von Marktheidenfeld, er ist Kreisarchivpfleger für den Altlandkreis Marktheidenfeld und Rothenfels.

Literatur: Autobahnamt Nürnberg (Hrsg.), Bundesautobahn Frankfurt Nürnberg, Nürnberg 1964 (Festschrift zur Eröffnung); Alfred Herold, Das mainfränkische Autobahnnetz. Entwicklung, Struktur und Funktion, Schriftenreihe der IHK, Nr. 12, Würzburg 1984; Wolfgang Wirth, Gesamtkunstwerk Strasse. Die Geschichte des Autobahnpioniers Hans Lorenz, München 2019.

Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter www.mainpost.de/geschichte_msp

 
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  • M. Z.
    Zitat: " Die frühere Reichsstraße 8, spätere Bundesstraße 8 und die an der Straße gelegenen Dörfer und Städte waren vor dem Bau der Autobahn übermäßig mit Verkehr belastet."

    Jetzt wären die Zahlen von damals und heute interessant. Vermutlich ist da heute, trotz Autobahn, deutlich mehr Verkehr auf der B8 als damals.
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  • G. K.
    Toller Artikel.
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  • U. K.
    Kann ich mich nur anschließen. Merci.
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  • C. L.
    Danke für diesen interessanten Artikel.
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