Im Dezember hat sich eine Anwohnerin in der Gemündener Bürgerversammlung darüber beschwert, dass im alten Rathaus in Wernfeld Obdachlose untergebracht sind und welche Zustände das seien. Jetzt war das Thema Obdachlosenunterkunft in Wernfeld sogar Gegenstand einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Würzburg. Die Unterkunft sei "unzumutbar", hieß es in der Klage. Gegen die Stadt Gemünden geklagt hatte eine Frau – diesmal jedoch keine Anwohnerin, sondern eine Bewohnerin.
Dass die Klage der Bewohnerin überhaupt zugelassen worden war, wirkte mit dem Fortgang der Verhandlung immer verwunderlicher. Und die Stadt Gemünden, für die Bürgermeister Jürgen Lippert und Sabrina Kneifel vom Ordnungsamt anwesend waren, ließ durch die sie vertretende Rechtsreferendarin kundtun, dass sie nicht erfreut ist, auch noch die Hälfte der Gerichtskosten und die Anwaltskosten bezahlen zu müssen. Denn weil sich alles in Wohlgefallen aufgelöst hat, stellte das Gericht das Verfahren ein, die Kosten aber wurden hälftig aufgeteilt.
Alles begann Anfang Oktober 2020. Damals wurde die Wohnung der Frau und ihres Lebensgefährten zwangsgeräumt. Weil Obdachlosigkeit drohte, wurde das Paar von der Stadt Gemünden in ein etwa 13 Quadratmeter großes Zimmer in der städtischen Obdachlosenunterkunft im ersten Stock des alten Rathauses in Wernfeld eingewiesen, wo sie auf einem Feldbett und einer Matratze schlafen.
Im November beschwerte sich die Frau schriftlich beim Verwaltungsgericht in Würzburg. Zum einen nutze einer der anderen vier Mitbewohner die Küche als Schlafraum, weil dessen Zimmernachbar so laut schnarche, zum anderen sei sie die einzige, die putze, und außerdem befinde sich in ihrem Zimmer Schimmel und die Musik der Mitbewohner sei zu laut. Die Stadt beantragte vergeblich, die Klage der unter Betreuung stehenden Frau – wobei die anwesende Betreuerin von der Klage nichts wusste – abzuweisen, die Frau werde zudem ihrerseits von anderen Bewohnern beschuldigt, diese zu stören.
Die Klägerin, die ohne Anwalt erschien, erklärte vor Gericht, dass ihr Zimmer derzeit von Schimmel befreit werde, weshalb sie mit ihrem Lebensgefährten im Moment in eine Ferienwohnung in Seifriedsburg ausgelagert seien. Sie sei ja täglich auf der Suche nach einer anderen Wohnung, studiere regelmäßig das "Blättchen" und auch die Caritas helfe, aber sie finde nichts. Sie hätten wirklich ordentlich gelüftet. Der Schimmelbefall rühre auch daher, so die die Stadt vertretende Rechtsreferendarin Michelle Weinhold, dass die Klägerin ihren Wäscheständer zu nah an die Wand stelle. Das sei schon zuvor angemahnt worden. "Der Schimmel wird ordnungsgemäß beseitigt. Wenn es notwendig ist, den Putz teilweise zu entfernen, machen wir auch das", sagte Bürgermeister Jürgen Lippert. Dieses Problem sah der vorsitzende Richter Gerhard Weinmann, der von einem weiteren Richter und einer Richterin sowie von zwei Schöffen unterstützt wurde, hiermit als gelöst an.
Zum Schläfer in der Küche meinte der Richter: "Ja, hm, was machen wir denn da jetzt?" Nach den weiteren Schilderungen der Klägerin, die ohnehin mit zwei Wannen in ihrem Zimmer spüle statt in der Küche, war das nächtliche Problem aber offenbar kein so großes. Auch die laute Musik störe sie eigentlich nicht mehr, und den anderen gingen sie einfach aus dem Weg, was Streitereien verhindere.
Der Richter erklärte zur Rechtslage, dass die Gemeinde verpflichtet sei eine Obdachlosenunterkunft vorzuhalten, falls jemand obdachlos werde. Grundsätzlich sei dies aber nur für kurze Zeit gedacht. Laut Lippert sind sämtliche Bewohner jedoch schon länger in Wernfeld untergebracht. An eine Obdachlosenunterkunft, so der Richter, könne man nicht die Ansprüche wie an eine normale Wohnung stellen, Einzelzimmer etwa stünden niemandem zu. Die Grenze der Zumutbarkeit wäre es, wenn eine Unterkunft nicht menschenwürdig wäre. "Das sehen wir hier definitiv nicht." Die Gemeinde kümmere sich um den Schimmelbefall, und es sei nicht so, dass in Wernfeld ganz viele "reingepfercht" seien. Streitereien unter den Bewohnern könne man auch nicht der Stadt anlasten.
"Wir haben überlegt, ob es überhaupt eine Klage ist oder mehr eine allgemeine Beschwerde", so Richter Weinmann. Weil es jedoch ans Verwaltungsgericht herangetragen wurde, habe man die Sache doch als Klage behandelt. Gegen Ende der Verhandlung sagte der Richter: "Da hat sich das jetzt alles irgendwie gelöst." Was die Klägerin erreichen wollte, habe sie erreicht. Er regte an, dass die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt erkläre, dann werde die Sache eingestellt und die Gerichtskosten hälftig aufgeteilt. "Dann ist der Rechtsstreit ohne großes Tamtam und ohne Urteil beendet."
Stadt nicht erfreut über Beteiligung an den Gerichtskosten
Die Rechtsvertreterin der Stadt stellte nach einer Beratungspause die Kostenaufteilung ins Ermessen des Gerichts, seitens der Stadt herrsche aber "grundsätzlich keine Freude über die Kostenaufhebung". Der Richter gab noch zu bedenken, dass es nur eine Gerichtsgebühr koste, wenn sich die Parteien einigen, wodurch jeder nur eine halbe zahlen müsse. Wenn es im Ermessen des Gerichts bleibe, würden hingegen insgesamt drei Gerichtsgebühren fällig, was eineinhalb pro Partei mache. Die Rechtsreferendarin tat noch einmal kund, dass für die Stadt die hälftige Aufteilung der Kosten "nicht die beste Lösung" sei und diese es seltsam finde, dass die Klägerin klage und im Verfahren dann sage, dass eigentlich alles in Ordnung sei.
Das Gericht verkündete schließlich, dass das Verfahren eingestellt werde und die Kosten zwischen der Stadt Gemünden und der Klägerin aufgeteilt würden. Der Streitwert, an dem sich die Gerichtskosten bemessen, wurde auf 5000 Euro festgesetzt. Laut Verwaltungsgerichtssprecher Florian Kreiselmeier betragen die Gerichtskosten damit "ein paar Hundert Euro".