
Knapp einem Gefängnisaufenthalt entgangen ist ein 32-jähriger Mann aus dem Raum Marktheidenfeld. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hat er Waren, die er im Internet erworben hat, über ein Kleinanzeigenportal weiterverkauft. Beim Kauf hatte er zuvor jedoch falsche Kundendaten verwendet. Die Firmen haben bis heute keinen Euro von ihm gesehen.
Es war ein ausgeklügeltes System, das sich der Mann für seine dunklen Geschäfte zurechtgelegt hat. Die verschiedenen Anleitungen und Vorgehensweisen dazu fand er im Darknet, dem Teil des Internets, der nur beschränkt zugänglich ist und zu großen Teilen illegale Inhalte enthält. Hier fand er auch die Kundendaten, über deren Account er die Waren bestellt hat. Auf die Idee, „krumme Geschäfte zu machen“, kam der Mann als er arbeitslos wurde, sich jedoch schämte, finanzielle Unterstützung bei den staatlichen Stellen zu beantragen.
Waren im Wert von 18 000 Euro bestellt
Mithilfe des Darknets hat der Angeklagte Daten von echten Kunden gehakt. Vorwiegend Kunden eines Elektronikversandhändlers, eines Modehändlers sowie einem für Motorradbekleidung. In 26 Bestellungen wurden Waren im Gesamtwert von 18 393 Euro bestellt. Dabei war eine Reihe von Videokameras, Sportausrüstung, Motorradhelmen, Handschuhe und Lederkombis. Die Waren ließ der Mann an verschiedene Packstationen in Würzburg, Aschaffenburg, Wertheim, Lohr und Gemünden schicken. Dort wurden die Pakete von ihm oder ein paar Freunden abgeholt.
Als einziger Versandhändler auf die betrügerischen Bestellungen reagiert hat der Händler für Motorradzubehör aus Sonthofen im Allgäu. Mit Wissen der dortigen Polizei verschickte das Unternehmen statt der bestellten Waren ein sperriges Paket mit wertlosem Inhalt. Das Paket war so groß, dass es nicht in der Packstation in Würzburg eingelagert werden könnte, sondern in einer Postfiliale abgeholt werden musste. Die örtliche Polizei und die Filialmitarbeiterinnen waren so instruiert, dass bei Abholung die Person hingehalten werden sollte, bis die Polizei kommt.
Betrüger mit dem zweiten Lock-Paket erwischt
Eine Postmitarbeiterin versuchte die Freundin des Angeklagten, die das Paket abholen wollte, so auffällig hinzuhalten, dass die Freundin schließlich das Weite suchte. Allerdings wurde die 30-Jährige im Zuge der Ermittlungen gefasst und saß nun mit ihrem mittlerweile Ex-Freund auf der Anklagebank.
Deutlich mehr Erfolg hatte die Polizei wenige Tage später, als wiederum der Allgäuer Händler ein Paket an eine Packstation in Lohr schickte. Als der Betrüger selbst die Sendung dort abholen wollte, kam es zur Festnahme. Bei der Wohnungsdurchsuchung fanden die Beamten bei dem Mann verschiedene Datenträger und Magnetstreifenkarten. Weiteres belastendes Material wurde im Zimmer der damaligen Freundin in deren Elternhaus gefunden.
Staatsanwältin glaubte der Freundin des Täters nicht
Bei Untersuchungen durch das Landeskriminalamt konnten diese Unterlagen eindeutig dem Freund zugeordnet werden. Fingerabdrücke oder DNA-Spuren der jungen Frau schloss die Polizei deutlich aus. Damit gewann ihre Aussage an Glaubwürdigkeit, dass sie weder von den Geschäften ihres Freundes noch von den „Geschäftsunterlagen“ etwas gewusst habe. Zugegeben hat die Frau die gescheiterte Paketabholung. Allerdings war sie im Glauben, eine rechtmäßig bestellte Sendung abzuholen.
Von der Schuldlosigkeit der damaligen Freundin ließ sich die Staatsanwältin jedoch nicht überzeugen. Sie hielt der Frau eine Beihilfe und Mittäterschaft vor und beantragte für sie eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung sowie eine Geldauflage und die Einziehung von Wertersatz. Den jederzeit geständigen Hauptangeklagten wollte sie für drei Jahre im Arrest sehen und ebenfalls zu Wertersatz verurteilt wissen.
Richter folge Forderungen der Staatsanwaltschaft nicht
Auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten plädierte der Verteidiger des angeklagten Mannes. Er verwies darauf, dass die geschädigten Firmen auch zum Teil nach fünf Jahren noch keinen Schadenersatz von seinem Mandanten gefordert haben. Statt des Wertersatzes müsse sein Mandant die dieses Mal sicher sehr hohen Kosten des Verfahrens zahlen.
Die Vorwürfe und Anträge der Staatsanwältin sah der Verteidiger der jungen Frau als „reine Spekulation“ an. Er verwies auf die deutlichen Ergebnisse der kriminalpolizeilichen Ermittlungen und beantragte einen Freispruch für seine Mandantin sowie deren Kostenübernahme durch die Staatskasse.
Mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt und der Zahlung von 4000 Euro an das Jugendamt Main-Spessart sowie einem Freispruch für die angeklagte Frau, blieb das Schöffengericht unter Vorsitz von Dr. Sven Krischker deutlich unter dem Antrag der Staatsanwältin.