An jenem verhängnisvollen Sonntagmorgen will Hubert S. seine Kinder sehen. Die sind bei den Großeltern im Nachbarhaus, seine Frau hatte die beiden Jungs von einem und vier Jahren am Abend zuvor dort abgeliefert, weil sie noch etwas vorhatte.
Mit „Hallo“ begrüßt
Die beiden Söhne frühstücken gerade mit den Großeltern, als er kommt. Die Buben freuen sich, als ihr Vater sie abholt. "Er hat sie mit großem Hallo begrüßt und sie in die Luft geworfen", sagt die Schwiegermutter später vor Gericht, als das ganze Ausmaß der Tragödie bekannt wird.
Erst dann erzählt er so nebenbei, dass zuhause der Strom ausgefallen sein müsse – und sagt etwas, das die Eltern der 30-Jährigen sofort alarmiert: Sie habe sich im Bad eingeschlossen und antworte nicht.
Tür eingetreten
Im Pyjama laufen Gabis Eltern los, Schwiegersohn Hubert hinterher. Der Schwiegervater drängt ihn, die Tür zum Bad einzutreten. Dann sehen sie das Drama: Die 30-Jährige liegt leblos in der Wanne, ein Fön dabei.
"Als er aus dem Bad kam, warf er sich übers Treppengeländer und schrie", erinnert sich der Schwiegervater später vor Gericht an die Reaktion von Hubert S., "ganz theatralisch war das, wie im Film." Gabis Vater ruft den Notarzt. "Mach sie wieder lebend", bittet er ihn. Doch jede Hilfe kommt zu spät.
Zweifel an Unglücksfall
Die Polizei hat nach Angaben der Kripo Würzburg "Zweifel an einem Unglücksfall". Deshalb wird die Leiche noch am Sonntag obduziert. Und dabei bestätigt sich: Sie starb nicht am Stromschlag, sondern durch Ertränken.
Dass die Ehe des einfachen Arbeiters mit der Industriekauffrau am Ende war, ist in der Gemeinde im Landkreis Main-Spessart kein Geheimnis. "Das hatte sie auch schon lange vor der Tat ihrem Mann erzählt", versichert die Mutter Ermittlern und später auch dem Gericht im Zeugenstand. Mehrfach habe sie ihren Mann aufgefordert, auszuziehen.
Der Ehemann könnte also ein Motiv haben – aber hatte er auch die Gelegenheit? Die Badezimmertür war doch von innen versperrt.
Geständnis
Die Mordermittler nehmen Hubert S. richtig in die Zange. Plötzlich schwenkt er um, bricht zusammen und gesteht: Er habe seine Frau getötet. „Sein Geständnis war in sich schlüssig,“ sagt Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager später. Der Ehemann wird festgenommen, in der Haft schweigt er.
Im Prozess vor dem Landgericht Würzburg muss häufig sein Verteidiger Norman Jacob für den Angeklagten sprechen. Der 33-Jährige selbst spricht kaum. Sitzt da in seinem braunen Nadelstreifenanzug, die Augen verweint, in der Hand ein zerknülltes Taschentuch. "Ich war völlig neben mir", erklärt der Anwalt für ihn, "ich sah alles wie unter Glas.“
Ehe am Ende
Jacob zeichnet das Bild einer Ehe, die längst am Ende war. Es waren zwei sehr unterschiedliche Menschen, die im Sommer 2004 Hochzeit feierten. Sie eine kulturell interessierte, sozial engagierte, ehrgeizige Frau aus begütertem Haus. Er das Kind einfacher Eltern mit einer Vorliebe für Motorräder und Comic-Hefte. Seine leiblichen Eltern kennt der 33-Jährige nicht. Die Mutter, die ihn als Baby zur Adoption freigegeben hat, soll Deutsche gewesen sein, der Vater US-Amerikaner.
Wirklich angekommen ist der einfache Arbeiter aber wohl nicht in seiner angeheirateten Familie. Der Schwiegervater, der sich zum erfolgreichen Unternehmer hochgearbeitet hat, wollte den Mann seiner Tochter mögen. "Aber er hat es mir schwer gemacht."
Manchmal peinlich
Die Schwiegermutter fand den 33-Jährigen manchmal "peinlich". Zum Beispiel bei der Hochzeit, als er nicht, wie andere Ehemänner einfach "Ja" sagte, sondern "Ja, natürlich". Er sei oft so "hochgestochen" gewesen, erzählt die unscheinbare Frau dem Gericht, "er hat sich durch komische Aussagen in den Vordergrund gedrängt."
Auch seine Frau hatte Probleme mit ihm. Sie habe versucht, ihre Ehe zu retten, sagen Eltern und Freunde. Aber das sei misslungen. Und dann habe sie sich neu verliebt. Schon seit Juni nächtigte der Angeklagte nicht mehr im Ehebett, sondern schlief auf einem Matratzenlager im Keller. "Traumtänzer" habe seine Frau ihn genannt. Sie habe ihm gesagt, dass sie eine neue Liebe gefunden habe und dass er das Haus verlassen müsse, erzählt er selbst
In die Wanne gedrückt
Der Ehemann, so schildert Ankläger Ohlenschlager im Prozess, habe seine Frau von hinten am Hals gepackt und sie in die Wanne gedrückt. Als sie tot war, habe er "den Tatort präpariert". "Der Ehemann hat einen Föhn in die Steckdose gesteckt, ihn eingeschaltet und ihn dann in die Badewanne geworfen". Der Angeklagte lässt seinen Anwalt erklären: Er habe im Streit seiner Frau die Hände um den Hals gelegt und sie gewürgt. "Dann stolperten wir in die volle Wanne".
Seit dem Tod ihrer Tochter leben die Söhne von ein und vier Jahren bei ihren Großeltern. "Ich bin mit 55 Jahren noch mal Mutter von zwei Kindern geworden", erzählt Gabis Mutter den Richtern und weint. Die blasse, traurige Frau ist Nebenklägerin im Prozess gegen den Schwiegersohn. Ihr Mann auch. "
Sehr hilfsbereit
Der 56-Jährige Opa hat sich vom Facharbeiter zum erfolgreichen Unternehmer hoch gearbeitet, der seiner Familie etwas bieten kann. Noch vor ihrer Hochzeit hat er der Tochter ein 500000-Euro-Haus gebaut. Vor Gericht ist er um Fairness bemüht. Er macht den Schwiegersohn nicht schlecht, sagt, dass er ein guter Vater war. "Und sehr hilfsbereit." Aber halt so ganz anders als der Rest der Familie. "Er hat sich gerne in den Vordergrund gedrängt."
Man müsse nach der Beweisaufnahme davon ausgehen, dass dem Angeklagten erst während des Streits klar wurde, dass eine Trennung unmittelbar bevorstand, betont der Vorsitzende Richter Reiner Gündert am Ende des Prozesses. Die Ehefrau habe sich in den Wochen und Monaten zuvor nicht eindeutig erklärt.
Provoziert
Zwar gab es auch Indizien, die für eine länger geplante Tat sprechen. Aber die Richter gingen nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" davon aus, dass der Mann spontan handelte. Auch sei der 33-Jährige von der 30-Jährigen offenbar provoziert worden, bevor er ihr von hinten die Hände um den Hals gelegt habe. Der Angriff von hinten auf das arglose Opfer begründe das Mordmerkmal der "Heimtücke", erklärte Gündert.
Impulsdurchbruch
Der 33-Jährige muss zwölf Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Das Landgericht Würzburg verurteilte den zweifachen Vater wegen Mordes. Dass er nicht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, geht auf einen psychiatrischen Gutachter zurück: Der sprach von einem möglichen "Impulsdurchbruch" bei der Tat. Daher könne man eine erhebliche "Einschränkung der Steuerungsfähigkeit" nicht ausschließen. "Das war für uns eine hohe Hürde. Erst nach sorgfältiger Prüfung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, uns dem Sachverständigen anzuschließen", betonte der Vorsitzende Richter.
Zu Lasten des Angeklagten wertete das Gericht vor allem sein Verhalten nach der Tat: Der 33-Jährige zog seiner Frau den Bademantel aus, um zu suggerieren, dass sie bereits in der Wanne war. Er warf einen Fön in die Wanne und versuchte so, einen Unfall vorzutäuschen.
Raffiniertes Täuschungsmanöver
Es folgte ein weiteres raffiniertes Täuschungsmanöver: Der schmächtige Mann, der gerne Comics liest, steckt den Schlüssel von innen in die Badezimmer-Tür. In den Schlüsselring schiebt er als Hebel eine lange Schere, deren Kopf er mit einem langen Bindfaden verbindet. Den Faden zieht er unter der Tür durch, die er dann ins Schloss wirft.
Durch einen Spalt zwischen Tür und Türrahmen bleibt der Faden beweglich, als er zieht: Die Hebelwirkung sorgt dafür, dass die Schere Druck auf den Schlüssel ausübt: Der dreht sich im Schloss. Nun ist die Badezimmertür von innen verschlossen, durch die Drehung fällt die Schere zu Boden und Hubert S. kann sie mit der Schnur unter der Tür durchziehen. Das Bad ist verschlossen, der Schlüssel steckt von innen, als habe das Opfer selbst die Tür verschlossen - eine raffinierte Idee des Mörders.
- Hintergrund: Ist jeder fünfte Tod in der Badewanne Mord?