Marktheidenfeld feiert in diesem Jahr "75 Jahre Stadterhebung – 25 Jahre städtisches Kulturzentrum Franck-Haus". Zu diesem Anlass sind bis Mitte Oktober zehn Skulpturen und Plastiken an verschiedenen Orten in der Innenstadt zu sehen. Ein Flyer, der an vielen Stellen ausliegt, lädt ein, bei einem Rundgang die Altstadt aus einem anderen Blickwinkel neu zu entdecken.
Eine Jury, bestehend aus Luisa Heese (Kulturspeicher Würzburg), Christiane Gaebert (BBK Unterfranken), Helmut Droll (städtischer Kunstpreisträger 2022) und Martin Harth (Journalist) traf eine Auswahl aus insgesamt 24 Arbeiten von 20 Künstlerinnen und Künstlern. Die Ausstellung im öffentlichen Raum findet mit Unterstützung des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) Unterfranken statt.
Am Freitag eröffnete Bürgermeister Thomas Stamm die Ausstellung. An einem Rundweg zu den zehn Stationen, an denen beteiligte Künstlerinnen und Künstler ihre Werke vorstellten, nahmen gut 40 Gäste teil.
1. Maria Boldt: Milchtüte mit weißem Deckel
Maria Boldt zeigt ihr Werk "Milchtüte mit weißem Deckel" aus Lindenholz und Acrylfarbe im sogenannten Westentaschenpark hinter dem Franck-Haus. Boldt lehrt an der Berufsfachschule für Holzbildhauer in Bischofsheim in der Rhön. Seit 2013 ist die Handwerksmeisterin selbstständig tätig. Mit ihrer schlanken "Milchtüte", die in ihrer Tiefenproportion auf ein Viertel reduziert wurde, wertet sie eine alltägliche, gefaltete Verpackung zum fragil wirkenden Kunstobjekt auf.
2. Noah Nathan Trapp: War Child
Noah Nathan Trapp stellt sein Werk "War Child" aus gebranntem Ton im Westentaschenpark am Franck-Haus aus. Obwohl Trapp Schüler der Holzbildhauerschule in der Rhön ist, zeigt er seine aktuelle Wahrnehmung des Kriegs mit einer Tonplastik. Ein Kind trägt einen viel zu großen russischen Armeehelm auf dem Kopf, eine Decke schützt als Umhüllung vor Kälte. Trapp drückt mit seiner Arbeit den Schmerz und sein Mitgefühl für die Menschen in Kiew, Luhansk, Odessa oder anderswo aus.
3. Anna-Lena Emde, Sophie Herz und Marko Zwenger: Haushalt
Das Werk "Haushalt" (Eichenholz, teilweise farbig gefasst) von Anna-Lena Emde, Sophie Herz und Marko Zwenger ist an der Unteren Allee, dem Fußweg zwischen der Lengfurter Straße und dem Mainkai entlang des Mehrgenerationenspielplatzes ausgestellt. Im Rahmen eines Symposions entstand dieses Gemeinschaftswerk aus dem Umfeld der Rhöner Holzbildhauerschule. Einzeln gestaltete das Trio seine Häuschen, die schließlich übereinander zu einer Stele aufgereiht wurden. Sie stehen nun durch ihre eigenständige Gestaltung für Individualität in einem fest gefügten, gemeinsamen System oder Verbund.
4. Matthias Engert: S-11
"S-11" ist ein abstraktes Objekt der Konkreten Kunst von Matthias Engert aus pulverbeschichtetem und lackiertem Edelstahl. Es steht an der Mainlände in der Nähe des Biergartens am Unteren Mainkai. Engert hat an der Nürnberger Akademie diplomiert und stammt aus Zell. Seine Stele beruht auf mathematisch, geometrischen Grundlagen und verweist nach einem eigens dazu entwickelten Strichcode-Alphabet mit farbigen, vertieften Kanneluren auf ein Gedicht des Dadaisten Kurt Schwitter (1887-1948). In Marktheidenfeld ist Engert kein Unbekannter. Seine Plastik "m-w-1" aus Cortenstahl ist seit 2018 auf dem Adenauerplatz zu finden.
5. Marianne Knebel-Schiele: Sprudelnder Quell
Marianne Knebel-Schiele zeigt ihr Werk "Sprudelnder Quell" aus lackiertem Edelstahl am Oberen Mainkai. Die Skulptur "In Bewegung" aus Cortenstahl von Knebel-Schiele belebt seit fünf Jahren den Adenauerplatz vor dem Marktheidenfelder Rathaus. Die Obernburgerin ist fasziniert vom Main und hat dessen eher träge horizontale Wellen in sechs vertikale, quirlige Stelen umgewandelt. In kreisförmiger Formation symbolisieren sie an der Böschung zum Fluss die Dynamik eines blauen Quellstrudels als Sinnbild eines aufwärts strebenden Marktheidenfeld.
6. Max Gehlofen: Wahre Giganten
Max Gehlofen stellt sein Werk "Wahre Giganten" aus Stein im Stadtgärtchen am Oberen Mainkai ausgestellt aus. Im vergangenen Jahr war Gehlofen mit zwei Zeichnungen aus der Reihe "Gescheiterte Formen" in der Auswahl zum städtischen Kunstpreis vertreten. Mit zwei archaisch wirkenden Steinköpfen schafft der Würzburger in idyllischer Umgebung Raum für Gefühle, Gedanken und Vorstellungkraft. Gehlofen sieht seine Skulpturen als Fragmente innerer Unruhe.
Helmut Hirte: Torso
Helmut Hirte stellt sein Werk "Torso" (Marmor auf Sockel aus Cortenstahl) vor der St.-Laurentius-Kirche in der Obertorstraße aus. Vom Zwang in Raster und Strukturen will Hirte aus Aschaffenburg mit seinem "Torso" in klassischer Steinbildhauerei berichten. Er hinterfragt abstrahierend von der konkreten Form die gesellschaftlich verlangte Selbstoptimierung und plädiert damit für Persönlichkeit und Vielschichtigkeit.
8. Helmut Hirte: Im Wechselbad von Zuständen
"Im Wechselbad von Zuständen" ist eine Arbeit aus Kalkstein, dem traditionsreichen Untersberger Marmor, von Helmut Hirte. Sie kann man im Hof hinter der Alten Schmiede beziehungsweise der Volkshochschule besichtigen. Mit der schlank aufragenden Skulptur sollen Gefühle und deren Empfindungen am Körper Ausdruck verliehen werden. In einer zunehmend technisierten Welt drohe dem Menschen zusehends seine Emotionalität abhanden zu kommen, befürchtet der ausgebildete Steinbildhauer.
9. Magnus Kuhn: Meine Frau und ich
Magnus Kuhn zeigt sein Werk "Meine Frau und ich", eine lackierte Eisenplastik, am Platz vor der Stadtbücherei. Die Beziehung zwischen Frau und Mann auf fest zusammengefügter Basis ist das Thema eines spielerisch-einfachen Rohrgeflechts in Rot und Blau. Magnus Kuhn aus Würzburg will nüchtern und konstruktiv den tieferen Sinn von inniger Verbindung und Seelenverwandtschaft eines Paares darstellen.
10. Daniel Grimme: Giraffe
Daniel Grimme stellt sein Werk "Giraffe" aus lackiertem Kirschbaumholz vor der Filiale der Raiffeisenbank Main-Spessart in der Bronnbacher Straße aus. Ein gefällter Kirschbaum bot, auf den Kopf gestellt, die Grundlage für eine grell gelbe, kindlich wirkende Tierskulptur, die Menschen ganz direkt anspricht. Grimme, der in Sommerhausen lebt, lässt seine Giraffe erhaben stehen und stolz nach vorne blicken. Das reizt Betrachtende dazu, sich selbst unmittelbar zu dem Kunstwerk des Holzbildhauers in Beziehung zu setzen, wie sich schon kurz nach der Aufstellung in Marktheidenfeld zeigte.