Sportliches Design, tiefergelegte Fahrwerke und eine Klappe am Auspuff, die das Abgas laut röhren lässt: "Bitte folgen". Der BMW im Kreisverkehr bei Kreuzwertheim (Lkr. Main-Spessart) passt ins Raster der Polizeibeamten. Der Fahrer wird aufgefordert, dem Streifenwagen hinterherzufahren.
Ziel ist der geschotterte Platz am Mainufer. Bremsspuren im Kies zeigen: Dort treffen sich häufig Poser, um ihre getunten Autos vorzuführen. An diesem Freitagabend ist der Platz hell erleuchtet: Großkontrolle. Bis gegen 22 Uhr wird die Polizei nach dem BMW noch 50 weitere Autos und ihre Fahrerinnen und Fahrer überprüfen. Durch die Aktion, sagt Einsatzleiter Stephan Baumgärtner, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Marktheidenfeld, soll die Sicherheit im Straßenverkehr gestärkt werden.
Auto-Tuning: Verbesserung von Optik, Leistung oder Fahrverhalten
Tuning - der Begriff steht für eine optische Veränderung, Leistungssteigerung oder Veränderung des Fahrverhaltens durch Eingriffe an Motor, Fahrwerk, Karosserie oder Innenraum. Nicht jeder Umbau eines Serienfahrzeugs ist zulässig, vieles muss vom TÜV abgenommen und von der Zulassungsstelle in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden. Wer die Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und der Fahrerlaubnisverordnung (FEV) missachtet, kann die Betriebserlaubnis für sein Auto verlieren.
Der BMW-Fahrer zeigt den Polizeibeamten Führerschein und Fahrzeugpapiere. Nachweise über technische Veränderungen an seinem Wagen führt er in einem Schnellhefter, der im Handschuhfach liegt. Weil es in der Region in den vergangenen Wochen mehrere Einbrüche gab, schauen die Beamten auch nach Diebesgut, 15 Minuten später darf der BMW ohne Beanstandung weiterfahren. Zeit für einen schnellen Kaffee, den das Technische Hilfswerk (THW) den Polizisten zum Aufwärmen ausschenkt.
Nicht jeder, der Auto in sportlicher Optik fährt, ist ein Tuner
Sichtlich nervös ist ein 21-Jähriger aus dem Raum Miltenberg. Die Räder seines BMW sind kleiner als in den Papieren eingetragen. "Auto und Reifen habe ich zusammen in der Werkstatt gekauft", meint der junge Mann. Er liebe sportliche Autos, habe aber mit Tuning "nichts am Hut". Entwarnung: Ein kurzer Check am Computer, die Reifen sind für den Wagen zugelassen.
Anders sieht es für einen 20-Jährigen aus dem Main-Tauber-Kreis aus. Die Heckscheibe des gleichaltrigen VW Golfs ziert ein ironischer Strichlisten-Aufkleber: Sieben Mal schon wurde er von der Polizei kontrolliert. Jetzt wird wohl ein neuer Strich hinzukommen. An der Autobatterie fehlt eine Pol-Abdeckung. "Er muss das nachrüsten, zu einer Dienststelle kommen und die Abdeckung zeigen", erklärt Polizeimeisterin Sina Daum.
Bundesweit hätten in den vergangenen Jahren "Sicherheits- und Ordnungsstörungen von jungen Erwachsenen mit offensichtlich technisch veränderten Kraftfahrzeugen" zugenommen, sagt Einsatzleiter Stephan Baumgärtner. Beschwerden gebe es vor allem über Ruhestörungen durch Fahrzeuge. Aufheulende Motoren, quietschende Reifen - um jeden Preis wollen die Poser auffallen. Baumgärtner verweist auf die Straßenverkehrsordnung (StVO): Unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen sind verboten. Gefährliche Rennen sowieso.
Erfahrung bei der Kontrolle: Veränderte Bauteile zu erkennen wird schwieriger
Bei Kontrollen in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) eine Woche zuvor war sechs Mal ein Verwarnungsgeld fällig geworden. "Unser Ziel war es, Präsenz zu zeigen", sagt Baumgärtner. Begeistert sei keiner, die Kontrollierten würden die Aktion aber akzeptieren - "vor allem dann, wenn sie fachlich gut begründet sind". Dafür brauche es Beamte, die sich auskennen, sagt der Einsatzleiter: "Wir haben Kollegen, die solche Kontrollen schon seit 30 Jahren machen. Die wissen, nach was sie schauen müssen." Früher sei es einfacher gewesen, modifizierte Bauteile zu identifizieren, berichtet einer von ihnen. Inzwischen werde mit Hilfe von Chip-Tuning die Elektronik für mehr Leistung verändert. Das könne man nicht immer erkennen.
Der Einsatz an diesem Abend ist für die 20 Kolleginnen und Kollegen der Dienststellen in Schweinfurt, Aschaffenburg, Hammelburg und Miltenberg deshalb auch eine Schulung und ein Praxistest.
Uneinsichtig zeigt sich der Fahrer eines Jeeps. Er kommt mit seiner Freundin gerade aus dem Urlaub, zehn Kilometer noch Richtung Miltenberg bis zu Hause. Dem "Fahrzeugfänger" waren die verdunkelten Seitenscheiben aufgefallen. Und die Optik: schwarzer Lack, schwarze Felgen, schwarz getönte Scheinwerfer.
Erlaubt sind die verkleideten Scheiben nicht, dadurch würden sich die Splittereigenschaft des Glases verändern, sagt Polizeihauptkommissar Steffen Wiesner. Und die Betriebserlaubnis des Wagens ist erloschen - macht 120 Euro, zahlbar vor Ort. Weil der Fahrer die Folie gleich abkratzt, darf er heim fahren. Er wird den Range Rover beim TÜV vorführen und bei der Zulassungsstelle vorstellig werden müssen.
Für einen Pick-Up aus Main-Spessart ist die Fahrt beendet. Er wird am späteren Abend von einem Abschleppdienst abgeholt, weil der Auspuff zehn Dezibel lauter ist als gestattet. "Absolut verkehrsunsicherer Zustand" sagen die Polizisten zur manipulierten Auspuffanlage. Weiterfahrt nicht gestattet.
Professionelles Tuning vom Fachmann in der Werkstatt
Dass Tuning nicht gleich Tuning ist, zeigt Gerald Müller. Der Gemündener betreibt in Hafenlohr eine Autowerkstatt. Mit dem, was Hobby-Schrauber mit ihren Fahrzeugen machen, hat sein Job nicht viel zu tun. "Es werden oft falsche Teile verwendet", sagt der Kfz-Meister. Im schlimmsten Fall würden sie dann nicht mehr fahren.
"Meine Kunden haben genaue Vorstellungen davon, welchen Drehmoment und welche Leistung ihr Auto haben soll", sagt Müller. Soll es beim Bremsen hinten oder vorne ausbrechen, stimme er die Komponenten des Fahrzeugs aufeinander ab. Der Gemündener begeistert sich für alte Audis und hat für fast alle Modelle die meisten Teile auf Lager. Viele gibt es nicht mehr oder Fachhändler und Hersteller verlangen viel Geld dafür. Auch die Liebhaber-Autos selbst seien Spekulationsgut und die Preise in den vergangenen Jahren extrem gestiegen.
Seinen Ur-Quattro, Baujahr 1980 und eines der allerersten Sportcoupé-Serienfahrzeuge, hat er sich noch während seiner Lehre zum Kfz-Mechaniker geleistet. Ein Unfallwagen - hergerichtet und bis heute gepflegt. Vor vier Jahre habe man ihm dafür Jahren schon 70.000 Euro geboten, sagt Müller. Verkaufen werde er ihn trotzdem nicht.
Tuning nur für Kunden, die mit mehr Leistung umgehen können
Als Meister seines Fachs hat Müller inzwischen Kunden in ganz Deutschland und darüber hinaus. Gerade überholt er einen Audi RS2 aus den 1990er Jahren, von dem nur knapp 2900 Stück gebaut wurden. Wert: bis zu 100.000 Euro. Von außen sieht das Auto aus wie ein Familienkombi. Doch er war schon "serienmäßig getunt": mit Motor und Bremsen von Porsche.
Das mehrfach aufgerüstete Fahrzeug steht regelmäßig bei ihm in der Garage, gerade wird es wieder generalüberholt. "Die meisten meiner Kunden bringen ihre Autos einmal im Jahr zum Check", sagt Müller. Und meistens soll er dann etwas Neues einbauen.
Realisiert werde bei ihm nur, was auch legal ist. Von optischem Tuning mit Heckspoilern, Zierleisten aus Chrom oder rosafarbenen Felgen hält Müller nichts: "Das ist nicht vergleichbar mit unserer Welt." Mit der Poser-Szene hätten er und seine Kunden nichts gemein. "Ich würde niemals ein Fahrzeug für einen Fahranfänger umrüsten", sagt der KfZ-Meister. Und wenn er einem Wagen 400 PS oder mehr verpasse, lasse er sich mittels eines Fahrtrainings-Zertifikats nachweisen, dass der Kunde damit umgehen könne.
Ergebnis der Polizeikontrollen der Tuning- und Poserszene in Main-Spessart
Und die Bilanz der Polizei bei den zwei Aktionen in Kreuzwertheim und Marktheidenfeld? Insgesamt 103 kontrollierte Autos, augenscheinlich der Tuning- und Poser-Szene zuzuordnen. Bei 20 Fahrzeugen war durch technische Veränderungen die Betriebserlaubnis erloschen. Zwei, die in absolut verkehrsunsicherem Zustand waren, wurden abgeschleppt. Sechs Fahrzeugführer mussten ein Verwarnungsgeld zahlen.