Im städtischen Fischerhaus am Kirchplatz tut sich etwas. Plastikplanen hängen herum, Bilder sind zu sehen, Farben und mehrere Staffeleien. Dort hat Iryna Shumeiko ein Atelier eingerichtet. Die ukrainische Malerin ist vor dem Krieg in ihrem Heimatland im März 2022 nach Deutschland geflohen.
Unser Medienhaus hat mit der 31-Jährigen gesprochen. Beim Interview hat Christa Schleicher gedolmetscht, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Spessartmuseum tätig ist, wo Shumeiko ein Praktikum absolviert hat. Shumeiko lernt derzeit an der Volkshochschule Deutsch: fünf Tage die Woche jeweils vier Stunden von 9 bis 13 Uhr.
Die Künstlerin lernt gerade Deutsch
Deutsch versteht sie bereits recht gut, sie hat aber noch Hemmungen, es zu sprechen. Sie findet die deutsche Sprache schön und interessant und ist froh, dass sie werktags jeweils vier Stunden dafür Zeit hat. Zur Kraftanstrengung, sich eine fremde Sprache ins Gehirn zu pauken, meint sie, das hänge auch "davon ab, wie motiviert man an die Sache herangeht".
Geboren ist Shumeiko in einer kleinen Stadt, gelebt und gearbeitet hat sie in der Hauptstadt Kiew. Schon als Kind habe sie sich fürs Malen interessiert und mit zwölf Jahren privaten Malunterricht genommen. Ihre Eltern, die nicht künstlerisch tätig gewesen seien, hätten ihre Wahl akzeptiert und sie unterstützt, wofür sie ihnen sehr dankbar sei.
Mit 14 Jahren besuchte sie neben der Schule einmal in der Woche eine Kunstschule. Ein Studium an der Nationalen Akademie der Bildenden Künste und Architektur in Kiew folgte, das sie nach sechs Jahren mit dem Master abschloss. Vier Einzelausstellungen in Kiew und weitere Ausstellungen mit anderen Künstlern hat sie bislang mit ihren Werken bestückt.
Bilder für eine Ausstellung in den USA kamen nicht mehr zurück
Diese waren auch in anderen Städten der Ukraine, in Tschechien und der Slowakei zu sehen. Für eine Ausstellung in den USA schickte sie Bilder nach Amerika, "diese sind aber nicht mehr zurückgekommen". Nach dem Studium habe sie erst lernen müssen, "mit der Kunst auch Geld zu verdienen". Das habe ihr Mann Artem ihr beigebracht. Ihn musste sie in der Ukraine zurücklassen, weil er als Wehrpflichtiger gegen die russischen Invasoren kämpft.
"Farben sind meine größte Inspiration", sagt Shumeiko auf die Frage nach ihrem Stil und ihren Vorbildern. Picasso beeindrucke sie sehr, weil er mit heftigen Farben arbeite. Es gebe keinen Künstler, von dem sie sage, so wie er wolle sie sein. Aber Maler wie da Vinci, der Brite John Everett Millais ("Das blinde Mädchen") und die Impressionisten berührten sie emotional.
Neben Picasso ist auch Christo für sie Inspiration
Das gelte allerdings auch für Höhlenmalereien und die Installationen von Christo, vor allem die "Floating Piers" im oberitalienischen Iseosee. Sie lasse sich von mutigen Künstlern inspirieren, "die ihr eigenes Ding machen". Sie selbst arbeite mit verschiedenen Stilen: "Ich habe noch nicht meinen Stil gefunden, an dem mich in Zukunft jeder erkennt." Vielleicht werde sie diesen Stil auch nie finden. Sie hoffe, dass es den Betrachtern mit ihren Bildern nicht langweilig werde.
Sie fange nach der Flucht gerade erst wieder mit dem Malen an und habe noch nicht so viel produziert. Beim vor einem Jahr entstandenen Bild "Brothers in Arms" gehe es etwa um die Emotionen zum Krieg in ihrem Heimatland, die sie auf die Leinwand bringen wollte.
Motive findet sie beim Spaziergang
Bei Landschaften gehe es ihr um die schöne Szene und die Atmosphäre, die sie mit Dingen ergänze, die ihr beim Betrachten gerade durch den Kopf gingen. Ihre Bildmotive finde sie beim Spazieren gehen durch die Stadt und durch die Landschaft. Dabei denke sie über die Bildkomposition und die Farben nach.
Nicht immer hat sie ein Skizzenbuch dabei. "Bei anderen Bildern male ich einfach intuitiv darauf los oder fange ein Bild an und lasse es nach und nach wachsen." Sie experimentiere gerne mit neuen Motiven und Zusammenstellungen. So sei sie bereits in ihrem Atelier in Kiew vorgegangen.
Zum Fischerhaus ist sie bei ihrer Suche nach einem Atelier gekommen. "Im letzten Sommer wollte ich wieder malen. Ich bin durch die Stadt gegangen und habe die vielen Leerstände bemerkt." Nach einer Anfrage bei der Stadt sei Ende April/Anfang Mai das Citymanagement mit einer Idee auf sie zugekommen.
Die Künstlerin bemalt ein Piano, das öffentlich aufgestellt werden soll
Sie solle ein Piano bemalen, das voraussichtlich im Juli öffentlich aufgestellt werde, damit jeder darauf spielen könne. Dafür sei ihr das Fischerhaus zur Verfügung gestellt worden. Beim Projekt helfen Shumeiko ihre Freundin Yulia Petrova und der Tunesier Adnen Santi. Die Plastikplanen im Fischerhaus dienen als Staubschutz, denn zunächst muss das Piano abgeschliffen werden.
Nach Angaben von Rathaussprecher Dieter Daus handelt es sich um einen Teil des Kunstprojekts "Play me, I’m yours" des britischen Künstler Luke Jerram. An diese Bewegung hätten sich bereits viele Städte auf der ganzen Welt angeschlossen. Das Klavier werde abends abgeschlossen beziehungsweise abgedeckt, um Lärmbelästigungen für die Anwohner zu vermeiden, versicherte Daus. Nach seinen Angaben ist das Klavier eine Spende, Kosten seien der Stadt keine entstanden. Weil Iryna Shumeiko ehrenamtlich mitwirke, falle für das Fischerhaus keine Miete an. Die Nutzung des Fischerhauses sei aber an das Projekt gekoppelt. Wenn das Klavier Ende Juni/Anfang Juli fertig sei, werde Shumeiko das Fischerhaus nicht weiter nutzen.
Ihre Zukunft sieht die Künstlerin positiv. Sie hoffe, in ihre Heimat zurückkehren zu können, wenn es dort wieder sicher sei, um wieder mit ihrem Mann und ihrer Familie vereint zu sein. Wie auch immer es weitergehe, sie werde sich immer der Kunst widmen.
Eventuell bei "Kunst im Turm"
Sie sei dankbar für die vielen Chancen, die sie und andere Geflüchtete in Deutschland bekommen hätten und noch bekämen, und froh, einiges mitnehmen zu können – etwa die deutsche Sprache. Bevor es soweit ist, könnte auch in Lohr noch eine Ausstellung anstehen: In der Reihe "Kunst im Turm" des Spessartmuseums, wie Christa Schleicher andeutete.