Seit Jahren gibt es in der Lohrer Stadtpolitik die Forderung, dass die Stadt nicht benötigte Gebäude verkaufen solle, um Kosten zu senken und an Geld zu kommen. So manche Immobilie hat seither neue Eigentümer gefunden, etwa das ehemalige Kindergartenareal in Sendelbach, die alte Schule in Steinbach oder das Grundstück der ehemaligen Salzgrotte in der Vorstadt. Nun zeichnet sich für weitere städtische Immobilien eine Perspektive ab. Sie besteht zumeist aus dem Verkauf. Bei einem Gebäude jedoch rückt die Stadt von ehemals beschlossenen Verkaufsplänen wieder ab.
Dabei geht es um das Fischerhaus direkt gegenüber der Stadtpfarrkirche St. Michael. 2009 hatte die Stadt das ehemalige Möbelhaus gekauft. Hintergedanke war, die im Stadtentwicklungskonzept enthaltene Idee zu verwirklichen, in dem Gebäude ein Bildungszentrum zu schaffen. In ihm sollten Volkshochschule sowie Sing- und Musikschule eine Bleibe finden. Doch dann geschah über Jahre nichts, auch weil der Stadt das Geld fehlte.
Deshalb beschloss der Stadtrat 2017, das Fischerhaus wieder zu verkaufen. Doch dieser Beschluss ist hinfällig. Wie Bürgermeister Mario Paul auf Anfrage der Redaktion erklärt, hat der Stadtrat mittlerweile in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, dass die Stadt das Fischerhaus behält. Die alte Planung, wonach es zu einem städtischen Bildungszentrum umgebaut werden soll, ist wieder aktuell.
Paul erklärt Kurswechsel
Die Rolle rückwärts erklärt Paul mit dem Einkassieren einer anderen Idee. Sie bestand darin, die ebenfalls am Kirchplatz gelegene und im Besitz der Stadt befindliche ehemalige Kaplanei zum Sing- und Musikschul-Domizil umzubauen. Doch in dem denkmalgeschützten Fachwerkhaus, in dem früher einmal die Stadtbibliothek untergebracht war, sei kaum eine sinnvolle Raumstruktur hinzubekommen, sagt Paul. Ganz zu schweigen vom Erfüllen der Vorgaben des Brandschutzes.
Daher hat der Stadtrat entschieden, statt des Fischerhauses die ehemalige Kaplanei zu verkaufen. Bei anderen, ebenfalls verkauften Fachwerkhäusern am Kirchplatz habe sich gezeigt, dass es für solche Objekte Liebhaber gebe, die sie zu Wohnraum umbauen, sagt Paul.
Gute Bausubstanz
Die Stadt selbst hat nun wieder das Fischerhaus im Blick. Es sei von der Bausubstanz her gut und mit einem Aufzug barrierefrei, sagt Paul. Die nicht mehr zeitgemäße Haustechnik müsse komplett erneuert werden. Auch eine energetische Sanierung sei fällig. Die großen Räume des ehemaligen Möbelhauses ließen sich danach im Trockenbau sehr gut zu modernen Unterrichtsräumen umbauen, ist Paul überzeugt. Die Kosten für all das seien derzeit nicht seriös zu beziffern, so der Bürgermeister. Man könne jedoch sicher von einem Eigenanteil der Stadt in Millionenhöhe ausgehen – trotz zu erwartender staatlicher Förderung in Höhe von fast zwei Dritteln der Kosten.
Weil die Sache nicht billig und die Stadt in Geldnot ist, wird der Umbau des Fischerhauses aller Wahrscheinlichkeit nach noch einige Zeit auf sich warten lassen. Paul bedauert das, verweist jedoch auf dringlichere Großprojekte wie die Erweiterung des Kindergartens Seeweg oder die Sanierung der Grundschule Sendelbach.
Musikschule Perspektive geben
Paul sieht aber auch Gründe dafür, das Projekt Fischerhaus nicht ewig aufzuschieben: Zum einen habe die Sing- und Musikschule nach jahrelangem Sparkurs und mit teils nicht mehr zeitgemäßen Unterrichtsräumen "eine Perspektive verdient". Zum anderen sei der Raumbedarf der Volkshochschule zuletzt auch wegen vieler Sprachkurse deutlich gestiegen, so Paul. Das Anmieten von Räumen sei kostenträchtig und nicht immer einfach. Neue Unterrichtsräume im Fischerhaus könnten dieses Problem lösen, so Paul.
Das jetzige Domizil am Kirchplatz 9 soll jedoch auch weiterhin von Vhs und Sing-und Musikschule genutzt werden. Eine neue Bleibe muss laut Paul aber wohl für die Sammlung des Schulmuseums gefunden werden, die aktuell im Fischerhaus untergebracht ist.
Eine Veränderung plant die Stadt auch beim ehemaligen Postgebäude an der Ludwigstraße. Die dort angesiedelte Vhs-Verwaltung soll laut Paul noch im ersten Halbjahr 2023 ins neue Rathaus umziehen. Dort steht eine größere Umstrukturierung der Räume an, die im Erdgeschoss Raum für das Personal schaffen soll.
Das so frei werdende ehemalige Postareal soll gemäß Stadtratsbeschluss verkauft werden, womöglich 2024. Vorher müsste die Stadt laut Paul mit einem potenziellen Investor die künftige Nutzung klären. Es gehe für die Stadt darum, "nicht auf den schnellen Euro zu schielen, sondern einen langfristigen Nutzen für die Stadt zu erreichen", sagt Paul. Denkbar sei eine Kombination aus Wohnen und Gewerbe ebenso wie ein Ärztehaus.
Paul: Kein Wettrennen um Ärzte
Diesbezüglich stehe er in engem Austausch mit den Verantwortlichen des Klinikums Main-Spessart, sagt Paul. Denn auch das will im Umfeld der auf dem BKH-Gelände geplanten Zentralklinik ein Ärztehaus ansiedeln.
Einen Wettlauf zwischen der Stadt und dem Klinikum um die Belegung der verschiedenen Ärztehäuser soll es laut Paul jedoch nicht geben. Ziel sei es vielmehr, dass sich in einem Ärztehaus am künftigen Klinikum Fachärzte mit engem Bezug zur Klinik ansiedeln. Das womöglich auf dem ehemaligen Postareal entstehende Ärztehaus hingegen könne die hausärztliche Versorgung in Lohr stärken und Platz für Fachärzte bieten, die keinen so engen Bezug zum Klinikum benötigten, so Pauls Überlegungen.
Es zeichneten sich durch die Altersstruktur in der Lohrer Ärzteschaft für die nächsten Jahre große Veränderungen ab, so der Bürgermeister. Ärztehäuser könnten niederlassungswilligen Ärzten die Entscheidung erleichtern, sich in Lohr niederzulassen, hofft er.