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MAIN-SPESSART
Für Touristiker wäre Nationalpark „Adelung des Spessarts“
Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 27.04.2023 02:37 Uhr

Seitdem die Staatsregierung verkündet hat, einen dritten Nationalpark im Freistaat schaffen zu wollen, werden dem Spessart gute Chancen zugeschrieben. Eine Branche, die von einem Nationalpark profitieren würde, ist der Tourismus. Michael Seiterle, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Spessart-Mainland, schildert im Gespräch, welcher Wirtschaftsfaktor der Tourismus im Spessart heute ist und wie er sich mit einem Nationalpark entwickeln könnte.

Frage: Herr Seiterle, als Touristiker müssten sie bei der Aussicht auf einen Nationalpark im Spessart frohlocken, oder?

Seiterle: Ich glaube tatsächlich, dass ein Nationalpark im Spessart eine Chance für die gesamte Region bedeuten könnte. Es wäre eine Adelung des Spessarts und seiner Natur. Nicht jede Region ist es wert, als Nationalpark gehandelt zu werden. Damit wäre ein Imagegewinn verbunden, sicher auch eine Steigerung der touristischen Nachfrage. Es wäre mit mehr Übernachtungen zu rechnen, vor allem mit mehr Tagesgästen gerade aus dem Rhein-Main-Gebiet.

Spessart liegt unter den top drei der fränkischen Tourismusregionen

Wie ist es aktuell um den Spessart als Reiseziel bestellt?

Seiterle: Die Nachfrage nach Spessarturlaub stieg zuletzt kontinuierlich. Wir hatten im Jahr 2015 rund 800 000 Gästeankünfte und 2,2 Millionen Übernachtungen. Das ist im zweiten Jahr hintereinander ein Allzeithoch. Wir sind mit diesen Zahlen unter den top Drei der 16 fränkischen Tourismusgebiete. Der Spessart ist ein durchaus begehrtes Reiseziel.

Würde die touristische Infrastruktur dann überhaupt noch mehr Besucher vertragen?

Seiterle: Ja. Die Auslastungsgrenze ist noch nicht erreicht. Wenn durch einen Nationalpark die Nachfrage steigen sollte, würden in Hotellerie, Gastronomie oder auch im Dienstleistungsbereich sicher neue Angebote entstehen.

Bisher wird der Tourismus im Spessart kaum als Wirtschaftsfaktor wahrgenommen. Zu Recht?

Seiterle: Man kann die Zahl der im Tourismus beschäftigten Menschen nur schwer beziffern, da man nicht nur die Mitarbeiter in Hotels und Gaststätten zählen darf. Vom Tourismus profitieren viele Sparten, beispielsweise Museen, Fahrradläden, auch der Einzelhandel. Es gibt volkswirtschaftliche Untersuchungen, die besagen, dass der Tourismus im Spessart aktuell etwa 12 700 Vollarbeitsplätze sichert. Wir haben zwischen 400 und 500 Hotels. Dazu kommen noch rund 500 kleinere Betriebe, beispielsweise Ferienwohnungen.

Wie ist die Rückmeldung von diesen Betrieben, aber auch von Gemeinden im Spessart zum Thema Nationalpark?

Seiterle: Die Touristiker, mit denen ich bisher gesprochen habe, sind der Meinung, dass ein Nationalpark eine Chance für den Tourismus im Spessart bedeuten könnte. Allerdings gibt es natürlich auch noch andere   Verbände und Gruppierungen im Spessart mit berechtigten Interessen, die bei einer Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müssen. Der Tourismus ist da ja nicht das Maß aller Dinge. Die derzeitige Faktenlage ist aber einfach noch zu dünn, um im Detail diskutieren zu können. Wir wissen ja noch nicht mal, wie groß ein Nationalpark im Spessart sein und wo er liegen würde.

Inwiefern müsste sich die Tourismusbranche im Spessart mit einem Nationalpark neu aufstellen?

Seiterle: Ein Nationalpark würde schon durch sich alleine eine Aufwertung der touristischen Infrastruktur mit sich bringen. Es würde ein Infozentrum entstehen, daneben ein umfangreiches Angebot an Führungen, auch Lehr- und Erlebnispfade. Welche zusätzlichen Investitionen von der Privatwirtschaft kommen könnten, hängt von der Nachfrage ab. Es ist davon auszugehen, dass ein Mehr an Touristen auch neue Angebote entstehen lassen würde. Ob darunter zwangsläufig ein Freizeitpark, eine Sommerrodelbahn oder ein Baumwipfelpfad wären, kann ich nicht beurteilen.

Im Spessart tummeln sich Wanderer, Mountainbiker, Nordic Walker, auch Wellnessfreunde. Spielt auch der Naturtourismus im eigentlichen Sinne aktuell eine Rolle, kommen Besucher gezielt wegen alter Buchen- und Eichenwälder?

Seiterle: Die wichtigste touristische Aktivität im Spessart ist das Wandern. Mit dem Wandern ist der Naturgenuss sicher eng verwoben. Niemand will auf einer Asphaltpiste wandern. Es gibt aber auch eine nennenswerte Nachfrage nach gezielter Auseinandersetzung mit der Natur. Das erkennt man am Jahresprogramm des Naturparks Spessart. Es bietet hunderte Natur- und Landschaftsführungen. Das zeigt, dass auch bei Auswärtigen Interesse besteht, die Natur zu erleben und mehr über sie zu erfahren. Dieses Programm zum Naturerlebnis Wald könnte man mit einem Nationalpark weiter ausbauen.

Viele Besucher aus Nordrhein-Westfalen, 14 Prozent aus dem Ausland Wo kommt der klassische Spessarttourist her, wie lange bleibt er?

Seiterle: Die Aufenthaltsdauer pro Besucher liegt im Schnitt bei 2,8 Tagen. Die Herkunft wird statistisch zwar nicht erfasst. Aber wir werten die rund 10 000 Bestellungen von Broschüren aus, die bei uns pro Jahr eingehen. Da gibt es zwei Schwerpunkte. Der eine ist Nordrhein-Westfalen. Besucher von dort bleiben schon mal ein bisschen länger. Den andere Schwerpunkt bilden Bayern und Hessen. von wo eher Tages- oder Wochenendtouristen kommen. 14 Prozent aller Gäste kommen aus dem Ausland, ein Drittel davon aus den Niederlanden. Wir haben aber auch Gäste beispielsweise aus den USA.

Gibt es Hinweise, dass ein Nationalpark an dieser Verteilung etwas ändern würde?

Seiterle: Ich vermute, dass die Zusammensetzung ähnlich bleiben, das Volumen jedoch spürbar steigen würde.

Tourismusverband will Fakten aus München abwarten

Wie wollen Sie als Tourismusverband die Nationalparkdiskussion in den kommenden Monaten begleiten?

Seiterle: Die Strategie ist eine vorsichtige und sachliche. Bevor nicht aus München weitere Informationen zu Größe, Lage und allen anderen Umstände vorliegen, kann man sich sachlich kaum damit auseinandersetzen. Der Vorstand von Spessart-Mainland wird sich dann, sobald Fakten auf dem Tisch liegen, beraten und Position beziehen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich als Touristiker aber sagen, dass ich auf jeden Fall eher für als gegen einen Nationalpark bin. Alle Touristiker, mit denen ich bisher gesprochen habe, sehen das auch so.

Sehen Sie auch Nachteile, die ein Nationalpark für den Tourismus im Spessart mit sich bringen könnte?

Seiterle: Der einzige Nachteil, den ich mir aus touristischer Sicht denken könnte, wäre, dass ein Nationalpark vielleicht Einfluss auf dem Verlauf etablierter Fernwanderwege nehmen würde. Darüber müsste und kann man aber auch erst beraten, wenn man weiß, wo ein Nationalpark hinkommen könnte.

Dauert es Ihnen zu lange, bis diese Informationen aus München auf den Tisch kommen?

Seiterle: Der Prozess wird ja wohl mehrere Jahre dauern. Ich glaube deswegen, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf einen Monat mehr oder weniger ankommt.

Wenn die Entscheidung für den Spessart fiele, was wären dann seitens des Tourismusverbandes die ersten Schritte?

Seiterle: Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Fall eingebunden würden in die Planung und Konzeption, dass wir uns einbringen könnten in die Entwicklung. Sicher würden wir uns dann auch selbst, mit den Touristikern vor Ort und mit Partnern wie dem Naturpark Spessart Konzepte der Vermarktung überlegen. Das kann man nicht erst machen, wenn ein Nationalpark schon da ist.

Tourismusregion Spessart-Mainland

Sie haben den Urlaub, wir haben die Landschaft – mit diesem Spruch wirbt der Tourismusverband Spessart-Mainland für Urlaub im Spessart. Darin zusammengeschlossen haben sich die Landkreise Main-Spessart, Miltenberg und Aschaffenburg sowie die Stadt Aschaffenburg. Mit im Boot sitzt daneben der hessische Landkreis Main-Kinzig. Insgesamt zählt der Verband 67 Mitgliedsgemeinden aus dem gesamten Spessart. Vorsitzender ist Jens Marco Scherf, Landrat in Miltenberg. Geschäftsführer ist seit 2005 der Volkswirt Michael Seiterle (39).

Der Tourismusverband Spessart-Mainland hat zwei angestellte Mitarbeiter. Er ist Mitglied im Tourismusverband Franken, der 16 fränkische Tourismusregionen vereint.

Ziel des Verbandes ist die Verbesserung des touristischen Bekanntheitsgrades der Region sowie die Vermarktung des touristischen Angebotes. Dies erreicht er durch den Besuch von rund zehn Touristikmessen pro Jahr, durch Anzeigen und Pressearbeit, daneben durch so genanntes Themenmarketing, also das gezielte Bewerben von Bereichen wie Wandern, Radfahren, Kulinarik oder Wellness. Das Zuständigkeitsgebiet des Tourismusverbandes ist nahezu deckungsgleich mit dem geografischen Grenzen des Spessarts. Es reicht von Steinau im Norden bis Miltenberg und Wertheim im Süden, von Aschaffenburg im Westen bis Gemünden und Burgsinn im Osten. Infos im Netz unter www.spessart-mainland.de

Natur, Wanderwege, Radeln, Kulinarik, Wellness: Der Spessart lockt alljährlich eine beachtliche Zahl an Touristen an. Beim Tourismusverband Spessart-Mainland geht man davon aus, dass ein Nationalpark die Zugkraft der Region noch steigern würde. Das Bild zeigt eine Wanderwegmarkierung am Bischborner Hof im Hochspessart.
Foto: Johannes Ungemach | Natur, Wanderwege, Radeln, Kulinarik, Wellness: Der Spessart lockt alljährlich eine beachtliche Zahl an Touristen an.
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Foto: Johannes Ungemach | Michael Seiterle
 
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