Nach fast zwei Jahren coronabedingter Zwangspause konnte der Moderator des Fränkischen Kabarettpreises Oti Schmelzer in der nicht ganz voll besetzten Arnsteiner Stadthalle unter dem Jubel des Publikums verkünden: "Wir sind wieder da! Aber ich sag's euch, es war eine scheiß Zeit!"
Das Endergebnis war beeindruckend: So gute Noten hat es bislang noch nie gegeben, obgleich das Votum für den Sieger Martin Schmitt doch eindeutig ausfiel. Er trat nur gegen Stefanie Kerker an. Zum ersten Mal sagte mit Alex Döhring ein Kandidat krankheitsbedingt ab.
Energy-Drink für das Publikum des Fränkischen Kabarettpreises
Der Münchner Martin Schmitt schaltete vom Start weg zu einem fulminanten Höhenflug. Musikalisch perfekt auf dem elektronischen Klavier, mit rasanten und doch eingängigen Tonfolgen bot er eine beschwingte und be-swingte Variation zu den sonst sachlichen Ansagen im Flugzeug vor dem Abflug.
In Ermangelung von Fallschirmen gab es für die Passagiere je eine Dose des Energydrinks, der bekanntlich Flügel verleiht. Schmitt begeisterte sein Publikum mit einer frischen Mischung aus Comedy-Elementen und feinen kritischen Hintergedanken. "Das Leben läuft in die falsche Richtung", deshalb wäre "rückwärts leben" die bessere Variante; Erst sterben, dann hat man das Schlimmste schon hinter sich. Wenn man am anderen Ende wieder auf Gehhilfen, Brei und Windeln angewiesen ist, ist eh schon alles wie gehabt.
Martin Schmitt nahm sprachliche Missverständnisse aufs Korn
Geblödel mit Tiefsinn und Charme bot der Münchner auch mit seinen musikalischen Betrachtung über den Neid, der von einem Besitz ergreift und schließlich gnadenlos auffrisst. Köstlich auch die sprachlichen Missverständnisse zwischen Franken und Oberbayern und die spritzigen Wortspiele bezüglich der Opfer des Testosterons - Männer in der Midlifecrisis.
Die Krönung des 40-minütigen Programms war der kreativ interpretierte Sprachfehler von Schmitts ehemaligem Lehrer und "Sechs Bömb" (Sex-Bomb), eine liebevolle Verspottung der sächsischen Mundart. Das Publikum klatschte stürmisch Beifall.
Demografische Entwicklung: deutsche Wertarbeit und junges Gemüse
Eine hervorragende Vorstellung gab auch Stefanie Kerker, die "Familienmutter" aus Heilbronn mit Beiträgen aus ihrem Programm "Lizenz zum Trödeln". Die demografische Entwicklung liege ihr sehr am Herzen. In einem frechen Song machte sie einen schönen Mann an, mit dem sie etwas "im Sinne der Demografie tun müsse". Schließlich gelte es, mit Kindern aus deutscher Wertarbeit der gelben Invasion aus Asien entgegenzutreten.
Problematisch wird es, wann man Nachwuchs zeugt, so Kerker. Er steht in den ersten 50 Lebensjahren der beruflichen Karriere und dem Lifestyle im Weg. Kinder kann man auch im Alter bekommen: Dafür gibt es das Bofrost-Angebot "Junges Gemüse". Wer mit 60 einen Kinderwagen schiebt, spart sich den Rollator.
Mit pfiffigem Humor und bitterer Ironie den Problemen der Gesellschaft entgegen
Probleme der Gesellschaft, wie Lifestyle und nachhaltiges Leben, nahm Kerker mit pfiffigem Humor, teilweise auch mit bitterer Ironie aufs Korn. "Buddha bei die Fische": Die Figur muss als Nachttischlampe oder Aschenbecher herhalten. Sie stellte kaum lösbare Umweltfragen: Darf man einen gebrauchten Pulli ohne Ökosiegel tragen? Wie knutscht man nachhaltig?
Selbstkritik gab es bei Kerker auch: "Mein Leben ist immer da, wo ich nicht bin. Ich will immer das, was ich gerade nicht habe." Die Kabarettistin bot beeindruckende, freche Lieder mit gekonnter musikalischer Begleitung am Akkordeon, der Miniklasse, und zuletzt ein ganz besonderes Eigen-Duett: Blockflöte mit Cello, mit den Füßen gespielt auf dem Keyboard.
Moderator Oti Schmelzer war von der Leine gelassen
Nach zwei Corona-Jahren wie von der Leine gelassen, zeigte sich Moderator Oti Schmelzer, der das Publikum nicht nur aufwärmte, sondern mit seinem Geblödel begeisterte; dazwischen immer wieder seine bekannten phänomenalen Schnellsprechsätze.
Nachdem der Fränkische Kabarettpreis wegen der Pandemie nach der ersten Vorrunde im März 2020 abgebrochen werden musste, wurde der Wettbewerb an dieser Stelle wieder aufgenommen. Alle Künstler, die für die zweite und dritte Vorrunde nominiert waren, wurden für dieses Jahr erneut eingeladen.
Da der erste Finalist Bernard Paschke 2020 für das damalige Finale gewählt wurde, wird er 2022 als erster das Finale bestreiten. Die dritte Vorrunde wird am 14. September in der Arnsteiner Stadthalle mit Jonas Greiner, Harald Pomper und Jakob Friedrich sein. Das Finale findet am 22. Oktober statt.