Was morgen ist? Das Gleiche wie heute. Und in ein paar Wochen? Muchamed Ramadan, 51, zuckt mit den Schultern, traurig. Wird er dann seine Frau und seine zwei Töchter wieder sehen? Mit ihnen sprechen können? Er zuckt wieder mit den Schultern, noch trauriger. Am 1. August begann der syrische Bürgerkrieg in seiner Heimatstadt, Deir Ez-zord, einer 300 000-Einwohner-Stadt im Osten des Landes. Fast auf den Tag genau vier Jahre später kam Muchamed Ramadan in Arnstein an. Er ist einer der 204 Flüchtlinge, die seit dem 29. Juli im ehemaligen Brauerinternat untergebracht sind.
Er arbeitete in Syrien als Internist im Krankenhaus, hatte drei Praxen. „Alles zerbombt, nichts ist mehr da,“ sagt er in gebrochenem Deutsch. Seine Frau und seine Kinder sind noch in Syrien, die gefährliche Flucht über das Mittelmeer hätten sie wahrscheinlich nicht überlebt. Ramadan hofft, dass er sie bald nach Deutschland holen kann – doch der Weg dahin ist noch lang.
Denn wie die anderen über 200 Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien hat er bislang hier noch nicht mehr als eine Registrierungsnummer. Weil die Erstaufnahmeeinrichtungen überfüllt sind, müssen die Landkreise nach und nach Notunterkünfte einrichten. Dort warten die Menschen darauf, einen Asylantrag stellen zu dürfen. Seit zwei Wochen gibt es eine solche Notunterkunft auch im Landkreis Main-Spessart. Seitdem packen in Arnstein viele Hände mit an, um den Flüchtlingen das Ankommen in Deutschland zu erleichtern – aber nicht alle Arnsteiner sind glücklich über die neuen Nachbarn.
Für Nenad Kunst waren die letzten Wochen anstrengend: „Wir mussten hier alles auf Vordermann bringen und uns jetzt zusammen mit dem Helfern und dem Landratsamt um die Organisation kümmern“, sagt der Hausverwalter. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen: Er spricht mit der Sicherheitsfirma, die immer mit neun Mann vor Ort ist, steht im ständigen Kontakt zum Helferkreis, zur Caritas und zum Landratsamt.
„Es war am Anfang schwierig, hier eine gescheite Infrastruktur zusammen zu bekommen. Alles musste so schnell gehen.“
Mittlerweile ist er zufrieden damit, wie die Dinge in der Notunterkunft laufen. „Wir haben einen Caterer, der kooperativ ist und beispielsweise das Schweinefleisch weglässt, weil es viele Moslems hier gibt. Die Flüchtlinge halten ihre Zimmer ordentlich und hier ist eigentlich alles friedlich“, sagt er. Streitereien gäbe es kaum unter den Bewohnern.
„Binnen kürzester Zeit haben wir 112 Leute gewinnen können, die mit anpacken“, sagt Cornelia Fuchs vom Helferkreis Arnstein nicht ohne Stolz. Zusammen mit Diakon Artur Eisenacher leitet sie die Hilfsorganisation. Mittlerweile funktioniert die Kommunikation unter den Helfern so gut, dass Cornelia Fuchs binnen zehn Minuten Freiwillige zusammentrommeln kann, wenn es was zu tun gibt. Die Ehrenamtlichen haben eine Kleiderkammer aufgebaut, Spielzimmer mit Kinderbetreuung eingerichtet, am Mittwoch beginnt der erste Deutschkurs.
Aber die Helfer haben noch eine viel wichtigere Aufgabe: Sie sind der Draht nach draußen, hinunter vom Berg, auf dem das alte Gebäude steht, in den Altort. „Es gibt so viele Sorgen in der Bevölkerung,“ sagt Fuchs. Sie nennt ein Beispiel: „Es gab Bedenken von Müttern, dass die Kinder ansteckende Krankheiten haben könnten – also haben wir einen Arzt organisiert, der die wichtigsten Fragen beantwortet.“
Doch es gibt auch Fragen, auf die keiner eine Antwort weiß in Arnstein. Zum Beispiel die, ob die Notunterkunft wirklich nur, wie vorgesehen, einige Woche existieren soll. „Ich glaube nicht, dass die so schnell wieder weg sind“, sagt eine Frau auf dem Rewe-Parkplatz. „Momentan ist die Rede von vier bis sechs Woche, mehr Information haben wir auch nicht“, sagt Andrea Stiel vom Landratsamt dazu. Einen genauen Plan, was mit dem Brauerinternat passieren soll, wenn die Flüchtlinge wieder weg sind, gibt es laut Stiel noch nicht.
Die Meinung der Arnsteiner Anwohner ist zwiegespalten: „Ich hab alle unsere alten Kinder-Sachen gespendet, da müssen wir doch helfen. Wenn ich eines der armen Kinder hier auf der Straße sehe, sehe ich in ihnen meine eigenen“, sagt eine Frau, die gerade beim Bäcker Kaffee trinkt. Wenn es bald den wöchentlichen Jour-fixe für die Helfer gibt, möchte sie sich auch anmelden und mithelfen.
Zwei Straßen weiter ist der Ton ganz anders: „So arm können die gar nicht sein, die haben doch alle Handys“, schimpft ein Arnsteiner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Außerdem klauen die doch wie die Ratten! Die gehören nicht nach Arnstein und es ist eine Frechheit vom Landratsamt, die Leute einfach hier her zu stecken und uns vorher nicht zu fragen.“
Bei der Polizei nachgefragt, weiß niemand was von Diebstählen: „Bislang haben wir keine Meldung über Diebstähle oder Sicherheitsstörungen erhalten“, sagt Thomas Miebach, zuständiger Polizei-Beamter. „Wenn man sich umhört, schimpfen zwar immer wieder Leute und sagen, dass die Flüchtlinge klauen. Wenn man dann aber direkt nachfragt, wann und wo das gewesen sein soll, heißt es immer nur: ,Das hört man so.‘“.
Wenn das Leben meiner Familie, meiner Frau und Kinder bedroht ist, dann bleibe ich doch bei meiner Familie und lasse Sie nicht alleine, oder?
Das nächste ist, vieles sind ja sowieso alleinstehende junge Männer - es sind so viele die angeblich verfolgt werden, die würden doch ganze Armeen in ihrem Heimatland
stellen und könnten dort doch für politisch bessere Zustände eintreten und kämpfen.
Also warum kommen die eigentlich hierher, wirklich wegen politischer Verfolgung?